Keine Kellerkinder: Arbeiten von Shira Zelwer im Atelierfrankfurt
Findet man im Keller wirklich nur Kellerkinder? Natürlich nicht! So stehen Shira Zelwers Figuren zwar in den Kellerräumen des Atelierfrankfurt, aber doch so wirkmächtig, dass wir die unterirdischen Ausstellungsräume schon fast als einen genialen Ort für diese Skulpturen empfinden. Leider ist am kommenden Donnerstag, 7. April, ab 19 Uhr bereits Finissage, aber wer bis zuletzt noch die Stufen hinabsteigt, bekommt garantiert etwas zu sehen!
Trägt da ein einfältiger, tragikomischer „Hans im Glück“ seine soeben gegen ein Schwein eingetauschte Gans davon?
Shira Zelwer arbeitet seit Oktober 2010 im Rahmen des Residency Programms als Gastkünstlerin im Atelierfrankfurt. Ihre Arbeiten sind unter dem Titel „It’s terrible how wonderful it is“ im ersten Ausstellungsblock des Jahres 2011 zu sehen.
Die Künstlerin arbeitet mit Wachs, das sie in einer Vielzahl von Schichten auf den Kern der Figuren aufträgt. Lediglich die oberste Wachsschicht ist in einer sehr detaillierten farbigen Malerei gefasst. Die darunter liegenden durchsichtigen Wachsschichten verleihen Zelwers Geschöpfen eine eigenartige, schimmernde, wir möchten sagen weiche Transparenz.
Ein Mädchen, eine Frau beugt sich in komischer, nach Vogelart vorwärts geneigter Haltung einem Spiegel entgegen. Ihr Gesicht ist zur Hälfte mit einer Maske aus kleinen, hellen Federn bedeckt. Was mag sie in ihrem Spiegelbild suchen, was dort finden? Wen befragt sie im „Spieglein, Spieglein an der Wand“-Spiel? Warum ist sie nicht „die Schönste im ganzen Land“?
Was kann man nicht alles in den Märchen-Weisheiten der Gebrüder Grimm finden …
Von der Gans unter dem Arm und der gefiederten Maske über dem Gesicht ist es nicht weit zu den Vögeln, hier konkret den Geiern, ebenfalls in der gleichen, Shira Zelwers eigenen Technik modelliert.
Da hocken sie nun, still und ruhig, zu dritt im Kreis. Schon in den alten Mythen spielten diese mächtigen, majestätischen Vögel eine Rolle. Tityos, der versucht hatte, die schöne Titanen-Tochter Leto zu vergewaltigen, musste in der Unterwelt schrecklich büssen: Zwei Geier frassen ihm seine Leber, die ihm jedoch stets wieder nachwuchs, ähnlich, wie es dem frevelnden Prometheus erging, nur dass bei ihm ein Adler das grausame Gericht vollzog. Aber Geier waren im alten Ägypten auch Göttinnen zugeordnet, und man sprach ihnen schützende Funktionen zu.
Menschen sehen in Geiern wiederum Todesboten, Künder nahenden Untergangs. Sehr zu Unrecht, denn die aasfressenden Geier reinigen die Natur, schaffen den Raum für neues Leben.
Und nun aber auch dies: Symbolträchtig hockt der „Pleitegeier“ vor dem leergeräumten Tresor, der in einer jeden Bank stehen könnte. Wer denkt da nicht an die Banken- und Finanzkrise (die ja noch lange nicht überwunden ist) und an die eigentlichen Geier, nämlich diejenigen in Menschengestalt?
Shira Zelwer, 1978 in Tel Aviv geboren, wo sie lebt und arbeitet, studierte an der Midrasha School of Art. 2007 wurde sie als „International Jewish Artist of the Year“ ausgezeichnet. Die Künstlerin stellte im Israel Museum, im Tel Aviv Museum of Art, im Haifa Museum und im Ramat Gan Museum aus. Ihre Arbeiten befinden sich in zahlreichen öffentlichen und privaten Sammlungen. Die sympathische Künstlerin hält nichts darauf, dass man über sie schreibt, und sie sagt über ihre Arbeiten: „I truly believe that in order to understand my work there is no need to read this paper or any other article. Simple, clean and immediate observation is the best way to do so.“
Atelierfrankfurt, bis 7. April 2011 (Finissage 19 Uhr).
(abgebildete Werke © Shira Zelwer; Fotos: FeuilletonFrankfurt)