home

FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Zaubermeister und Zauberlehrlinge

Sie hat so etwas wie einen Ewigkeitswert, solange es Menschen geben wird: Goethes Ballade vom Zauberlehrling.

Doch heute mit dem entscheidenden Unterschied: Der Zaubermeister (BP-Konzern) kennt die den Spuk  (2 bis 3 Millionen Liter Öl ergiessen sich täglich in den Golf von Mexiko) beendende Zauberformel ebensowenig wie seine Zauberlehrlinge. Und es gibt viele Zauberlehrlinge: wir alle, von Präsident Obama angefangen bis zu uns selbst an unserer Stammtankstelle in Frankfurt am Main, an der wir auch heute vormittag wieder einmal volltanken wollen.

Schauen wir doch mal, liebe Leserinnen und Leser, beim alten Goethe ‚rein, der Zauberlehrling verwandelt den Besen in einen Knecht, der ihm das Wasser (heute das Öl) hereinträgt, aber der Knecht lässt sich nicht mehr beherrschen und überflutet mit dem Wasser Haus und Hof, Sie kennen die Geschichte sicher noch aus dem Schulunterricht:

… „Stehe! stehe!
Denn wir haben
Deiner Gaben
Vollgemessen! –
Ach, ich merk’ es! Wehe! wehe!
Hab’ ich doch das Wort vergessen!

Ach das Wort, worauf am Ende
Er das wird, was er gewesen.
Ach, er läuft und bringt behende!
Wärst du doch der alte Besen!
Immer neue Güsse
Bringt er schnell herein,
Ach! und hundert Flüsse
Stürzen auf mich ein.

Nein, nicht länger
Kann ich’s lassen;
Will ihn fassen.
Das ist Tücke!
Ach! nun wird mir immer bänger!
Welche Miene! welche Blicke!

O, du Ausgeburt der Hölle!
Soll das ganze Haus ersaufen?
Seh’ ich über jede Schwelle
Doch schon Wasserströme laufen.
Ein verruchter Besen,
Der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
Steh doch wieder still!

Willst’s am Ende
Gar nicht lassen?
Will dich fassen,
Will dich halten,
Und das alte Holz behende
Mit dem scharfen Beile spalten.

Seht, da kommt er schleppend wieder!
Wie ich mich nun auf dich werfe,
Gleich, o Kobold, liegst du nieder;
Krachend trifft die glatte Schärfe.
Wahrlich! brav getroffen!
Seht, er ist entzwey!
Und nun kann ich hoffen,
Und ich athme frei!

800px-Deepwater_Horizon_offshore_drilling_unit_on_fire_2010-a

(Bildnachweis: US Coast Guard, Anchor-handling tugboats battle the blazing remnants of the off shore oil rig Deepwater Horizon, 21 April 2010)

Wehe! wehe!
Beide Theile
Stehn in Eile
Schon als Knechte
Völlig fertig in die Höhe!
Helft mir, ach! ihr hohen Mächte!

Und sie laufen! Naß und nässer
Wird’s im Saal und auf den Stufen.
Welch entsetzliches Gewässer!
Herr und Meister! hör’ mich rufen! –
Ach da kommt der Meister!
Herr, die Noth ist groß!
Die ich rief, die Geister,
Werd’ ich nun nicht los“ …

780px-Deepwater_Horizon_oil_spill_-_May_24,_2010

(Bildnachweis: NASA, Sunlight illuminated the lingering oil slick off the Mississippi Delta on May 24, 2010)

Aber anders, als in Goethes Ballade, kann der Zaubermeister (BP-Konzern) nicht helfen.

Nein, die Geister, die wir riefen, werden wir nicht mehr los, nicht bei der Nutzung der Atomkraft und nicht bei den Tiefseebohrungen nach den letzten paar Barrel Öl.

Pervers: Der US-amerikanische Staat, die amerikanische Gesellschaft verfügen über keine eigenen Mittel, die Katastrophe einzudämmen, vielmehr sind sie hilflos und ohnmächtig auf die Technik, das know-how und die Logistik eben jenes Hauptverursachers der Ölpest, des BP-Konzerns, angewiesen. In Europa und in Deutschland wäre es vermutlich kaum anders. Das ist sytemisch bedingt: Wer Überlebenswichtiges auf einen allein der Profitmaximierung verpflichteten Öl- und Energiekonzern verlagert und nicht einmal eine funktionsfähige Aufsicht über diesen gewährleistet, erhält irgendwann die Quittung für ein solch verantwortungsloses Handeln. Und da weder die sogenannten „Funktionseliten“ noch die Masse Mensch (sprich: Wählerinnen und Wähler) in diesem System lernfähig sind, wird es gewiss nicht die letzte Quittung gewesen sein.

Yes, we can? No, we can’t!

Comments are closed.