Absolventenausstellung 2008 der Städelschule
Ende 2008 ? Anfang 2008!
„Ende 2008“ heisst die diesjährige Abschlussausstellung der Absolventinnen und Absolventen der Staatlichen Hochschule für bildende Künste, der Städelschule in Frankfurt am Main. Eine gute Tradition findet damit ihre Fortsetzung.
Aber der diesjährige Titel scheint ein wenig resignativ anzumuten, sollte doch ein erfolgreicher Hochschulabschluss einen Anfang, den Schritt in einen neuen Lebensabschnitt bedeuten, in welchem man – endlich – auf eigenen Füssen steht und seine weiteren persönlichen und beruflichen Perspektiven so frei wie möglich gestalten kann. Deshalb möchten wir den Studienabgängern lieber zurufen: Anfang 2008!
26 Absolventinnen und Absolventen der Städelschule stellten am 4. September 2008 ihre Abschlussarbeiten vor, die von Malerei und Skulptur über Fotografie, Video und Film bis zu Rauminstallationen reichen. Die sehenswerte Ausstellung im Erdgeschoss des Städel-Anbaus bleibt leider nur bis zum 21. September geöffnet. Wer sich über den Stand der künstlerischen Reflexionen und Entwicklungen an einer der bedeutendsten Kunstakademien Europas informieren will, sollte sie keinesfalls versäumen.
Martin Engler, Sammlungsleiter für die Kunst nach 1945 am Städel Museum, Daniel Birnbaum als Rektor der Städelschule und Georg-Christof Bertsch, Vorstand des Vereins Städelschule Portikus e.V., eröffneten die Ausstellung mit Werken der Absolventen Ola Bielas, Erik Blinderman, Nils Ebert, Michael Eddy, Jana Euler, Simona Galeckaite, Manuel Gnam, Andrei Koschmieder, Laura Kuch, Pedro Lagoa, Sascha Langer, Maria Loboda, Elena Loukianova, Marina Naprushkina, Julia Nuss, Sarah Ortmeyer, Karl Orton, Mario Pfeifer, Att Poomtangon, Stehn Raupach, Benjamin Saurer, Matthias Scholten, Slava Seidel, Anja Sopic, Stephen Suckale und Hendrik Zimmer. Sie waren Schülerinnen und Schüler der Klassen der Professoren Michael Krebber, Mark Leckey, Christa Näher, Tobias Rehberger, Willem de Rooij und Simon Starling.
Wie im letzten Jahr fragen wir uns: Wo werden wir den Künstlerinnen und Künstlern künftig wieder begegnen, in welchen Galerien und Museen werden wir ihre Arbeiten antreffen, werden manche ihre weiter auszubauenden Ideen, Fertigkeiten und Erfahrungen als Lehrer an künftige Generationen weitergeben, aber werden auch einige am rauhen Lebensalltag stranden? Neun von zehn akademisch ausgebildeten jungen Künstlern werden, so heisst es, kaum einen angemessenen Lebensunterhalt mit einem Verkauf ihrer Arbeiten bestreiten können. Der „Kunstmarkt“ ist in weiten Teilen durchkommerzialisiert, seine Gesetzmässigkeiten sind hart und unerbittlich, zumeist rücksichtslos gegenüber der menschliche Seite der Künstler. Das Angebot an junger Kunst ist auch für Professionelle kaum mehr überblickbar, die Konkurrenz im Kreis der Künstler riesengross. Und doch: Es ist beglückend zu sehen, dass sich junge Künstlerinnen und Künstler durch solcherlei Szenarien nicht beirren lassen und sich immer wieder aufmachen, ihren Weg zu finden und zu gehen. Und: Diese Ausstellungen im Städel Museum gewähren den an ihr Beteiligten einen durchaus respektablen Start in die künftige künstlerische Existenz.
Traditionell wird bei der Ausstellungseröffnung der vom Verein Städelschule Portikus e. V. gestiftete, mit 2000 Euro dotierte Absolventenpreis vergeben. Preisträgerin des Jahrgangs 2008 ist Sarah Ortmeyer mit ihrer Arbeit „Gala La Love“. Die 1980 in Frankfurt am Main geborene Künstlerin studierte zuletzt in den Klassen der Professoren Wolfgang Tillmanns und Simon Starling.
© Sarah Ortmeyer 2008
Gala La Love, Papier auf Holz
Thema der Preisträgerarbeit sind „Paare“, die sich in der Vorstellung der Künstlerin beziehungsweise in der Realität niemals begegneten oder begegnen konnten oder dies eben gerade doch auf eine besondere Weise taten, wenn auch kaum unter dem Vorzeichen „love“. Überhaupt: Was für eine Verknüpfung: „la“ und „love“! Zum einen, sicher eher vordergründig, parodiert Ortmayer mit subtilem Humor auf mehreren Reflexionsebenen am Beispiel der Zeitschrift „Gala“ eine dem Zeitgeist verhaftete Presse, die sich mit realen oder vermuteten Beziehungsgeschichten über „Prominente“ an ein – wie die publizistische Forschung ausweist – ganz überwiegend weibliches Publikum wendet unter dem Motto „gute Nachrichten und schöne Bilder statt negative Schlagzeilen und Leid“. Entsprechend gehören zu dem Werk einige Exemplare einer „Gala“-Ausgabe (Nr. 37 vom 4. September 2008), mit einem Einhefter der Künstlerin versehen, der verschiedene Angaben und Illustrationen über die in der Realität möglichen wie vermeintlichen „Paare“ beinhaltet.
Wer sich eingehender mit der Arbeit von Sarah Ortmeyer auseinandersetzen will, muss zuvor selbst einiges an eigener Arbeit investieren: Es wird ihm nicht erspart bleiben, sich mit dem Leben und dem Handeln der betreffenden Personen näher zu befassen, um den Un- oder Hinter-Sinn ihrer „Paarungen“ zu ergründen: Die Mühe lohnt sich, man wird erstaunliche Entdeckungen machen.
Sarah Ortmeyer bringt auf diese Weise Angela Davis und Theodor Adorno, Glenn Gould und Thomas Bernhard, Sophie Scholl und Otl Aicher, Andreas Baader und Nico (Christa Päffgen), Peggy Oki und Tony Alva, Simone de Beauvoir, Che Guevara und Jean-Paul Sartre – ausnahmsweise als Trio und in der Mitte des Ensembles positioniert, entsprechend der historischen Begegnung der drei im Jahr 1960 – , Queen Elizabeth II und Marcel Duchamp, Barbra Streisand und Bobby (Robert James Fischer), George Schulte-Frohlinde und Yoko Ono, Djuna Barnes und Thelma Wood sowie schliesslich Ludwig Wittgenstein und Margarethe Stonborough Wittgenstein jeweils miteinander in Beziehung.
Die Arbeit besteht aus elf Holzkästen, innen mit weissem Passepartout-Karton ausgekleidet, die bildlichen Darstellungen sind, jeweils im Passepartout-Fenster, in unterschiedlicher Weise angeordnet.
Die diesjährige Jury – Georg-Christof Bertsch, Martin Engler, Melanie Ohnemus (Kuratorin, Portikus) und Thomas Wagner (freier Kunstkritiker) – hat ein sperriges Werk prämiert, das dem betrachtenden Publikum einiges „zumutet“.
© Benjamin Saurer 2008
ohne Titel, Mischtechnik auf Stoff
ohne Titel, Mischtechnik auf Papier
Kuratorin der Ausstellung ist Katharina Dohm von der Schirn Kunsthalle Frankfurt. Ihr gelang es mit viel Einfühlungsvermögen, die sehr unterschiedlichen künstlerischen Positionen in einen durchaus sich erschliessenden Kontext der Präsentation eines Jahrgangsabschlusses zu bringen. Städelschul-Rektor Daniel Birnbaum, durchaus bekannt als ein Freund offener Kritik, zeigte sich entsprechend sehr zufrieden mit der Qualität der Ausstellung.
(Bildnachweis: Städelschule / Städel Museum; Fotos: Norbert Miguletz)
→ Absolventenausstellung 2009 der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste – Städelschule