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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

60 Jahre deutsch-französischer Freundschaftsvertrag – Wie geht es weiter?

Nach vorne schauen und auf bessere Zeiten hoffen?

Christophe Braouet, als Kind deutsch-französischer Eltern, Doppel-Staatler, außerdem Autor des Buches „Deutschland und Frankreich schaffen das“, setzt sich seit 2004 als Präsident der Deutsch-Französischen Gesellschaft Frankfurt (DfG) für die Verständigung beider Völker ein. Er plädiert dafür, auch in Zukunft ein starkes Europa und die soziale Marktwirtschaft nicht durch Alleingänge, sondern durch gemeinsame Bestrebungen zu tragen. Das Wohlbefinden sollte zum politischen Maßstab werden, um das Interesse der Zivilgesellschaft zurückzugewinnen, so sein Credo.

Braouet aber hält nicht nur kluge Vorträge und organisiert interessante Veranstaltungen zum Thema.  Der Politologe und Wirtschaftswissenschaftler, der etliche Jahre lang im Bankwesen in Frankreich wie in Deutschland tätig war, setzt sich auch ganz praktisch und engagiert für das Erlernen der französischen Sprache ein. Der Beweis: Er setzt auch auf die Nachwachsenden. Am morgigen Abend findet zum Jubiläum des Elysee-Vertrags wie auch in den vergangenen Jahren die DFG-Preisverleihung im Frankfurter Römer statt. Doch darüber später mehr…

Braouets 27. Commentaire zum Jahresauftakt:

Vor 60 Jahren, am 22. Januar, wurde der deutsch-französische Freundschaftsvertrag, der sogenannte Elysée-Vertrag unterzeichnet: ist nun die Zeit reif für einen Neustart? Noch Ende Oktober entfiel erstmalig der deutschfranzösische Ministerrat, so groß war die Irritation in Paris wegen dem unabgestimmt verkündeten 200 Milliarden-Paket, der antizyklischen Kanzler-Reise nach Beijing und der Entscheidung für amerikanische Technologie um den europäischen Luftraum zu schützen.

2022: DFK-Schülerpreisverleihung im Römer mit allen Beteiligten noch unter den Bedingungen der Pandemie, Foto: Petra Kammann

Das, was wir jetzt im 100-Milliarden-Paket drin haben, folgte der militärischen Empfehlung, dass wir jetzt endlich – ich mach’s mal platt – Sachen haben wollen, die fliegen, die fahren und die auf dem Markt da sind. (…) Keine europäische Entwicklungslösung, die hinterher nicht läuft. Die Beispiele nenne ich jetzt hier nicht auf. Das wäre ja fast schon Firmen-Bashing„, so die schroffe Erklärung des Generalinspekteurs der Bundeswehr Eberhard Zorn auf einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) am 12. September! Nach vorne schauen und auf bessere Zeiten hoffen: das wünschen wir uns alle nach einem folgeschweren Jahr 2022.

Und es gibt viele Gründe, dass es auch so kommen kann. Frankreich konnte sich freuen, es ins Fußball WM-Finale geschafft zu haben. Deutschland kann froh sein, frühzeitig den Putsch-Versuch der Reichsbürger mit über 100 Mitwissern vereitelt zu haben. Allem voran steht aber die Hoffnung auf Beendigung des Ukraine-Kriegs. Mithilfe eines auch in Kiew (bis jetzt) mild ausfallenden Winters muss Putins Zermürbungsversuch der ukrainischen Kampfmoral genauso scheitern, wie die von ihm angeordneten Kriegsverbrechen.

Am 15. Dezember schrieb Philipp Eppelsheim in der FAZ Online: „Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef hat fast jedes der rund sieben Millionen Kinder in der Ukraine keinen dauerhaften Zugang zu Strom, Heizung und Wasser. Kinder seien extremer Kälte ausgesetzt, ohne Strom sei auch der Kontakt von Kindern zu Freunden oder Verwandten eingeschränkt. Schätzungsweise 1,5 Millionen Kinder seien von Depressionen, Angstzuständen, posttraumatischen Belastungsstörungen und anderen psychischen Problemen bedroht.“

Am 24. Februar wird der Krieg schon ein Jahr andauern. Beide Parteien werden vielleicht einsehen, dass es kein Weiterkommen gibt und sich auf eine Schlichtung einlassen. Dafür muss die militärische Unterstützung nicht nur angekündigt, sondern schnell umgesetzt werden. In der Hoffnung, dass die Sanktionspakete Wirkung zeigen, wird Putin sich dann vielleicht an den Verhandlungstisch setzen.

Mit dem Ende des Ukraine-Kriegs würde auch eine Entspannung auf den Kapital- und Energiemärkten einhergehen. Das erste LNG-Gasterminal wurde in Windeseile fertiggestellt. Deutschland hat sich Mitte Dezember auf einen von fast allen anderen EU-Mitgliedsstaaten gewollten Preisdeckel eingelassen: 180 Euro pro Megawattstunde  liegen nun weit über dem Gasmarktpreis von zuletzt 80 Euro. Anders der Preisdeckel für russisches Erdöl von 60 US-Dollar pro Barrel dem Deutschland schon zuvor -und ohne solche Diskussionen zugestimmt hatte, obwohl der Deckel unter dem Marktpreis von damals 69 Dollar lag!

Es fehlt nur noch die Mehrheit der Deutschen davon zu überzeugen, dass nicht nur französischer, sondern auch deutscher Atomstrom zu Wohlstand und Verteidigung des europäischen Industriestandorts beiträgt.

Ein Ende des Ukraine-Kriegs wäre kein Grund zur militärischen Entwarnung, wie es das jüngste PUMA-Debakel zeigt. Der PUMA wurde erst jüngst -fünf Jahre nach Einführung in der Truppe- für gefechtstauglich erklärt! Warum sie trotz Warnung des Bundesrechnungshofs über ihre technische Unreife freigegeben wurden, steht auf einem anderen Blatt. Der russische Vormarsch hat belegt, dass Europa nicht nur eine glaubwürdige nukleare Abschreckung braucht, sondern auch in der Lage sein muss konventionell die Stirn zu bieten, ohne Bittstellung vor dem Weißen Haus. Der „strategische Kompass“ der EU sieht derzeit eine Interventionstruppe von nur 5.000 Mann vor, die niemanden zurückhalten wird. Das 100 Milliarden Paket ist also nur ein Anfang.

Die finanziellen Spielräume sind gegeben: der deutschen Wirtschaft geht es unverändert gut. Gute Nachrichten für die deutschen Staatsfinanzen sind die Rekordgewinne der Unternehmen: + 22 % im Vergleich zum Vorjahr und die Beschäftigung bleibt auf dem Rekordniveau des Vorjahres. In Frankreich ist die Arbeitslosigkeit von über 9 % vor der Corona-Krise auf nun 7,3 % weiter gesunken, soziale Ungleichheiten wurden abgebaut und Reformen für ein unternehmensfreundlicheres Umfeld (Arbeitsmarktgesetze, Senkung der Unternehmens-steuern, usw.) tragen erste Früchte. Diese Maßnahmen lassen auf eine Reduzierung des Staatsdefizits hoffen, die aber noch auf sich warten lässt: eine bei 113 % Staatsverschuldung und steigenden Zinsen wachsende Notwendigkeit.

Die zu Jahresbeginn zu verabschiedende Rentenreform soll zur Defizitreduzierung beitragen. Zu hoffen ist, dass mit dem neuen Jahr die Bekämpfung des Klimawandels zur Priorität wird. Es ist nur gerecht, dass die Industriestaaten anlässlich der COP 27 in Sharm el Sheikh den Südstaaten finanzielle Unterstützung (erneut) zugesagt haben. Es muss nun auch umgesetzt werden. Emmanuel Macron hat z.B. 5 Milliarden Euro Fördermittel versprochen, wenn die 50 Industriestandorte die am meisten CO2 ausstoßen (und für die Hälfte des gesamten CO2 Ausstoßes der französischen Industrie stehen) ihren CO2-Ausstoß halbieren.

Zu guter Letzt dürften wir das Ende der gesundheitlichen Corona Krise zumindest in den entwickelten Ländern erleben: 70 % der Weltbevölkerung hatte eine erste Impfung, aber nur 25 % in den armen Ländern. Christian Drosten sagte dem „Tagesspiegel“ am 26. Dezember das Virus könne im Sommer kaum noch durchkommen: „Wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle mit Sars-Cov-2, nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei“. Vorbehaltlich einer erneuten negativen Überraschung aus China.

In Folge ihrer Kehrtwende wurden allein in den ersten drei Dezemberwochen 250 Millionen Chinesen (!) infiziert. Wie viele Millionen Chinesen bei vollkommen überforderten Krankenhauskapazitäten zum Opfer fallen werden kann nuranhand der Vergleichszahlen gemutmaßt werden. In Europa und den USA waren es jeweils eine Million!…

 

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