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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Asrael“ an der Bonner Oper

Der Engel mit den abnehmbaren Flügeln lebt in der Hölle beim Teufel in Pantoffeln

von Simone Hamm

Die Oper Bonn hat sich einen Namen gemacht, weil sie vergessene Opern ausgräbt und aufführt. Die Oper begibt sich auf „Forschungsreise zu den Ursachen von Verschwinden und Vergessen“.  Sie widmet sich Werken, die  nach 1933 oder nach 1945 vom Spielplan verschwanden. „Fokus 33“ heißt dieses ehrgeizige Projekt. Dort hat man wirklich ein gutes Händchen.

Tamara Gura (Lidoria), Khatuna Mikaberidze (Loretta), Pavel Kudinov (Il Padre), Statisterie, Foto: © Hans Jörg Michel// Theater Bonn

„Asrael“,  1888 zum ersten Male aufgeführt, das erste Werk von Alberto Franchetti, ist so ein vergessenes Meisterwerk. Zu seinen Lebzeiten war Franchetti sehr bekannt. „Asrael“ war ein Riesenerfolg des erst  27-Jährigen. Mehrfach dirigierte Gustav Mahler. Weil Franchetti Jude war, durften seine Opern in Deutschland nach 1933 nicht mehr gespielt werden. In Italien hatte er ab 1938 wegen der italienischen Rassengesetze Schwierigkeiten. Dann wurde er vergessen.

„Asrael“ wiederentdeckt zu haben, ist das große Verdienst der Bonner Oper. Ein spektakulärerer Fund lässt sich kaum machen. Und das trotz des kruden Inhalts.

„Asrael „ist die Liebesgeschichte zweier Engel“ (die doch eigentlich kein Geschlecht haben). Nefta lebt im Himmel, der gefallene Asrael in der Hölle. Beide dürfen für ein Jahr auf die Erde, Asrael mit der Auflage, eine unschuldige Seele mit in die Hölle zurückzubringen.

Asrael spielt mit einer Königstochter, die eine Zauberin ist, lebt mit einer Zigeunerin, wird im Kampf verletzt und von Schwester Clotilde gepflegt. Das Jahr ist fast herum, er muss zurück in die Hölle, muss die unschuldige Seele bringen. Da überredet die Schwester ihn, das Ave Maria zu beten. So entreißt sie ihm Luzifer. Und Asrael erkennt in ihr die Engelin Nefta.

Aus diesem Mysterienspiel macht Regisseur Christopher Alden ein munteres, sehr lebendiges Schauspiel. Er läßt „Asrael“ in einem leicht heruntergekommen Palast spielen (Bühne: Charles Edwards).

Neben den Sängern treten etliche Statisten auf, als Soldaten, als Mutter Maria, als Göttin, als Selbstmörderin.

Das bringt Leben auf die Bühne und lässt den dreistündigen Abend an keiner Stelle langweilig werden.

Luzifer schlurft in staatlicher Uniform, Pickelhaube und Pantoffeln auf die Bühne. Manchmal wirft er sich eine Fahne mit Reichsadler um. Er schickt Asrael in den Krieg. Er raucht ununterbrochen Zigarretten. Die Hölle ist ein karger Ort.

Wieder und wieder werden junge Männer in den Krieg geschickt. Im Himmel herrschen die Engel mit abnehmbaren Flügen und auf Erden ist das wichtigste Requisit ein Bett. Zum Lieben. Zum Sterben. Zum dem Tod von der Schippe Springen für ein Ave Maria.

Franchettis Musik klingt wie eine Mischung aus Gounod, Bizet und Wagner. So nuanciert wie Hermes Helfricht das Beethovenorchester dirigiert, von den leisen Tönen bis zu den himmlischen Trompetenfanfaren und den Chören ist das überwältigend: Höllenlärm und Engelsmusik. Die Trompeten von Jericho und der satte, bisweilen ohrenbetäubende Orchesterklang. Helfricht nutzt das ganze Opernhaus, der Chor singt vom Rang aus, die Trompeten erschallten irgendwo von fern.

Tamara Gura (Lidoria), Khatuna Mikaberidze (Loretta), Peter Auty (Asrael), Svetlana Kasyan (Nefta), Foto: © Hans Jörg Michel / Theater Bonn

Der britische Tenor Peter Auty als Asrael gibt dem vom Teufel angestifteten Engel etwas Verlorenes, sogar Wütendes. Er muss sehr hoch singen – eben wie ein Engel – und das meistert er gekonnt und sehr senisibel. Die georgische Sopranistin Svetlana Kasyan ist eine verhaltene, träumende und dann wieder zupackende Engelin Nefta und Krankenschwester. Ihr beider Liebesduett betört das Publikum. Schöner kann man die Liebe nicht besingen.

Der schreckliche, zynische Luzifer ist der Pavel Kudinov (Bass). Königstochter Lidoria (Mezzosopranistin Tamara Gura), die von Asrael verschmäht wird, tut sich daraufhin mit ihrer Rivalin zusammen, der Zigeunerin. Khatuna Mikaberidze (Mezzosopran), ebenfalls aus Georgien, ist die kokette malende fahrende Frau, die ein Bohème-Leben führt.

Unvorstellbar, dass es viele freie Plätze in der Bonner Oper gab. Der Herr neben mir war aus Berlin angereist, in der Schlange bei den Getränken stand ein Paar aus Amsterdam neben mir.

Lange Anreisen mit völlig verspäteten Zügen nehmen die Opernliebhaber auf sich, um dieses Kleinod zu entdecken. Warum die Bonner, Kölner und Düsseldorfer die Ränge nicht gefüllt haben, ist ein Rätsel.

Opernhaus Bonn 8. Dezember 19.30 h mit Eröffnung der Ausstellung Fokus 33 und einem Expertengespräch

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