Brunnen und Lebensfreude in der Hansestadt Rostock
Von Elke Backert
Die Stadtführerin der Hansestadt Rostock weiß Lustiges zu erzählen: Kommen Besucher in die Stadt und fragen nach den Porno-Figuren, wo diese zu finden seien. Sie ist ratlos und wundert sich. Die alte ehrwürdige Hansestadt soll …, nein, nicht zu fassen. Als die Besucher den „Brunnen der Lebensfreude“ mit den Bronzeplastiken der Bildhauer Jo Jastram (1928-2011) und Reinhard Dietrich (1932-2015) erreichen, haben sie nach ihrer Meinung die Porno-Figuren gefunden. Zwei Plastiken stellen ein nacktes Paar dar, das sich artistisch regelrecht „verrenkt“. Das andere Paar liegt still nebeneinander, die Genitalien gut sichtbar. An den blank geriebenen Stellen erkennt man, was die Besucher beeindruckt. Ein Schwein suhlt sich auf dem Rücken und scheint sich selbst zu lecken – so man dies interpretieren möchte. Sicher soll es auch nur pure Lebensfreude darstellen.
Der „Pornobrunnen“ auf dem Universitätsplatz
Na, so ein Schwein! Teil des „Brunnens der Lebensfreude“
Schon vorher – am Denkmal für den Fürsten Blücher von Wahlstatt – konnte man sich wundern. Die Seiten des Denkmals zeigen Szenen, auf denen in den Schlachten nackte Schutzengel, männlich und weiblich, präsentiert werden. Des einen Vorderansicht – er ist deutlich ein Mann – ist schon blank gerieben. Muss wohl Glück bringen …
Auch der Brunnen der „Sieben Schwestern“ von Reinhard Dietrich strahlt vor Lebensfreude
Lebensfreude drücken auch „Sieben stolze Schwestern küsst das eine Meer“ am Kröpeliner Tor aus, ebenfalls von Reinhard Dietrich geschaffen. Das 54 Meter hohe, siebengeschossige Kröpeliner Tor, 1280 erstmals urkundlich erwähnt, gilt als das repräsentativste der einst 22 Stadt- und Wassertore Rostocks. Es zeigt eine Ausstellung zur Rostocker Stadtbefestigung, im Mittelalter drei Kilometer lang, von der noch heute auf einer Länge von etwa 1.300 Metern Mauer erhalten und mit ihren halbrunden Wiekhäusern sehenswert sind.
↑ Das 54 Meter hohe, siebengeschossige Kröpeliner Tor gilt als das repräsentativste der einst 22 Stadt- und Wassertore Rostocks
↓ Altarbild in der Klosterkirche Zum Heiligen Kreuz
Die Wiekhäuser in regelmäßigen Abständen sollten die teils ein Meter zwanzig dicke Stadtmauer aus Backsteinen verstärken. Im Bereich des Klosters zum Heiligen Kreuz, heute Kulturhistorisches Museum, etwa wurden frühere Wehrgänge 1982/83 wiederhergestellt.
↑ Schönste Giebelhäuser
↓ Die Petrikirche
Während die Petrikirche meist nur aufgesucht wird, um mit dem Aufzug auf ihren Turm zu fahren und dort den – leider windigen – Blick über die Stadt und die Warnow zu genießen, ist die Marienkirche, eine dreischiffige Basilika und ein Hauptwerk der norddeutschen Backsteingotik, ein Muss. Sie besitzt neben einer Weltsensation eine ungewöhnlich grandios mit Figuren bestückte Renaissance-Holzkanzel von 1574 mit einem – ungewöhnlich – Schalldeckel, eine Orgel aus dem Jahr 1452, ein gotisches Taufbecken, die sogenannte „Bronzefünte“, die die bedeutendste und größte mittelalterliche Erztaufe im Ostsee-Küstengebiet darstellt.
↑ Die Kanzel der Marienkirche trägt einen Schalldeckel; die Orgel rührt aus dem Jahr 1452
↓ Ein außergewöhnliches Taufbecken in der Marienkirche
Und dann die Weltsensation. Im Chorumgang füllt hinter dem Hochaltar eine elf Meter hohe astronomische Uhren-Anlage von 1472 den Raum zwischen zwei Pfeilern aus. Das Zifferblatt ist über 16 Quadratmeter groß. Der über der Hauptuhr angebrachte Figurenumzug erscheint zur 12. und zur 24. Stunde. Also muss man rechtzeitig um 12 Uhr mittags vor der Uhr stehen. Die zwölf Apostel erscheinen und werden von Jesus mit der Hand gesegnet – bis auf einen, Judas, vor ihm schließt sich dann auch die Tür, und er muss draußen bleiben.
↑ Das ist die Sensation in der Marienkirche zu Rostock – die Astronomische Uhr
↓ Das Figurenspiel an der Astronomischen Uhr ist mittags Punkt zwölf zu sehen – Judas muss draußen bleiben
1943 wurde die Uhr zum Schutz gegen Bombenangriffe eingemauert und erst 1951 wieder freigelegt. So können wir uns heute an ihr ergötzen und von der Stadtführerin erzählen lassen, wie sie funktioniert und was welche Bedeutung hat.
Fotos Elke Backert