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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Hello I love you“ in der Schirn. Yes, we do, Daniel Richter.

2016, Januar 4.

„Hello I love you“: Yes, we do!

Daniel Richter gilt in Deutschland als einer der prägenden Maler seiner Generation und wird oft in einem Atemzug mit Neo Rauch und Jonathan Meese genannt. Seine neuen farbintensiven Gemälde verscheuchen in dem lichten Raum der Frankfurter Schirn jegliche Form von Winterdepression. Der 1962 in Eutin geborene Daniel Richter, ausgebildet bei Werner Büttner an der Hochschule für bildende Künste Hamburg und einst Assistent von Albert Oehlen, lebt heute in Hamburg und Berlin und nimmt eine Professur in Wien wahr.

Petra Kammann hat sich seine neuen Gemälde in der Schirn angesehen

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Max Hollein, Chef der Schirn, auf dem Weg in die Daniel Richter-Ausstellung

Die neue Ausstellung des norddeutschen Künstlers Daniel Richter ist im wahrsten Wortsinne eine Wucht. Wenn man den Ausstellungsraum der Schirn mit dem halbrunden Atelierfenster betritt, durch welches das natürliche Tageslicht auf die kräftig grellen Farben der neuen suggestiven Malerei Daniel Richters fällt, dann kann man sich einfach nicht entziehen und wegschauen. Ein neues Tor ist aufgestoßen worden, und es entsteht ein Gefühl von Freiheit und Offenheit, das an das amerikanische Lebensgefühl der Sixties und der damit verbundenen PopArt erinnert, der einfach nichts mehr heilig war. Weiterlesen

„John Baldessari. The Städel Paintings“ im Frankfurter Städel Museum

2015, November 8.

Schnipselmann & Schnitzeljagd –
John Baldessaris ironische Meisterwerk-Kommentare

Krönender Abschluß „200 Jahre Städel“

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Kurator Martin Englert und Städelchef Max Hollein vor John Baldessari (*1931) Movie Scripts/Art: A hand suddenly grips railing, 2014, Diptychon; Inkjet-Print und Acrylfarbe auf Leinwand, 273,7 x 189,2 cm, Marian Goodman Gallery © John Baldessari; Foto: Petra Kammann

Von Petra Kammann

Meisterwerke von Genies können etwas Einschüchterndes haben, in der Kunst wie in der Literatur. Wie wollte man Goethe übertrumpfen? Man muss nur selbstbewusst und respektlos genug mit den Meistern umgehen. So etwa hat sich der Pop-Artist Andy Warhol frech aus dem berühmten Tischbein-Porträt den Kopf mit Hut herauskopiert, stark vergrößert und ihn mit grellen und frischen Farben neu aufgebaut. Entstanden ist so eine neue Ikone im „Zeitalter der Multiplizierbarkeit“, ohne die man das Tischbein-Gemälde kaum mehr denken kann … Und jemand wie der DDR-Autor Ulrich Plenzdorf wollte Goethe auch nicht allein den Ruhm für „Die Leiden des jungen Werther“ überlassen. Wie der Autor den „ollen Werther“ in sein eigenes Werk „Die neuen Leiden des jungen W.“ einbaut, ist so provokativ wie witzig: Held Edgar sitzt im Dunklen auf der Toilette und findet kein Papier. Also missbraucht der ein dünnes Büchlein, von dem er Titel- und Deckblatt sowie die letzten paar Seiten als Toilettenpapier gerade zur Hand hat. Dass es sich dabei um Goethes Werther handelt, kann er zwar nicht mehr feststellen, liest das Buch dann doch noch, lässt jedoch kaum ein gutes Haar daran. Das Aufmüpfige, das dem Autor Probleme mit der Zensur verursacht hat, der respektlose Umgang mit traditionellen Kultwerken, hatte in der westlichen Welt weniger dramatische Folgen.

So war dem kalifornischen, inzwischen 84-jährigen Künstler John Baldessari, der als Vater der Konzeptkunst gilt, mehr Erfolg und Anerkennung beschieden. Er erhielt nicht nur unzählige Auszeichnungen, sondern auch Ausstellungen in renommierten Museen wie dem Metropolitan Museum in New York oder der Tate Modern in London. Und er wurde mit dem Goldenen Löwen der 53. Biennale von Venedig und 2012 mit dem Kaiserring der Stadt Goslar ausgezeichnet. Als Pionier der Konzeptkunst hatte Baldessari schon Mitte der 1960er Jahre alles infrage gestellt: die Malerei, den Markt, den Mythos des Künstlergenies – und auch den guten Geschmack oder das, was Kunstkenner wohl dafür hielten. Der Maler schlug einen radikalen Weg ein. So wurde er 1970 so richtig durch seine provokative Tat bekannt, als er nämlich seine Gemälde, die er bis 1968 geschaffen hatte, offiziell in einem Krematorium verbrennen ließ. Weiterlesen

„Dialog der Meisterwerke“ im Städel: Eröffnungsansprache von Daniel Kehlmann

2015, Oktober 24.

Das Bild im Bild
Verdoppelung und Transformation der Wirklichkeit

Von Petra Kammann

Tout Francfort hatte sich im unteren Gartensaal des Städel, in dem die zeitgenössischen Künstler ihre neue Heimat gefunden haben, versammelt, um die Eröffnung der zweiten großen Jubiläumsausstellung im Frankfurter Städel „Dialog der Meisterwerke“ zu begehen. Der „hohe Besuch“, den sich für diesen Moment das Städel als Festredner eingeladen hatte, war weder ein Künstler noch ein Kunsthistoriker, sondern ein Autor, nämlich der Wiener Schriftsteller Daniel Kehlmann, bekannt durch seine „Die Vermessung der Welt“ sowie seinen jüngst verfilmten Roman „Ich und Kaminski“.

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Begrüßung durch Städel-Chef Max Hollein

Der Titel seiner Rede lautete „Der Apfel, den es nicht gibt – unordentliche Gedanken über Bilder und Wirklichkeit“. Würde er auf die zeitgenössischen Werke dabei Bezug nehmen? Ja und nein. „Natürlich ist es frivol, hier zu stehen. Wer in diesen Tagen eine Ausstellung schöner Dinge eröffnet, muss auch von den hässlichen reden. Wer laut über Schönheit nachdenkt, muss im Verdacht der Gefühllosigkeit stehen, als wollte er sie mit Gewalt nicht sehen, die Fliehenden, die überfüllten Boote, die in Lastwagen Erstickten, die Menschen hinter Stacheldrähten und die Mordbanden, die im Namen der Religion Köpfe abschneiden …“

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Der Schriftsteller setzte sich höchst konzentriert und philosophisch mit dem Vorgang des Malens und der Darstellung der Realität innerhalb der Malerei auseinander Weiterlesen