Ein Besuch mit Geneviève François-Poncet in der französischen Botschaft
2015, November 13.„Tagebuch eines Gefangenen“ ihres Vaters André François-Poncet, ehemals Botschafter Frankreichs in Deutschland
André François-Poncet zählte zu den bedeutendsten und einflussreichsten Diplomatenpersönlichkeiten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: ob von 1931-1938 als französischer Botschafter in Berlin, von 1938-1940 in Rom – das Münchener Abkommen war für ihn die Garantie für eine herannahende Katastrophe -, nach dem 2. Weltkrieg als französischer hoher Kommissar der Alliierten oder schließlich von 1949 bis 1955 als erster Botschafter seines Landes in der Bundesrepublik Deutschland. Wie kein Zweiter hat er die Geschicke Deutschlands begleitet und die französisch-deutsche Annäherung nach 1945 maßgeblich mitgestaltet.
Im August 1943 wurde er von Hitlers Schergen gefangengenommen, als er mit seiner Familie in der Nähe von Grenoble zu Tisch saß. Da waren plötzlich SS-Leute mit Maschinengewehr im Anschlag in das Haus gestürmt und hatten André François-Poncet ohne Angabe von Gründen verhaftet. Das war der Beginn der wohl dunkelsten Zeit im Leben des erfolgsverwöhnten Botschafters, Schriftstellers und Humanisten. Zunächst wurde er auf Schloss Itter in Tirol und dann als sogenannter „Ehrengefangener“ im Ifen-Hotel in Hirschegg im Kleinen Walsertal interniert. Dort lebte er mit anderen „Ehrengefangenen“ zwar bestens versorgt, aber doch im Ungewissen. Man war vor Denunzianten niemals sicher, doch über das Radio konnte man heimlich das Weltgeschehen verfolgen. Trotz all der zwiespältigen Erfahrungen hat sich André Francois-Poncet nach dem Krieg ohne Ressentiments sofort wieder der Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland gewidmet.
Geneviève François-Poncet vor der französischen Botschaft in Berlin
70 Jahre nach seiner Befreiung im Mai 1945 erschienen in diesem Jahr seine bemerkenswerten Tagebuchaufzeichnungen als „Tagebuch eines Gefangenen“, worin er den Alltag der ca. 30 europäischen Persönlichkeiten aus Politprominenz, Generalität und Hocharistokratie beschreibt, welche die Nationalsozialisten in Hirschegg interniert hatten. Der gebildete „Homme de lettres“, der seine Aufzeichnungen auch mit Kritiken deutscher und französischer Literatur würzt, hat diese während seiner Gefangenschaft im Kleinwalsertal von 1943-1945 verfasst. In Frankreich waren sie bereits 1952 unter dem Titel „Carnets d ´un Captif“ herausgekommen.
Anlässlich einer Buchpräsentation im Berliner Institut français und einem damit verbundenen, von Petra Kammann moderierten Gespräch zwischen dem Herausgeber Thomas Gayda und François-Poncets jüngster Tochter Geneviève empfing der französische Botschafter, S.E. Philippe Etienne, die drei Diskutanten persönlich in der französischen Botschaft am Pariser Platz. Für die Tochter François-Poncets war dies nicht nur eine anrührende Begegnung mit der eigenen Geschichte. Madame zeigte ein ebenso hohes Interesse an den Themen der heutigen Botschaft.
Ein Bericht von Petra Kammann Weiterlesen