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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Alle Artikel zu Frankfurter Kunstverein

„Das Wesen im Ding“ im Frankfurter Kunstverein (3): Egill Sæbjörnsson

2010, April 7.

“Das Wesen im Ding” im Frankfurter Kunstverein: Wieder einmal betreten wir einen verdunkelten Raum, dieses Mal ist es der grosse Ausstellungssaal im 2. Obergeschoss. Die Augen, soeben noch dem hellen Tageslicht verhaftet, gewöhnen sich nur langsam um. Schemenhaft werden einige Aufbauten sichtbar, deutlicher die Projektionen an den Wänden. Fünf Arbeiten des isländischen Künstlers Egill Sæbjörnsson sind es, die uns dort faszinieren.

Was ist das „Wesen“ im „Ding“?

Ein „Ding“: ein Objekt, eine Sache, ein Gegenstand? Das Bild, das wir uns von ihm machen, die Vorstellung, die wir von ihm haben? Wie stehen wir, als Subjekt, dem Ding, als Objekt, gegenüber? Immanuel Kant sprach von dem „Ding an sich“ als dem unabhängig vom Subjekt Seienden (Kant: „Es sind uns Dinge als ausser uns befindliche Gegenstände unserer Sinne gegeben, allein von dem, was sie an sich selbst sein mögen, wissen wir nichts, sondern kennen nur ihre Erscheinungen, d. i. die Vorstellungen, die sie in uns wirken, indem sie unsere Sinne affizieren“). Und das „Wesen“? Der Essentialismus unterstellt ein Wesen als wahre Natur, als Identität einer Sache, eines Dings also. Seit alters her bilden Vorstellungen von „Ding“ und „Wesen“ ein Tummelfeld der Philosophen. Heute erscheint, im Lichte quantenphysikalischer Erkenntnisse und Theorien, von Forschungen mit dem Large Hadron Collider LHC und deren mit Spannung wie auch Spekulationen erwarteten Ergebnissen, vieles von dem lediglich noch der historischen Betrachtung wert.

Wir verstehen die Ausstellung im Frankfurter Kunstverein als eine – exemplarische – Präsentation, wie sich Künstler heute mit Fragen nach einem Wesen im Ding auseinandersetzen. Nach einer – wiederum exemplarischen – Betrachtung der Arbeiten von Nina Canell und Florian Haas schliessen wir mit einer künstlerischen Position von Egill Sæbjörnsson.

Putzeimer, Besen und andere, der Reinigung dienende und damit durchaus banale Gegenstände entfalten in der Installation „Kugeln“ ein erstaunliches Eigenleben:

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„Das Wesen im Ding“ im Frankfurter Kunstverein (2): Florian Haas

2010, März 28.

„Das Wesen im Ding“ – Wer oder was erwartet uns dieses Mal im Frankfurter Kunstverein?

Merkwürdige Gesellen haben sich dort eingefunden, soviel sei schon zu Beginn verraten, als da wären Rübling und  Schwindling, Porling und Saftling, Becherling, Ritterling und Täubling und sogar der legendäre Hallimasch.

Und was für Beinamen tragen diese Gesellen! „Am Ast gehen“, „Ganz alleine“, „Ein Herz und eine Seele“, „Erzieherin“ und „Alleinerzieherin“, „Carmen“ und „Lourdes“,  „Langes Gespräch“ und „Husten“, „Gouvernante“ und „Schneewittchen“, „Drei Kameraden“ …

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Florian Haas vor 66 Pilzbildern, 2002 bis 2009, jeweils Öl auf Hartfaser, 17,5 x 25 cm, Courtesy Künstler und Galerie Heike Strelow Weiterlesen

„Das Wesen im Ding“ im Frankfurter Kunstverein (1): Nina Canell

2010, März 17.

Dunkel ist es in diesem Raum des Frankfurter Kunstvereins. Aber es ist nicht die Faust’sche Hexenküche, und es geht auch nicht ganz so knallend und zischend zu wie im Giessener Liebig-Museum, wenn der legendäre Professor Wolfgang Laqua dort vor staunendem Publikum seine chemischen Experimente zum Besten gibt. Aber es begegnet uns schon etwas Geheimnisvolles, es faucht und blubbert leise schäumend aus der Schüssel, und klackernde Töne, wie wir sie von einem Geigerzähler her kennen, verbreiten sich im Raum.

„Das Wesen im Ding“ ist die neue Ausstellung im Frankfurter Kunstverein betitelt. Sieben künstlerische Postionen werden dazu präsentiert. Es geht darum, wie Künstler die Natur- und Dingwelt durch deren Repräsentation und Imitation ergründen, um tiefere Erkenntnisse über das Wesen der Welt zu gewinnen. „Die Repräsentation der für wirklich gehaltenen Welt“, so der Frankfurter Kunstverein, „ist kaum noch ohne eine Reflexion der damit verbundenen Parameter möglich. Mit den unterschiedlichsten künstlerischen Strategien wie Serialität, Fragmentierung, Skalierung oder Auflösung entstehen nunmehr Abbildungen der Natur- und Dingwelt, die ihren Wirklichkeitsbezug in Frage stellen“.

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Frankfurter Kunstverein: “Bilder vom Künstler” (4) – Manuela Kasemir

2010, Januar 7.

“Bilder vom Künstler” – von den sieben Positionen zum Selbstverständnis des Künstlers und den Rollenbildern der Gesellschaft vom Künstler, die der Frankfurter Kunstverein noch bis zum 17. Januar 2010 zeigt, stellen wir heute fotografische Arbeiten von Manuela Kasemir vor.

Es sind die subtilsten, intimsten, „stillsten“ der in dieser Ausstellung gezeigten Arbeiten, Bilder von berührender Poesie und – im wohlverstandenen Sinne – Schönheit. Sieben digital bearbeitete Fotografien umfasst die Serie mit dem Titel „Urd“. Der Name steht für „das Gewordene“, für die Norne der Vergangenheit aus der altnordischen Edda.

„Eine Esche weiss ich,
heisst Yggdrasil,
Den hohen Baum
netzt weisser Nebel;
Davon kommt der Tau,
der in die Täler fällt.
Immergrün steht er
über Urds Brunnen.

Davon kommen Frauen,
vielwissende,
Drei aus dem See
dort unterm Wipfel.
Urd heisst die eine,
die andre Verdandi:
Sie schnitten Stäbe;
Skuld hieß die dritte.
Sie legten Lose,
das Leben bestimmten sie
Den Geschlechtern der Menschen,
das Schicksal verkündend.“

(aus der Völuspá der Lieder-Edda des Codex Regius, Kopenhagener Königliche Bibliothek)

Zu Urd, weiss die Künstlerin, gehören Verdandi (das Werdende) und Skuld (das Werdensollende), die beiden anderen der drei Nornen; letztere stehen für Gegenwart und Zukunft. Und mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, der eigenen Existenz also, setzt sich Manuela Kasemir mit den ästhetischen Mitteln ihrer Kunst auseinander. Als Medium wählt sie hier die Schwarz/weiss-Fotografie.

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(Aus: Urd, 2008, Digital C-Prints, 33 x 46 cm, Courtesy the artist, Bild: © Manuela Kasemir; Foto: FeuilletonFrankfurt) Weiterlesen

Frankfurter Kunstverein: “Bilder vom Künstler” (3) – Marc Aschenbrenner

2010, Januar 3.

“Bilder vom Künstler” – so lautet die derzeitige, noch bis zum 17. Januar 2010 laufende Ausstellung, mit der der Frankfurter Kunstverein sieben Positionen zu dem Thema Selbstverständnis des Künstlers und Rollenbilder der Gesellschaft zur Diskussion stellt.

Einen spektakulären Beitrag zur Ausstellung bilden zwei Videos von Marc Aschenbrenner. Aschenbrenner, 1971 in Linz geboren, studierte an der dortigen Kunsthochschule Malerei und Multi Media mit dem Schwerpunkt Videokunst. Seine Arbeiten waren unter anderem in Berlin, Bonn, Hamburg, Heidelberg, Innsbruck, Köln, Kopenhagen, London, Luzern, Münster, Posen und Wien zu sehen. Der Künstler lebt und arbeitet in Berlin.

In Aschenbrenners Video „Zweite Sonne“(2005) wälzt sich ein bis auf den Kopf gänzlich in dunkle Folie gehüllter Mensch – ebenso wie die beiden Figuren in dem zweiten Video „Im Abri“ vom Künstler selbst dargestellt – auf einer nassen, rutschigen Folie aus gleichem Material wie der Anzug des Protagonisten bergwärts, um jeweils nach wenigen Metern wieder hinabzurutschen. Nach wiederholten, quälend erfolglosen Versuchen stürzt die Figur in ein dunkles Gewässer, Luftblasen scheinen aufzusteigen …

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Frankfurter Kunstverein: „Bilder vom Künstler“ (2) – Paule Hammer

2009, Dezember 28.

„Bilder vom Künstler“ – so lautet die derzeitige, noch bis zum 17. Januar 2010 laufende Ausstellung, mit der der Frankfurter Kunstverein sieben sehr unterschiedliche Positionen zu dem Thema Selbstverständnis des Künstlers und Rollenbilder der Gesellschaft zur Diskussion stellt. Seinen Grossen Ausstellungssaal in der zweiten Etage widmet er einer raumgreifenden Inszenierung aus Malerei, Sound und Video „Weltenzyklopädie III“ des Leipziger Künstlers Paule Hammer.

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Paule Hammer vor: „Sun Ra Music und das All-Sturm-System“, 2009, Acryl, Tusche und Papier auf Leinwand, 300 x 250 cm, Courtesy the artist und Laden für Nichts Weiterlesen

Frankfurter Kunstverein: „Bilder vom Künstler“ (1) – Andreas Wegner

2009, Dezember 9.

Bilder vom Künstler?  Ja, von wem denn sonst sollen Bilder kommen, etwa vom Nichtkünstler, werden Sie fragen?

Es führt ein wenig aufs Glatteis, was es da zu sehen gibt im Frankfurter Kunstverein, aber schliesslich ist es ja Winter, und kalt und glatt kann es durchaus bald werden. Aber kommen wir zur Sache:

Die Ausstellung im Frankfurter Kunstverein kreist um ein hochinteressantes Thema, nämlich die gesellschaftlichen Rollenvorstellungen vom Künstler: der Künstler als Freigeist oder Sonderling, Genie oder Zweifler, Hofnarr oder Provokateur, Lehrer oder Vermittler, Unterhalter oder Popstar oder gar als seine Geschäftsmodelle betreibender Unternehmer? Wir erkennen: Die Vorstellungen darüber, was ein Künstler ist oder sein soll, spiegeln in vielem den Zustand, die Werte und Ansprüche einer jeweiligen Gesellschaft wider. Der Künstler ist damit auch eine Projektionsfläche, kulturellen Milieus und zeitgeistigen Strömungen unterworfen. Künstler werden mit Erwartungen konfrontiert. Oft genug erfüllen sie sie. Wäre es aber nicht ihre Aufgabe, sie zu enttäuschen? Weiterlesen

Wahlkampfgetöse – im Frankfurter Kunstverein kunstvoll entlarvt

2009, Juli 19.

„Gemeinsam in die Zukunft“

Es nähert sich unaufhaltsam die Zeit, dass wir uns reif fühlen – reif für die Insel, nein, nicht für Sylt, das ist ja Wahlkampfgebiet, also Schlachtfeld für die Parolen der politischen Parteien in der drohend hereinbrechenden Zeit der Bundestags- und Landtagswahlkämpfe. Es müsste schon etwas weiter in die Ferne gehen – wir überlegen, wo wir ein sicheres Plätzchen finden könnten, unerreichbar für Fernseh- und Radiowahlwerbespots, eine Zeitung brauchten wir dort auch nicht unbedingt, wenn man unter den mehreren Übeln das kleinere wählen müsste.

Wäre da nicht die Eröffnungsausstellung des Frankfurter Kunstvereins unter der neuen Direktion von Holger Kube Ventura. Nach einem Rundgang im Steinernen Haus am Frankfurter Römerberg schöpfen wir nicht nur Hoffnung, nein, wir finden Gewissheit, dass wir nicht fliehen müssen: Der Besuch der Ausstellung „Gemeinsam in die Zukunft“ härtet uns ab gegen das bevorstehende Ungemach, den Gang in das Reisebüro brauchen wir nicht anzutreten.

Zum einen sehen wir Arbeiten der REINIGUNGSGESELLSCHAFT, einer Künstlerkooperation „Labor im Denkraum Kunst an der Schnittstelle zu anderen gesellschaftlichen Bereichen“ mit Adresse in Dresden.

„Gemeinsam in die Zukunft“ – die Floskel wurde der Zeit der Vereinigung Deutschlands entliehen – nimmt sich das sogenannte Superwahljahr 2009 vor, das in der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September seinen Höhepunkt erreichen dürfte. Es geht um Rhetorik und Bildsprache der um Sieg und Macht kämpfenden politischen Parteien, um die Hohlheit, die Beliebigkeit und parteiübergreifende Austauschbarkeit, die inhaltliche Leere der einschlägigen Slogans, Gesten, Farben und Symbole, mit denen das Wahlvolk optisch wie akustisch immer wieder traktiert wird. Um die Sicht- und Fühlbarmachung der oft grossen Diskrepanz zwischen den Politparolen einerseits und der Lebenswirklichkeit andererseits.

„Je stärker die politischen Handlungsfelder“, schreibt Holger Kube Ventura, „in allgemeine Werte wie zum Beispiel Sicherheit, Gerechtigkeit oder Freiheit abstrahiert werden, desto austauschbarer sind sie.“ Und weiter: „Da in Wahlkampfzeiten weniger mit Argumenten als mit austauschbaren Parolen Öffentlichkeit hergestellt wird, manifestiert sich in solchen Zeiten deutlicher als sonst eine grundsätzliche Kluft zwischen Staat und Bevölkerung: Den Proklamationen und Richtungsappellen der politischen Stellvertreter stehen die Lebensrealitäten von Einzelnen und Teilgesellschaften gegenüber, die möglicherweise ganz andere Einschätzungen oder Fragen haben. Wie gross die Distanz dazwischen sein kann, manifestiert sich nicht zuletzt in der Wahlbeteiligung.“

Ähnlich die Arbeiten der 1954 in Wien geborenen Malerin Johanna Kandl: Die dargestellten Szenerien eines alltäglichen Gemüse- und Trödel-Marktgeschehens – das für das „grosse“ nationale und globale Marktgeschehen steht – entlarven die mit ihnen in Verbindung gebrachten, aufgemalten Slogans aus Politik und Wirtschaft als Sarkasmus und Zynismus, als Lügen.

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Johanna Kandl, o. T., 2001, 80 x 56,5 cm, Courtesy Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale Weiterlesen