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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Alle Artikel zu Biennale Arte Venedig

56. Biennale Arte Venedig 2015 (2)

2015, September 20.

Zum Empfang schwarzer Trauerflor von Oscar Murillo, muffig riechende Säcke von Ibrahim Mahama:
Die diesjährige 56. Kunstbiennale von Venedig – was ist mit ihr los?

Von Erhard Metz

Eröffnet wurde die Esposizione Internazionale d’Arte di Venezia bereits am 9. Mai 2015, die üblichen Preview-Tage waren deshalb vom 6. bis 8. Mai vorgeschaltet – das Ganze fand einen Monat vor den in der Vergangenheit üblichen Zeiten Anfang Juni statt, warum, ist uns nicht recht plausibel geworden, es soll einen Zusammenhang mit der Eröffnung der Expo 2015 am 1. Mai 2015 in Mailand gegeben haben.

Nun, in der deutschen Tagespresse und im deutschen Kunstzeitschriften-Blätterwald fand die zu den weltweit bekanntesten und bedeutendsten Kunstausstellungen zählende Biennale dieses Jahr nur eine erstaunlich geringe Resonanz, und, sofern es eine solche überhaupt gab, war sie eher zurückhaltend, lustlos bis kritisch. Dies gilt auch für den deutschen Pavillon, auf den wir noch zurückkommen werden.

Nun darf man die Dinge nicht mit den beiden vorangegangenen Biennalen vergleichen, die aus deutscher Sicht unter einem besonderen Vorzeichen standen und eine überaus breite Beachtung in den hiesigen Medien fanden: In den Jahren 2011 und 2013 war diese Aufmerksamkeit zweifellos der Tatsache geschuldet, dass Susanne Gaensheimer, die Direktorin des Frankfurter Museums für Moderne Kunst MMK, die Aufgabe der Kommissarin/Kuratorin des deutschen Pavillons bekleidete und dass sie 2011 mit einer Präsentation der Arbeit des kurz zuvor verstorbenen Christoph Schlingensief auf Anhieb (und für viele nicht unerwartet) den Goldenen Löwen gewann. Da hat es der diesjährige Kommissar/Kurator des deutschen Pavillons, Florian Ebner vom Folkwang Museum Essen, um einiges schwerer.

Was uns dieses Jahr besonders nervte: Die sogenannten Preview-Tage – anderenorts der Fachwelt und den Pressevertretern vorbehalten – sind vollends entwertet: Hinz und Kunz vom Enkel bis zum Ur-Opa zeigten ihre Einlassbescheinigungen vor und machten in diesen Tagen die Ausstellungsstätten zu einem völlig überfüllten, italienisch-temperamentvoll familiären Volksfest – Bella-Italia-Trubel ist ja schön, aber welcher Teufel reitet da die Biennale-Organisation?

Und: Der Zentralpalast – Palazzo dell’Esposizione Internazionale – , der „Padiglione Centrale“ der Biennale also, erschien noch unübersichtlicher und labyrinthischer als je zuvor: Er war von oben bis unten und von links bis rechts vollgestopft mit Arbeiten bis zum „Es-geht-nicht-mehr“ – da half auch der in den Presseunterlagen gereichte Lageplan in Mikroschrift nicht – eine Lupe zusätzlich zur Lesebrille hatte wohl kaum jemand zur Hand.

Düster, ja dunkel empfangen der zentrale Ausstellungspalast in den Giardini und die Arsenale den Besucher:

Der bekannte Schriftzug „la Biennale“ über dem Säulenportal des Palastes ist mit einer Schrift-Skulptur „blues, blood, bruise“ (Depression/Traurigkeit, Blut, Quetschung/Prellung/Verletzung) überbaut, einer Arbeit des US-amerikanischen Künstlers Glenn Ligon (1960 im New Yorker Stadtteil Bronx geboren) „A small Band“ aus dem Jahr 2014. Nicht genug damit: Zwischen und hinter den vier Rundsäulen des Portals hängen 20 schwarze Riesenleinwände wie übermächtige Fahnen schlaff von der Decke herab und konterkarieren subversiv die neoklassizistische Fassade des 1894 errichteten und seitdem mehrfach von renommierten italienischen Architekten umgebauten und erweiterten Gebäudes – ein Werk des 1986 in La Paila geborenen, in London lebenden kolumbianischen Künstlers Oscar Murillo mit dem Titel „signaling devices in now bastard territory“.

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Oscar Murillo, signaling devices in now bastard territory (Ausschnitt), 2015, paintings of oil, oil stick, thread and dirt on canva, Courtesy the Artist and David Zwirner, New York and London; Weiterlesen

56. Biennale Arte Venedig 2015

2015, Januar 17.

Von Erhard Metz

Die 56. Kunst-Biennale in Venedig wird am 9. Mai 2015 eröffnet. Zum Kurator der Welt-Kunstschau, die am 22. November 2015 endet, wurde im Dezember 2013 Okwui Enwezor berufen.

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Okwui Enwezor, Kurator der 56. „Esposizione Internazionale d’Arte“, und Paolo Baratta, Präsident der Biennale di Venezia; Foto: Giorgio Zucchiatti, Courtesy la Biennale di Venezia

Okwui Enwezor, 1963 in der nigerianischen Hafenstadt Calabar geboren, ist ein international agierender Kurator, wohlbekannt auch in Deutschland Weiterlesen

55. Biennale Arte Venedig 2013 (16)

2013, November 17.

Jean-Frédéric Schnyder
„Apocalypso“

Es ist vermutlich die grösste und sicherlich die rätselhafteste bemalte Leinwand dieser Biennale. Ihre Ausmasse betragen 2,75 Meter in der Höhe und 12 Meter in der Breite. Der Künstler fertigte sie in drei Teilen, die heute zusammengenäht sind.

Bereits der Titel der Arbeit verwirrt: „Apocalypso“ ist nicht das italienische Wort (apocalisse) für Apokalypse; vielmehr scheint es sich um ein Kunstwort aus Apokalypse und Calypso zu handeln, jener afro-karibischen Musik also, die uns, verkörpert durch Harry Belafonte, in unserer Jugendzeit begeisterte. Natürlich werden wir in dem monumentalen Werk auch irgendwo der Meernymphe Kalypso aus der griechischen Mythologie begegnen. Und dessen Reichtum an Bildern und Erzählungen wird sicher nicht demjenigem in der Apokalypse des Johannes nachstehen, dem letzten, als „Offenbarung des Johannes“ bekannten Buch des Neuen Testaments.

„Apocalypso“, entstanden in den Jahren 1976 bis 1978, wird als das frühe Hauptwerk des schweizerischen Künstlers Jean-Frédéric Schnyder verstanden; vielleicht ist es dessen Opus magnum schlechthin.

Jean-Frédéric Schnyder, im Mai 1945 in Basel geboren, wächst in Bern auf. Er absolviert von 1962 bis 1965 in Olten eine Fotografenlehre. Ein Jahr später wird der bekennende Autodidakt mit seinen ersten künstlerischen Arbeiten bekannt. Sie stehen der Pop Art und der Concept Art nahe. Harald Szeemann entdeckt ihn und lädt ihn zur Teilnahme an einer Ausstellung in der Kunsthalle Bern ein. Der Aufstieg in die Reihe der grossen europäischen Künstler beginnt. 1972 bringt Szeemann Schnyders Arbeiten auf die documenta 5. Auch 1982, zur documenta 7, ist Schnyder wieder auf der Kasseler Weltkunstschau vertreten. Und 1993 gestaltet er zur Biennale Venedig den Pavillon der Schweiz.

Schnyder kreiert Plastiken aus Ton, Metall und Holz, entwickelt aus den verschiedensten Materialien Objekte, es dürfen durchaus auch Lego-Bausteinchen oder Kaugummi sein. Seit den 1980er Jahren durchquert er die schweizerischen Lande, auf dem Fahrrad, Malkasten und Staffelei auf dem Rücken, oder per Jahresbillet der Eisenbahn. Ein grosser Landschaftszyklus wird, im Januar/Februar 1993, im Frankfurter Portikus ausgestellt. Doch Schnyder, Maler, Grafiker, Objekt- und Installationskünstler, wandernd und mäandernd zwischen Realismus, Symbolismus und Abstraktion, verweigert sich jeder Zuordnung zu einer künstlerischen Stilrichtung. „Disparität und Diskontinuität seines Werkes“ sind ihm „zur Lebensnotwendigkeit geworden“ (Portikus). Und manche sagen ihm nach, er persifliere den herkömmlichen Kunstbetrieb.

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55. Biennale Arte Venedig 2013 (15)

2013, November 15.

„Schöne Tableaus“
Argentinien, Bolivien, Indonesien

Sonia Falcone, „Campo de Color“, 2012, Installation, verschiedene Pigmente und Gewürze

Ja, es riecht, es duftet nach allerlei Fremden in den Arsenale, und zu sehen gibt es dazu auch etwas: zu dem Geruch von Gewürzen aus aller Welt gesellt sich ein farbenprächtiges Spektakel. Die bolivianische Künstlerin Sonia Falcone hat es in der Ausstellungshalle Italo-Lateinamerikas installiert. 300 Schalen aus Ton sind mit kunterbunten Spezereien und Pigmenten gefüllt, zu kleinen spitzen Hügeln aufgeschüttet. Weiterlesen

55. Biennale Arte Venedig 2013 (14)

2013, November 14.

Deutlich: Der Pavillon Spaniens
Drastisch: Der Auftritt Chiles

Den spanischen Pavillon in den Giardini Pubblici bespielt (wie es so schön heisst) Lara Almarcegui mit einer riesigen, das gesamte Gebäude füllenden Installation, besser vielleicht gesagt Intervention. In allen Räumen sehen wir LKW-weise – nein, in Venedig Lastkahn-weise – herangeschafften Bauschutt: Backstein- und Dachziegelbruch, Glastrümmer, Sägemehl, Eisenschlacke, Asche – zu Bergen aufgehäuft, die Menge soll etwa dem Volumen an Material entsprechen, das seinerzeit zur Errichtung des Pavillons Verwendung fand. Eine weitere Arbeit ist auf der Insel Sacca Mattia/Murano zu sehen.

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55. Biennale Arte Venedig 2013 (13)

2013, November 12.

Der ägyptische Pavillon

Auch der Pavillon Ägyptens unter dem Motto „Treasuries of Knowledge“ – Schätze des Wissens – orientiert sich an dem Titel und Leitmotiv der diesjährigen Biennale „Der enzyklopädische Palast“, an dem Wissen der Menschheit also und dem heutigen Umgang damit. Weiterlesen

55. Biennale Arte Venedig 2013 (12)

2013, November 12.

Der venezianische Pavillon

Marialuisa Tadei, Il Castello del Sole (Totale und Details), © Marialuisa Tadei; Fotos: FeuilletonFrankfurt

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55. Biennale Arte Venedig 2013 (11)

2013, November 8.

Der grosse Auftritt Chinas (2)

Von Erhard Metz

War der erste Teil unserer Kurzreportage über den chinesischen Pavillon zur diesjährigen Kunst-Biennale in Venedig bereits von einiger Zurückhaltung gekennzeichnet, so gilt dies auch für den zweiten Abschnitt, der den Künstlern Tong Hongsheng und Wang Qingsong gewidmet ist. Beide treten übrigens, über ihren Beitrag für den offiziellen Pavillon hinaus, auch in einer Gemeinschaftsausstellung „Together“ im Palazzo Bollani im Stadtviertel Dorsoduro auf. Leider hatten wir zeitlich keine Gelegenheit mehr gefunden, sie zu besichtigen.

Tong Hongsheng, 1967 in der Provinz Anhui geboren, studierte Ölmalerei an einer der China Academies of Fine Arts. Der Künstler, ein strenggläubiger Buddhist, lebt und arbeitet in Peking.

Bekannt sind seine sozusagen staatstragenden Historienbilder, seine zum Teil grossformatigen Stillleben sowie kleineren Arbeiten in Öl auf Leinwand in einer adaptierten Tradition westlicher altmeisterlicher Malerei – genannt werden dabei Namen wie etwa Jan Vermeer van Delft. Kennzeichnend sind eine vor allem religiös inspirierte Bilderwelt, sorgfältig-schulmässige bildliche Kompositionen, leuchtende Farben und eine dramatische Lichtführung. Zu den typischen Motiven zählen unter anderem buddhistische Mönche, gekleidet in traditionelle Gewänder. Weiterlesen

55. Biennale Arte Venedig 2013 (10)

2013, November 3.

Der grosse Auftritt Chinas (1)

Von Erhard Metz

Etwa 400 chinesische Künstlerinnen und Künstler traten zur diesjährigen Biennale in Venedig an und zeigen an den verschiedensten Schauplätzen, teils eher im Verborgenen und nur mit einigem Enthusiasmus zu entdecken, ihre Arbeiten. Pompös, bombastisch dabei der „offizielle“ Auftritt Chinas, vertreten durch das Kultusministerium der Volksrepublik, in einer grossen Halle am Rande der historischen Arsenale sowie im angrenzenden Garten mit dem zauberhaften Namen Giardino delle Vergini. Als Biennale-Kommissar treten die China Arts & Entertainment Group CAEG auf, als Kurator Wang Chunchen, im Hauptberuf Chef des kuratorischen Forschungsteams am Museum der Central Academy of Fine Arts in Peking und Co-Kurator am Eli and Edythe Broad Art Museum der Michigan State University.

Doch dominiert über diesem ganzen chinesischen Geschehen in Venedig, gerade im Blick auf die Publikumsresonanz, letztlich nur ein Name, der Name des Chinesen, der nicht persönlich anreisen konnte: Ai Weiwei. Grossartig seine raumgreifende Installation „Bang“ aus 886 antiken chinesischen Hockern, als ein Teil des Beitrags Deutschlands zur Weltkunstschau.

Sieben in China zumeist bekannte Künstler aus den Bereichen Malerei, Installation, Fotografie und Video wählte nun Kurator Wang Chunchen aus. Der Titel des chinesischen Auftritts lautet „Transfiguration – The Presence of Chinese Artistic Methods in Venice“.

Transfiguration – Verwandlung, Offenbarung; in der christlichen Tradition versteht man darunter vor allem die Verklärung Christi. Wang Chunchen wählte den Titel im Blick auf das Motto dieser Biennale „Il Palazzo Enciclopedico“ – der „enzyklopädische Palast“ (in dem, im Sinne der Encyclopédie von Denis Diderot, das gesamte Wissen der [Kunst-]Welt zusammengeführt und aufbereitet wird), als eine Art Brückenschlag zwischen den kulturellen Werten der Vergangenheit und der Gegenwart, denen des Ostens und des Westens, zwischen dem Leben und der Kunst wie auch umgekehrt zwischen der Kunst und dem Leben und vor allem zwischen der analogen und der digitalen (Kunst-)Welt.

Von den sieben Künstlern, die China als offizielle nationale Vertretung ins Rennen nach Venedig schickte, haben wir bereits den vielleicht interessantesten und künstlerisch selbständigsten (dem Vernehmen nach auch mutigsten und systemkritischsten) Aktionisten und Querdenker vorgestellt: He Yunchang.

He Yunchang, The Seawater of Venice, 2013, Performance, Ausstellungsansicht

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55. Biennale Arte Venedig 2013 (9)

2013, Oktober 31.

„TRIPLE POINT“: Sarah Sze bespielt den Pavillon der USA

Von Erhard Metz

Dass im Verhältnis Deutschlands und Europas zu den USA derzeit der Haussegen, wie man so sagt, reichlich schief hängt, wussten wir zur Zeit der Vorschau auf die diesjährige Biennale Ende Mai noch nicht, als wir das „geordnete Chaos“ bewunderten, welches die Installationskünstlerin Sarah Sze am und im US-amerikanischen Pavillon in den venezianischen Giardini angerichtet hat. Nun gut, das eine hat ja mit dem anderen vermutlich auch nichts zu tun. Nehmen wir mal an.

Sarah Sze, Triple Point, presented by The Bronx Museum of the Arts, New York; diverse Installationsansichten

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