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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Suhrkamp-Kultur: ein Fall für die Frankfurter Bürgerstiftung

Ein aufschlussreiches Podium im Holzhausenschlösschen geht auf Spurensuche

Von Uwe Kammann

„Der Mensch lebt durch den Kopf“: In dicken Ausrufezeichen stand diese Brecht-Zeile über 25 gleich großen Porträts von Heroen des Suhrkamp-Verlags, von Max Frisch über Jürgen Habermas, Adorno, James Joyce, Uwe Johnson, Ernst Bloch, Peter Weiss und Walter Benjamin bis hin zu Paul Celan. In wie vielen Studentenzimmern mag dieses Kopf-Poster in den 70er Jahren ganz programmatisch die Wand bestimmt haben? Es war sichtbarster Ausdruck dessen, was damals als „Suhrkamp-Kultur“ firmierte, ein Begriff, den der amerikanische Kulturkritiker George Steiner 1973 geprägt hatte, gemünzt auf das, was unter dem Verlagsnamen vor allem an geisteswissenschaftlicher Theorie versammelt war. Suhrkamp, das war eine Welt für sich, ein eigener Kosmos, deckungsgleich mit dem intellektuellen Universum der Bundesrepublik.

Das private Archiv und die Bibliothek von Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld aus der Klettenbergstraße befindet sich jetzt im Holzhausenschlösschen, Foto: Petra Kammann

Wie sieht das aus heutiger Sicht aus? Eine Fragestellung, der zum Auftakt der Buchmesse die Frankfurter Bürgerstiftung in ihrer Reihe Forum Demokratie nachging, wobei dem Titelauftakt „Suhrkamp-Kultur“ gleich eine gleichsam affirmative Feststellung angefügt war: ‚Wie ein Verlag die deutsche Debatte über Demokratie prägte‘. Zur rückwirkenden Orts- und Methodenbestimmung waren zwei Persönlichkeiten auf das Podium gebeten: die Politikwissenschaftlerin Ulrike Ackermann, welche das Forum Demokratie seit drei Jahren leitet, und der Publizist Jan Bürger, der seit 2000 beim Deutschen Literaturarchiv in Marbach das Siegfried-Unseld-Archiv leitet und damit den Nachlass des Verlegers in wissenschaftlicher Funktion betreut.

Dr. Jan Bürger, Leiter des Siegfried-Unseld-Archivs im Deutschen Literaturarchiv in Marbach, Foto: Petra Kammann

Dass die Frankfurter Bürgerstiftung nun im Podiumsgespräch die gesellschaftlichen und geisteswissenschaftlichen Spuren sichten wollte, hatte auch einen ganz direkten Bezug zu weiteren Aktivitäten. Denn die im Holzhausenschlösschen beheimatete Bürgerstiftung hat nicht nur die mit 11.000 Bänden sehr umfangreiche Arbeitsbibliothek des 2002 verstorbenen Siegfried Unselds erworben, sondern sie hat auch einen Gedächtnisort geschaffen: Im oberen Stockwerk ist der Schreibtisch des Verlegers zu besichtigen, vielleicht sogar zu bestaunen wegen der akribisch zur Linken aufgereihten drei Diktiergeräte – Zeichen für eine fast ungestüme Arbeitsdynamik.

Damit nicht genug: Während der Buchmesse diente das Holzhausenschlösschen (von der FAZ gleich zum Schloss geadelt) als Residenz des heute in Berlin angesiedelten Suhrkamp-Verlags – und damit auch als Präsenz-Erbe des legendären Kritikerempfangs, zu dem Unseld in fester Tradition in seine Villa in der Frankfurter Klettenbergstraße die Creme der literarischen Welt einzuladen pflegte. Als Brücke – allerdings: lediglich als Leihgabe – zwischen damals und heute diente jetzt der großdimensionierte blaue Teppich, der einst den Salon der Villa geziert hatte.

Privater Schreibtisch des Verlegers Siegfried Unseld, Foto: Petra Kammann

Auch per kostbarem Textil also atmete das barocke Herrenhaus Suhrkamp-Geist, nicht zuletzt auch innen und außen visuell, indem es sich mit dem weithin bekannten Regenbogen-Spektrum der Buchreihe edition suhrkamp schmückte. Auch im Innern beschwor es die Frankfurter Aromen des Verlags, der 2009 seinen nach außen eher bescheidenen Sitz mit 50er-Jahre-Charme in der Lindenstraße aufgegeben hatte, um Hauptstadt-Flair anzustreben; dies vornehmlich auch in der Hoffnung auf Metropolen-Schwung; vielleicht auch mit Blick auf Vorkriegsvergangenheit bei S. Fischer und die eigenständige Verlagsgründung in Berlin durch Peter Suhrkamp im Jahr 1950.

Wie auch immer: Bei der Nachzeichnung der Nachkriegsgeschichte des Verlags, und hier erkennbar bei der Übernahme durch Siegfried Unseld nach dem Tod Peter Suhrkamps im Jahr 1959, waren sich Ulrike Ackermann und Jan Bürger in wesentlichen Punkten einig. Im Denken, Schreiben, in der Analyse sei Suhrkamp, so Ackermann, der „zentrale Diskursort“ gewesen, die Kritische Theorie und die Frankfurter Schule hätten sich dort etabliert, die edition suhrkamp habe als „Flaggschiff der Debatten“ gegolten und diese Debatten auch „munitioniert“, die „Strahlen des Zeitgeistes“ hätten sich dort „wie in einem Brennglas“ fokussiert. Wobei auch eine Wechselwirkung zu konstatieren sei: Das Programm habe die Zeitgeistbewegung sowohl gespiegelt als auch vorangetrieben. Grundsätzlich gelte: Das Denken in der Nachfolge von Theodor W. Adorno und Walter Benjamin habe bis in die 90er Jahre großen Einfluss gehabt.

Der Suhrkamp-Kritiker-Empfang fand in diesem Jahr auf dem blauen Teppich im Holzhausenschlösschen statt, Foto: Petra Kammann

Unseld selbst, das hob speziell Jan Bürger hervor, habe die von linken Kategorien beherrschte Ausrichtung des Verlagsprogramms eher hingenommen, sei selbst ein Liberaler gewesen, orientiert an einer transatlantisch geprägten intellektuellen Westbindung. Beide Diskutanten zeichneten hier Unselds Amerika-Kontakte nach, seine Reisen zu den Summerschools in Harvard, im Rahmen der 1950 im Sinne der Re-Education aufgenommenen und von CIA und der Ford Foundation finanzierten Aktion „Kongress für kulturelle Freiheit“, eine noch bis 1965 laufende Form einer antikommunistischen Vernetzung bedeutender Intellektueller (mit Namen wie Arthur Koestler, François Bondy, Manès Sperber, Bertrand Russell). Henry Kissinger, damals noch kein Politiker, habe Suhrkamp sogar ins Weiße Haus eingeführt, ihn in der engeren Beziehung mit dem Prädikat „left-wing-publisher“ bedacht. In diesem Kontext lernte er als Stipendiatin auch Ingeborg Bachmann kennen.

Siegfried Unseld in seinem Büro in Frankfurt in der Lindenstraße, Foto: Petra Kammann

Bürger relativierte allerdings die These einer absoluten Dominanz der Suhrkamp-Bücher in den wichtigen Aufbruch-Jahrzehnten der Nachkriegszeit. Er erinnerte an die „Gelbe Reihe“ des Hanser-Verlags („heute vollkommen vergessen“), an die Rowohlt-Reihe „Das neue Buch“ (von 1972 bis 1986 vereinte sie mit rosafarbenem Titelrahmen viele theoretische Texte), und er erwähnte ebenso das Hauptwerk der Kritischen Theorie, „Dialektrik der Aufklärung“, das in Deutschland zuerst bei S. Fischer erschienen war. Zuzustimmen sei der These, dass die Programmatik des Verlags Auswirkungen im Wissenschaftsmanagement gehabt habe, so bei Berufungen („eine stille Macht“). Allerdings habe es auch durchaus Gegensätze und Animositäten gegeben, so zwischen Niklas Luhmann und Jürgen Habermas. Der sei dabei „viel strategischer“ vorgegangen, „als wir es uns vorstellen können“.

Überhaupt: Zurechtgerückt wurde die Vorstellung, dass Unseld nach strikt patriarcharlisch-autoritären Muster alles bestimmt und gelenkt habe. Dazu steuerten die früheren Lektoren Klaus Reichert und Bernd Schwibs aus dem Plenum charakteristische Punkte bei. Das Verlagsprogramm und damit auch die Suhrkamp-Kultur seien ganz wesentlich durch die Autoren, die Lektoren und die Scouts gestaltet und gestiftet worden, so Schwibs, auch Vertrieb und Verlagsvertreter („die wurden mit am besten bezahlt“) hätten einen großen Anteil gehabt.

Der Essayist, Übersetzer und Lyriker Klaus Reichert beim Betrachten der Fotos von Barbara Klemm in der Galerie-Peter-Sillem, Foto: Petra Kammann

„Unseld“, so Schwibs weiter, „war natürlich eine große Figur, aber die Personen um ihn herum waren entscheidend“ bei der Programmgestaltung. Vor allem Habermas habe eine entscheidende Stimme gehabt, erst recht nachdem Karl-Markus Michel den Verlag verlassen habe – einer aus der Riege der einflussreichsten Namen, zu denen auch früh schon Hans Magnus Enzensberger und dann Walter Boehlich, Karl-Markus Michel, Hans Blumenberg und Karlheinz Braun gehörten. Zum Führungsstil des Verlegers (Ackermann: „Ohne den Geschäftsmann Unseld wären die Bücher nicht erschienen“) steuerte Reichert eine wahrscheinlich charakteristische Anekdote bei. Unseld habe ihn an einem ersten Weihnachtstag angerufen: Jetzt habe er sicher Zeit, da könne er doch kommen, um anliegende Dinge zu besprechen.

Karlheinz Braun, Leiter des Theaterverlags Suhrkamp von 1959 bis 1969, danach Verleger des Verlags der Autoren, Foto: Petra Kammann 

Dass die Lektoren – entzündet durch eine Unterdrückungsaktion des schweizerischen Anteilseigners Andreas Reinhart beim Kursbuch („Das Kursbuch muss verschwinden“) – den Aufstand probten und künftig über eine Lektorenversammlung die Verlagslinien auch im Einzelnen bestimmen wollten (bei dann auch nur einer Stimme für Unseld), scheiterte schließlich an Habermas. In der entscheidenden Sitzung, so erinnert sich Reichert, habe er dekretiert: In einer kapitalistischen Gesellschaft, in der wir eben lebten, müsse der allein haftende Gesellschafter auch das alleinige Entscheidungsrecht haben: „So wurde die Revolution niedergeschlagen von Herrn Habermas.“ Zu den Folgen des Aufstands gehörte, dass eine Reihe von Lektoren Suhrkamp verließen und den Verlag der Autoren gründeten, mit einem völlig anderen – nämlich einem kollektiven – Geschäftsmodell.

Blick in das Treppenhaus im Institut für Sozialforschung mit den Plakaten der Denker der „Frankfurter Schule“, Foto: Petra Kammann

Aufschlussreich waren die Gesprächspassagen zur von Ulrike Ackermann aufgeworfenen Fragestellung, warum die Texte von Renegaten wie Arthur Koestler und anderen Autoren, die sich vom Kommunismus und Marxismus abgewendet hatten, auch von mittel- und osteuropäischen Dissidenten, welche die real existierenden Sozialismusformen der Ostblockländer überwinden wollten, bei Suhrkamp keine Verlagsheimat fanden.

Derartige Positionen seien bei den westlichen Intellektuellen, speziell in Deutschland, weithin auf Ablehnung gestoßen; sie hätten erkennbar weitgehend auf die bestehenden Grenzen gesetzt, sich mit den herkömmlichen Modellen der Entspannungspolitik eingerichtet – bei klarer Präferenz: „Frieden wurde immer über Freiheit gestellt“. Habermas, so zitierte es Jan Bürger sinngemäß, habe auf eine Frage des polnischen Dissidenten Adam Michnik einmal geantwortet, er habe in dieser Hinsicht Angst vor dem Beifall der falschen Seite gehabt. Auch anderswo habe die Furcht geherrscht, als Antikommunist „diffamiert“ zu werden Ohnehin: „Die Dissidenten galten immer als Störenfriede“.

Suhrkamp-Plakat (1973) aus dem Ausstellungskatalog : „Fleckhaus, Design / Revolte / Regenbogen“, hrsg. von Hans-Michael Keotzle, Carsten Wolff, Michael Buhs, Petra Hesse, Scan 

Und heute? Eingangs der Internet-Übertragung des Gesprächs wurde eine kleine zeitliche Pause überbrückt mit einem Ständchen aus Franz Schuberts „Schwanengesang“. Anspielungsreich, prophetisch, realistisch? Nun, Ackermann und Bürger waren sich einig: So etwas wie die das intellektuelle Leben der Bundesrepublik bis Anfang der 90er Jahre dominierende Suhrkamp-Kultur – im Grundzug links-liberal, eher noch klar links und in manchen Strecken auch marxistisch imprägniert –, so etwas gebe es nicht mehr, sei auch angesichts einer pluralen Verlagslandschaft und einer völlig veränderten medialen Welt nicht absehbar oder zu erwarten. „Die Dominanz“, fasste Ackermann ihren Befund zusammen, „ist brüchiger geworden.“

Das Suhrkamp-Podium: Ulrike Ackermann und Jan Bürger im Gespräch, Screenshot

Zu unterschiedlich seien Denksektoren -und Richtungen, am ehesten heute geprägt oder bestimmt durch Feldkategorien wie Post-Kolonialismus, Gender-Theorien und Post-Strukturalismus. Wobei zu konstatieren sei: Judith Butler, vielfach – aber fälschlicherweise – als Hauptprotagonistin der Theorie eines rein sozial konstruierten Geschlechts angesehen, habe schon früh bei Suhrkamp publiziert. Doch die derzeit vorherrschenden Diskurse, ausgetragen nicht zuletzt auf dem neuen „Plattform-Kapitalismus“ (Bürger), seien nicht mit dem einstigen „Hausverlag“ der ehemals links verorteten Intellektuellen verbunden. Zu konstatieren sei in den heutigen Debatten viel ausgeprägter das Ziel, die Gesellschaft zu transformieren. Nach 1989, so Bürger, habe sich „das ganze intellektuelle Leben neu sortiert, wir leben in einer neuen Öffentichkeit“. Und: „Es gibt stark polarisierende Diskurse“. Dass sie auch in linken Antisemitismus ausarteten, mache ihm Sorge.

Thierry Chervel, Mitbegründer und Geschäftsführer der Kulturplattform„Perlentaucher“, steuerte die Beobachtung bei, dass schon Ende der 70er Jahre Bände der edition suhrkamp – zuvor Zeugnisse des dominanten, durch die Studentenbewegung marxistisch geprägten Zeitgeistes – in Grabbelkisten verramscht worden seien. Solche „diskursiven Verdichtungen“ wie damals sehe er nicht, heute gehe es eher um woke und postkoloniale Themenfelder.

Ein wesentlicher Faktor fehlte leider bei der Ergründung der Suhrkamp-Kultur: die Gestaltung der Bücher durch Willy Fleckhaus. Es gehört sicher zu den größten Verdiensten Unselds, dass er sich schon früh von diesem überragenden Grafikdesigner hat überzeugen lassen, dass gegenwärtige Literatur sich nicht in einer gestrigen Gestaltung überzeugend vermitteln lasse. So kam es zu einer engen, wahrlich umfassenden Zusammenarbeit, die das Gesicht des Verlags so markant und unverwechselbar prägte, dass noch heute jeder sofort ein Suhrkamp-Erscheinungsbild vor Augen hat.

Die sogenannte „Regenbogen-Reihe“, gestaltet von Willy Fleckhaus, Foto: Suhrkamp-Verlag

Schon früh fielen die weißen, nur durch eine farbige Banderole individualisierten Bände der Bibliothek Suhrkamp auf (auch als Bibliothek der Moderne konzipiert). Besonders auffällig und ihrer Konzeption einzigartig waren vor allem die schmalen Bände der edition suhrkamp,jeweils mit einer von 48 Spektralfarben individuell gestaltet (bei jeweils gleichem Raster von Linien, die Titel und Autorennamen zugleich trennen und verbinden).

In immer wieder neu beginnender Reihung formt sich ein flächiges, regalübergreifendes Farbbild, das schnell als Regenbogen-Reihe zum Begriff und gleichsam zum Markenartikel wurde – und nicht wenige Käufer (auch unbedingt Leser?) animierte, sich möglichst alle Bände anzuschaffen (inzwischen über 2500). Auch den anderen Reihen – so den suhrkamp taschenbüchern und den suhrkamp taschenbüchern wissenschafgt (stw)oder den unter spectaculum firmierenden Theater-Sammelbänden gab Fleckhaus ein jeweils klares, in sich weitgehend minimalistisches und strenges Erscheinungsbild, das Vielfalt in der Einheit ermöglichte, das bei aller seriellen Klarheit zugleich einladende Sinnlichkeit vermittelte.

Es handelt sich um ein Meisterwerk der visuellen Kommunikation, heute noch so modern und revolutionär wie damals (die edition suhrkamp begann 1963 mit Bertolt Brechts „Leben des Galilei“ in fahlem Violett). Der Grafikdesigner Carsten Wolff, exzellenter Kenner des Werks, hat in einer Ausstellung (2017) die Fleckhaus-Methodik unter dem Titel „Mit Intellekt und Emotion“ eingeordnet. Wobei man immer im Hinterkopf haben muss, dass Fleckhaus, der bei Suhrkamp so stark auf das Wort, die Abstraktion, auf die Typographie setzte, auch ein ebenso großer Meister der Bildgestaltung und eines kongenialen Layouts war. Die Zeitschrift „twen“ etwa ist noch heute legendär, ebenso das FAZ-Magazin in seiner ersten Fassung. Diese sichtbare Seite der Suhrkamp-Kultur – im Holzhausenschlösschen ja über die plakative Regenbogen-Reihe durchaus prominent präsent – hätte zumindest erwähnt werden müssen.

Ein anderer Punkt, bezogen auf die Jetzt-Zeit und die Frage nach heutigen Fortsetzungen und Programmlinien, wäre natürlich interessant gewesen, hätte aber den zeitlichen Rahmen (knapp zweieinhalb Stunden) gesprengt. Aber zu fragen ist schon: Wie wirken sich die vielzähligen Querelen, Zerwürfnisse, Nachfolge-Streitigkeiten, auch die Finanzengpässe, die quälenden juristischen Nachhutgefechte und die persönlichen Verletzungen aus, die zu unzähligen Schlagzeilen führten, welche mit der Programmqualität oft nicht das Geringste zu tun hatten? Ist mit der Übernahme aller Verlagsanteile durch den Unternehmer Dirk Möhrle im vergangenen Herbst der Grund gelegt für eine ruhige Konsolidierung, ist das neue, im Beton-Großformat auftrumpfende Verlagshaus – sinnigerweise nur den berühmten Steinwurf entfernt von der aufmüpfigen Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz  – auf Dauer der Ort, der so produktiv macht wie einst das bescheidene Frankfurter Domizil an der Lindenstraße, das inzwischen längst einer sterilen Wohnarchitektur gewichen ist?

Hausherr Clemens Greve, der Geschäftsführer der Frankfurter Bürgerstiftung, Foto: Petra Kammann

Man darf sicher sein: All’ diese Fragen werden im Holzhausenschlösschen nicht unter den Teppich gekehrt werden (der dafür prädestinierte liegt ja ohnehin wieder in Berlin), und Unselds Schreibtisch sowie die üppige Arbeitsbibliothek des Verlegers werden zu weiteren Podien inspirieren. Und überhaupt, Siegfried Unseld war ja über viele Jahre engagierter Unterstützer der Frankfurter Bürgerstiftung: Auch das prägt, inspiriert zu einer fortdauernden Auseinandersetzung. Wer den Geschäftsführer Clemens Greve kennt, der weiß: An vielfältigen produktiven Ideen im Geist des Regenbogens wird es nicht fehlen. Suhrkamp-Kultur konjugiert sich nicht allein im Imperfekt. Sondern sie lebt, als Vermächtnis. Und als Verpflichtung – ohne dogmatische Verrenkungen.

 

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