Johan Simons inszeniert „Spieler“ nach Fjodor Dostojewskij in Bochum
Leidenschaft und Sucht
Von Simone Hamm
Die große rote Kugel rollt in einer Vertiefung am Rande einer hellen Drehscheibe. Ein paar viereckige Scheiben schweben darüber. Ein schwarzer Tisch. Ab und an ist Video von Menschen am Spieltisch zu sehen, darunter der Intendant des Bochumer Schauspiels Johan Simons, der den „Spieler“ nach Dostojewskij inszeniert hat. An der Seite hängt ein Bild des bärtigen Dostojewskij, der das Geschehen zu beobachten scheint. Dostojewskij war selbst Spieler, in Wiesbaden, Baden Baden und Bad Homburg spielte er Roulette.

Stefan Hunstein, Stacyian Jackson (v. li.) als Spieler, Foto: Armin Sailovic
Johannes Schütz hat wieder einmal eines seiner großartigen Bühnenbilder geschaffen. Alexander Nitzberg hat „Spieler“ übersetzt, Angela Obst hat es bearbeitet. Die hinreißenden Kostüme stammen von Kevin*Pieterse.
Johan Simons lässt das Thema Spielen nicht los. Sein Vater, der auf Pferde wettete und auch sein Bruder sind Spieler gewesen.
Simons hat den kürzesten aller Dostojewskij Roman schon eimal als Theaterstück auf die Bühne gebracht – vor über zwanzig Jahren in Berlin an der Volksbühne.

Victor IJdens und Alexander Wertmann als spielsüchtiger Alexej Iwanowitsch, Foto: Armin Sailovic
In seiner Bochumer Inszenierung wird die Person des spielsüchtigen Alexej Iwanowitsch von zwei Schauspielern dargestellt. Victor IJdens und Alexander Wertmann tragen Masken, die sie aussehen lassen wie Dostojewskij. Das verfremdet ihre Stimmen. Manchmal nuscheln sie. Der eine handelt. Der andere reflektiert dessen Handeln. Der eine ist traurig, der andere vollkommen überdreht. Sie sind die beiden Seiten des wirklichen Dostojewskij: der Schriftsteller und der Spieler. Sie tragen blaue Anzüge, weiße T-Shirts und und manchmal bunte Tücher, einmal rote Boxhandschuhe.
Alexej ist meist unglücklich. Er macht sich gar nichts aus dem Geld, das er gewinnen wird. Er plant seine Einsätze nicht und macht sich lustig über die, die das tun. Verlieren werden sie am Ende alle.
Er ist Hauslehrer bei einem General im Ruhestand (Stefan Hunstein), der fest daran glaubt, dass morgen alles besser werden wird. Alexej ist hoffnungslos in dessen Stieftochter Polina (viel zu schrill: Abenaa Prempeh) verliebt. Sie trägt schwarze oder weiße Kleider. Der General, der in Roulettenburg lebt, sehnt sich nach Blanche (im weißen Hosenanzug: Stacyian Jackson), die aber geht mit jedem, der nur genug Geld in der Tasche hat.

Victor IJdens, Carla Richardsen, Abenaa Prempeh, Stefan Hunstein, Stacyian Jackson, Lukas von der Lühe, Alexander Wertmann, Karin Moog (v. li.) als Großtante, Foto: Foto: Armin Sailovic
Die alte steinreiche Großtante des Generals (Karin Moog) soll todkrank sein und alle warten auf ihren Tod und das Erbe. Da kreuzt sie munter in Roulettenburg auf, rast mit dem Rollstuhl über die Bühne, redet ununterbrochen, verlacht die gierigen Möchtegern-Erben, gewinnt Unsummen, verliert alles. Stirbt.
Freude kommt in dieser schönen Slapstickeinlage nur beim singenden Croupier (Django Gantz) auf abenteuerlich hohen Plateauschuhen auf.
Und übrigens auch nicht beim Publikum.

Lieder des Spielers am Ende, Foto: Armin Sailovic
Seltsam blutleer bleibt dieser Abend. Der leidende Spieler berührt selten. Die anderen schon gar nicht. Simons hat einzelne Szenen von großer Kraft geschaffen, aber einen klaren Erzählstrang gibt es nicht. Stattdessen viel Musik, eine Cellistin (Genevieve O’Driscoll), Ausschnitte aus Bachs Matthäus Passion, viele Songs, die ganz abrupt eingespielt werden. David Bowies „ Heros“ ist zweimal zu hören, einmal singt Alexej, in sich gekehrt am Bühnenrand sitzend. Allein, verzweifelt, untröstlich. Und das hat dann doch etwas Packendes. Für einen ganz kurzen Moment.
