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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„SOLASTALGIE. Spaziergänge durch veränderte Landschaften“ im Museum Giersch

Beeindruckende Landschaftsbilder im historischen und zeitgenössischen Kontext

Von Hans-Bernd Heier

Landschaften sind ständigen Veränderungen unterworfen, die sich in Zeiten des Klimawandels besonders rasant und oft auch zerstörerisch gestalten. Können Landschaften zugleich schön und gefährdet sein? Die Ausstellung „SOLASTALGIE. Spaziergänge durch veränderte Landschaften“ im Museum Giersch der Goethe-Universität stellt diese Ambivalenz in den Mittelpunkt und fragt nach unserem gespaltenen Verhältnis zur Umwelt. Historische Landschaftsgemälde aus der reichhaltigen Sammlung Giersch treffen auf zeitgenössische Positionen, die Verletzlichkeit, Trost und Hoffnung in der Natur reflektieren.

Anton Burger „Felsiger Taunuswinkel im Sommer mit Personenstaffage“, 1862, Öl auf Leinwand, Sammlung GIERSCH, Frankfurt a. M.; © Sammlung GIERSCH, Foto: Uwe Dettmar

„Solastalgie“ ist ein Begriff, der 2005 vom australischen Philosophen Glenn Albrecht  geprägt wurde und das Gefühl der Trauer über eine bedrohte Heimatlandschaft beschreibt – und zugleich die Sehnsucht nach Trost und Verbundenheit. Diese Ambivalenz wird durch die spannungsreiche Gegenüberstellung von historischen Landschaftsgemälden und zeitgenössischen Perspektiven sehr deutlich. „Die Ausstellung zeigt eindrücklich nicht nur die ästhetischen, sondern auch gesellschaftspolitische Dimensionen von Landschaftsbildern. Im Zentrum steht die Frage, wie sich unser Verhältnis zur Natur gewandelt hat. Dafür treten historische und zeitgenössische Positionen in Dialog mit wissenschaftlichen Perspektiven, um zu zeigen, wie vielfältig unser Verhältnis zur Landschaft ist“, erklärt Museumsdirektorin Ina Neddermeyer.

Die Sammlung GIERSCH, gegründet von Senator E.h. Prof. Carlo Giersch und Senatorin E.h. Karin Giersch, legt den Schwerpunkt auf historische Landschafts- und Genremalerei des 18. bis frühen 20. Jahrhunderts sowie auf Tier- und Aktplastiken. Aus dem Wunsch, regionale künstlerische Positionen zu fördern und die bürgerliche Stiftertradition Frankfurts fortzuführen, entstand eine Sammlung, die heute einen bemerkenswerten Blick auf die Kunstgeschichte der Region gewährt.

Mit der aktuellen Schau greift das Museum den ursprünglichen Fokus wieder auf. „Besonders freue ich mich, dass wir mit der Ausstellung zentrale Gemälde der Sammlung GIERSCH präsentieren, die in dieser Fülle noch nie öffentlich zu sehen waren“, so Stephan Rapp, Vorstand der STIFTUNG GIERSCH. Insgesamt sind 55 historische Gemälde zu sehen, überwiegend von Künstlern der Kronberger Malerkolonie, die zu den bedeutenden deutschen Künstlerkolonien des 19. Jahrhunderts zählt; darunter Werke von Wilhelm Trübner, Hans Thoma, Carl Morgenstern, Fritz Wucherer und Anton Burger.

Ausstellungsansicht Solastalgie; Ei Arakawa-Nash; Privatbesitz; © Ei Arakawa-Nash; Foto: Jens Gerber

Gegenübergestellt sind den historischen Landschaftsgemälden „Arbeiten, die aktuelle Fragen der Umwelt und Landschaftsveränderung thematisieren: von urbanen Brachflächen über Umweltverschmutzung bis zur persönlichen Begegnung mit Natur. Sieben zeitgenössische Künstler:innen eröffnen neue Blickwinkel auf das Spannungsfeld zwischen Ästhetik, Wandel und Hoffnung. So wird Solastalgie zu einem sinnlichen Spaziergang durch Zeiten, Medien und Perspektiven – ein Erleben von Landschaft als wandelbar, fragil und verbindend“, sagt Kuratorin Dr. Katrin Kolk.

Beteiligte Künstler:innen und Wissenschaftler:innen sind u. a.: Andrea Acosta, Robert Anton, Ei Arakawa-Nash, Ferdinand Brütt, Anton Burger, Phillipp Franck, Ilana Halperin, Nelson Gray Kinsley, Marcus Maeder, Carl Morgenstern, Jakob Nussbaum, Jörg Oehlmann, Alfred Nathaniel Oppenheim, Daniela Ortiz dos Santos, Anton Radl, Asad Raza, Antje Schlottmann, Sascha Staubach, Wilhelm Trübner, Unknown Fields, Tatiana Vdovenko, Fritz Wucherer

Besonders originell ist die Präsentation von Ei Arakawa-Nash. Der japanische Künstler greift in seinem Werk das Thema Begegnung auf. Dieses nimmt Bezug auf Gustave Courbets Gemälde „Bonjour Monsieur Courbet“ (1854), das ein Treffen von des Künstlers mit seinem Förderer in der Landschaft zeigt. „Durch mobile, hölzerne Rahmen löst Arakawa-Nash Gemälde von der Wand – sie werden zu einem körperlichen Gegenüber. Auch Werke der Sammlung GIERSCH werden auf diese Weise in einen performativen, erfahrbaren Raum gesetzt, in dem die Betrachtenden aktiv mit den Werken interagieren“, erklärt Co-Kurator Dr. Tim Pickartz.

Ausstellungsansicht Solastalgie „Unknown Fields: Rare Earthenware“, 2015; Foto: Jens Gerber

Höchst aktuell sind die Arbeiten des Künstler:innenkollektivs „Unknown Fields Division“ zum Thema Ressourcenabbau. Wie können wir Ressourcen der Natur nutzen, ohne diese auszunutzen. Kann der Abbau von Ressourcen überhaupt nachhaltig sein? Mit dem Projekt „Rare Earthenware“ (2015) dokumentiert das Kollektiv die Gewinnung Seltener Erden in China und deren ökologische Folgen. Es wurden Proben aus radioaktivem Schlamm entnommen, die beim Abbau von Seltener Erden entstanden sind. Daraus formten die Künstler Vasen, deren Materialmenge der Abfallmenge entspricht, die z.B. bei der Produktion eines Smartphones oder eines Laptops entsteht. Diese schlichten Vasen aus radioaktivem Schlamm werden klassischen Keramiken gegenübergestellt.

Die vielseitige Schau, die als Spaziergang konzipiert ist, markiert das 25-jährige Bestehen des Museums Giersch und zugleich dessen 10-jährige Zugehörigkeit zur Universität. Dazu Prof. Dr. Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität Frankfurt am Main: „Das Museum Giersch der Goethe-Universität verbindet auf einzigartige Weise wissenschaftliche Reflexion mit künstlerischen Positionen. Diese Ausstellung ist ein starkes Beispiel für die gesellschaftliche Relevanz geistes- und naturwissenschaftlicher Forschung – und ein wunderbarer Anlass, das 25-jährige Bestehen des Hauses und die 10-jährige Zugehörigkeit zur Universität zu feiern.“

Ein besonderes Highlight: Vom 28. bis 30. November 2025 lädt ein Jubiläumswochenende zu spannenden Einblicken in die Schnittstellen von Kunst, Wissenschaft und Natur ein. Besucher können an Workshops für Familien teilnehmen, Gespräche mit Künstlerin und Forschern führen – der Eintritt ist frei.

Weitere Informationen
zum umfangreichen Begleitprogramm unter:

www.mggu.de

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