Viviane Goergen: „Marie Jaëll, Pièces pour Piano und Dantes Göttliche Komödie“
Zur CD-Einspielung erscheint jetzt das Buch – Präsentation mit Konzert und Ausstellung am 3. August 2025
Von Erhard Metz
Es schließt sich ein Kreis: Im Frühjahr 2022 präsentierte die Pianistin Viviane Goergen in der Frankfurter Goethe-Universität in ausverkauftem Saal erstmals Auszüge aus dem Klavierzyklus „18 Pièces pour piano“ (d’après la lecture de Dante) der 1846 im Elsaß geborenen, zu Lebzeiten europaweit geschätzten, dann jedoch jahrzehntelang in Vergessenheit geratenen Klaviervirtuosin, Komponistin und Musikwissenschaftlerin Marie Jaëll (s.Viviane Goergen spielt aus dem Zyklus „18 Pièces pour piano d’après la lecture de Dante“ von Marie Jaëll). Im Frühjahr 2024 erschien nach einigen technischen Verzögerungen bei Haenssler Classic ihre Kompletteinspielung dieses Meisterwerks. Und wiederum ein Jahr später, 2025 zum 100. Todestag der Komponistin, stellt jetzt Viviane Goergen ihr Buch Marie Jaëll – Pièces pour Piano und Dantes Göttliche Komödie vor.

Es ist ein sehr besonderes Buch, bibliophil vom Heidelberger Verleger-Galeristen Winfried Heid produziert: mit 38 Notenbeispielen aus dem (neu gesetzten) Erstdruck der Komposition von 1894, eingelegter CD-Einspielung der Verfasserin sowie Übersetzungen in Französisch und Englisch, letzteres angesichts der Wiederentdeckung Marie Jaëlls im europäischen und besonders französischen Kulturkreis. Das Werk wurde mit neun Holzstichen von Salvador Dalí aus dessen 100 Werke umfassenden Serie „Die Göttliche Komödie“, einem der Hauptwerke des Künstlers, illustriert.

Pianistin und Buchautorin Viviane Goergen vor den Gemälden ihres Vaters Edmond Goergen
„In ihren 1894 komponierten (18) Pieces pour piano inspiriert sich Marie Jaëll an Dantes Göttlicher Komödie. Sie will jedoch etwas ganz eigenes schaffen. Das ist ihr sehr wichtig. Sie komponiert keine musikalische Eins-zu-eins-Umsetzung von Dantes Text, sondern orientiert sich an wesentlichen und markanten Stellen, die auch musikalisch beeindruckend umsetzbar sind. Ihre Klavierstücke sind sehr ausdrucksstark. Dennoch ist es hochinteressant, einen Blick in die Tiefe zu werfen, um festzustellen, mit welcher Fantasie, Originalität und Subtilität sie sich Dantes komplexem Text der Göttlichen Komödie annähert“ führt Viviane Goergen in ihrer Buchpublikation einleitend aus.
In einem ersten Teil des Buches folgt die Autorin Dantes wie auch Jaëlls grundsätzlicher Dreiteilung mit den entsprechenden Abschnitten ihrer Komposition „Ce qu’on entend dans l’Enfer“ („Was man in der Hölle hört“), „Ce qu’on entend dans le Purgatoire“ („Was man im Fegefeuer hört“) und „Ce qu’on entend dans le Paradis“ („Was man im Paradies hört“), diese wiederum eingeteilt in die jeweils sechs mit beziehungsreichen Titeln versehenen Einzelkompositionen Poursuite, Raillerie, Appel, Dans les flammes, Blasphèmes und Sabbat (Hölle); Pressentiments, Alanguissement, Désirs impuissants, Remords, Maintenant et Jadis und Obsession (Fegefeuer); schließlich Apaisement, Voix celestes, Hymne, Quiétude, Souvenance und Contemplation (Paradis). Dieser erste Teil ist mit den erwähnten 38 Notenbeispielen versehen. Der bestechend klare Notendruck ermöglicht Pianisten, die entsprechenden Passagen selbst auszuführen.

Der zweite Hauptteil des Buches widmet sich ausführlich der „besonderen Kompositionsweise“ von Marie Jaëll und der Frage „Was Marie Jaëll und Dante Alighieri verbindet“. Goergen stellt dabei, bezogen auf das jeweilige historische Umfeld, die besonderen Persönlichkeitsmerkmale der beiden künstlerisch Tätigen einander gegenüber und arbeitet heraus, wie beide kämpferisch und mit großer Kraft schicksalhafte Momente ihres Lebens wie Rückschläge, Niederlagen und existentielle Krisen überwinden. Eine besondere Rolle spielt beider tiefer christlicher Glaube.
Mit großer Einfühlsamkeit und Verständnis erzählt Viviane Goergen, wie es Marie Jaëll gelingt, Dantes Weg von der Hölle über das Fegefeuer ins Paradies in ihrer eigenen musikalischen Welt umzusetzen. Die Autorin ist im Übrigen die erste, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzt und dadurch mit ihrem Buch Neuland betritt.

Ein informativer Anhang nebst einem Literaturverzeichnis und – wie erwähnt – den beiden Übersetzungen sowie der eingelegten CD rundet die markante Publikation ab.
Mit den eingedruckten Notenbeispielen wendet sich das Buch in vorderster Linie an Musikwissenschaftler, Musikinteressierte und natürlich an Pianisten, zugleich aber auch an Literaturfreunde und Dante-Liebhaber.
Mit den Übersetzungen ins Französische und ins Englische wird außerdem der Bedeutung Marie Jaëlls und ihrem Werk in der heutigen Zeit Rechnung getragen. Für die kongenialen Übersetzungen zu diesem speziellen Thema sind Sophie Liwszyc (Französisch) und Michael Swedlund (Englisch) verantwortlich. Als bewährte Übersetzer auch bei anderen Musiklabels gelten die beiden als führend auf diesem Gebiet.
Für alle, die Musik lieben, sich mit ihr näher befassen, mehr über die Komponistin erfahren und lesen wollen, wie genial eines der bedeutendsten Werke der Weltliteratur in musikalischer Form zu Gehör gebracht wurde, ist dieses Buch eine Offenbarung.

Viviane Goergen, Luxemburgisch-Schweizerische Pianistin und Musikcoach, studierte in Luxemburg, Nancy und Paris u.a. bei Lucette Descaves und Thierry de Brunhoff. Ihr Leben als Pianistin zeichnet sich durch eine rege Konzerttätigkeit sowohl als Solistin als auch im Duo aus sowie durch zahlreiche CD-Einspielungen.
Als Musikcoach ist sie nicht nur Leiterin des Zentrums für Musik und Konstruktives Denken, sondern insbesondere auch Förderin von jungen außerordentlich begabten Musikern, was ihr eine Herzensangelegenheit ist. Viviane Goergen lebt in Bad Homburg vor der Höhe. „Marie Jaëll und Dante“ ist ihr erstes Buch auf dem Gebiet der Musik.
Weitere ausführliche Informationen zu Marie Jaëll und zu der Autorin finden sich auch in dem bereits erwähnten Beitrag Viviane Goergen spielt aus dem Zyklus „18 Pièces pour piano d’après la lecture de Dante“ von Marie Jaëll, auf den an dieser Stelle ergänzend verwiesen werden kann.
Marie Jaëll
Pièces pour Piano und Dantes Göttliche Komödie
Mit 38 Notenbeispielen, eingelegter CD
sowie Übersetzungen in Französisch und Englisch
24 x 18 cm, 212 Seiten
Edition Signum Winfried Heid, Heidelberg 2025
ISBN 978-3-9817062-3-9
Zur Buchpräsentation und einem Konzert
mit der Autorin und Pianistin
Viviane Goergen
möchten wir Sie gerne einladen.
Marie Jaëll
»Pièces pour Piano« und Dantes Göttliche Komödie
Sonntag, 3. August 2025, 16.30 Uhr
Gemeindezentrum der Evangelischen Friedenskirche
Heidelberg-Handschuhsheim, Kriegstraße 1 B
Im Saal sind Holzschnitte von Salvador Dalí zu Dantes
Göttlicher Komödie ausgestellt.
Über lhr Kommen freuen wir uns.
GALERIE SIGNUM WINFRIED HEID
Dossenheimer Weg 9 D-69121 Heidelberg Fon +49 6221 451490
E-Mail: lnfo@galerie-signum.de – www.galerie-signum.de
Geöffnet nach Absprache – Ausstellungsdauer bis 10. 8. 2025
Um die 60 Besucherinnen und Besucher erschienen am 3. August 2025 zu Lesung, Konzert und Ausstellung im modern ausgestatteten, lichtdurchfluteten Gemeindesaal der Evangelischen Friedensgemeinde Heidelberg-Handschuhsheim – trotz der konkurrierenden „Versuchung“, bei heiterem Wetter in der benachbarten Tiefburg mit der Ausstellung „Hendsemer Art“ und vielen Kunstständen, Musik-Events und Gastronomie im Freien und natürlich einem Glas Wein „hängenzubleiben“.

↑↓ Ein reich erschienenes Publikum lauschte am Nachmittag des 3. August 2025 Viviane Goergens Lesung und Klavierspiel


↑↓ Viviane Goergen vor und nach dem Spiel

Neben einer Reihe von kürzeren Beispielen führte Viviane Goergen drei Stücke aus den „18 Pièces pour piano“ von Marie Jaëll auf, darunter das virtuose, schier schwindelerregende „Dans les Flammes“, die den rauschenden Beifall des Publikums fanden. Die Galerie Heid präsentierte im Saal 14 drucksignierte Farbxylographien auf Vélin aus dem berühmten Zyklus von Salvador Dalí zu Dantes Göttlicher Komödie. Sie sind noch bis zum 9. August 2025 in der Galerie Signum von Winfried Heid ausgestellt.

Die Autorin und Pianistin mit dem Heidelberger Verleger und Galerist Winfried Heid
Fotos: © Erhard Metz und Paulina Heiligenthal
→ Viviane Goergen spielt aus dem Zyklus „18 Pièces pour piano d’après la lecture de Dante“ von Marie Jaëll
→ Viviane Goergen spielt Werke noch wenig bekannter Komponistinnen
→ Viviane Goergen spielt Werke früher Komponistinnen: Marguerite Roesgen-Champion, Mélanie Bonis, Germaine Tailleferre, Marie Jaëll, Vítezslava Kaprálová, Otilie Suková-Dvořákova
