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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Dunkel und Licht

Die kanadische Tanzkompanie Ballet BC zeigt am Schauspiel Köln auf Einladung von tanz.köln ein Meisterwerk

von Simone Hamm

Eine dunkle Bühne, hinter der sich ein Balken aus fluoreszierendem Licht langsam auf und ab bewegt. Eine Tänzerin mit bloßem Oberkörper in weiten weißen Hosen tritt aus dem Dunkel.  Ihre Bewegungen zu meditativen Klängen sind ausholend, weit, strahlen Ruhe aus. Sie verschwindet in der Dunkelheit. Ein Tänzer in den gleichen weiten, weißen Hosen schreitet herein. Seine Bewegungen sind raumgreifend, seine Sprünge kraftvoll. Aber auch er übereilt nichts. Immer wieder hält er inne. Die Tänzerin kehrt zurück. Sie tanzen nebeneinander, Hals an Hals, oft am Boden, legen ihre Köpfe in ihre Arme. Dann strecken sie die Hände nacheinander aus.

Passing / Silent Tides Ballet Bc · Johan Inger / Medhi Walerski Choreographie: Johan Inger, Foto: Michael Slobodian

So beginnt „Silent Tides“, eine Choreografie des künstlerischen Leiters des Ballet BC aus Vancouver, Mehdi Walerski.„Silent Tides“ ist aus der Pandemie heraus entstanden. Da schien die Zeit bisweilen still zu stehen. Da waren Berührungen vorsichtig. Und Menschen sehr zerbrechlich.

Sarah Pippin und Rae Srivastava zeigen ein hinreißendes Pas de Deux. Bei Adrien Corners elektronischer Musik schauen sie zunächst noch aneinander vorbei.

Erst als Bachs Violinkonzert erklingt, werden sie ein Paar, tanzen anmutig miteinander – sanft und zart und sehr elegant. Langsam, ganz langsam rollt sie mit gestreckten Beinen seinen Rücken hinunter. Er hebt sie ebenso langsam hoch. Als ob die Zeit nicht verginge.

Die Balance aus Individualität und Gemeinsamkeit gelingt.

Sie winkeln ihre Arme und Beine an, drehen Pirouetten. Sie sind Leben und Vergänglichkeit, Vergangenes und Zukünftiges. Und dabei bleiben sie immer zurückhaltend, keine Dramatik, keine überflüssigen Schnörkel, einzig der Zauber des Tanzes, dargeboten von zwei Ausnahmetänzern.

Passing / Silent Tides Ballet Bc · Johan Inger / Medhi Walerski Choreographie: Johan Inger, Foto: Michael Slobodian

Mehdi Walerski hat ein Meisterwerk geschaffen.

Das zweite Stück des Abends ist „Passing“ von Johan Inger. Er wurde durch den Vulkanausbruch auf La Palma dazu inspiriert. Ein Tänzer und eine Tänzerin streuen in großen Linien Asche auf den weißen Boden. Wege, auf denen sie tanzen werden.

Inger zeigt den Zyklus des Lebens, den Schmerz und die Freude. Die 19 Tänzer tragen erdfarbene, bäuerliche Kleidung, braun, beige, blau, rot.

Eine Frau bringt schreiend achtzehn Kinder zur Welt, die sofort davon marschieren. Volksmusik ist zu hören, Schritte, die angelehnt sind an Volkstanz zu sehen. Jemand singt einen schwermütigen Song in einer Sprache, die an Latein erinnert.

Das sind Momentaufnahmen des Lebens, herausragend getanzt, aber nicht wirklich berührend. Die einzelnen Bilder stehen zusammenhanglos nebeneinander. Diese Choreografie trägt die Stunde nicht, die sie dauert. Und das, obwohl „Passing“ stellenweise wirklich witzig ist. Und bisweilen wirklich ansprechend. Vor allem die Schlußsequemz:

Am Ende laufen die Tänzer in Unterwäsche durch Schnee, der leise herab rieselt. Ein schöner Moment.

 

 

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