,Alcina‘ in der Oper Frankfurt: Mit den Augen hören und mit den Ohren sehen
Viel Zauber in einer entzauberten Welt
Eine Einführung von Petra Kammann
Die Arien, sie klingen noch nach, gleich ob die bewegende Klage der sonst so koketten Zauberin Alcina über ihr verhöhntes oder verspottetes Herz „Ah! mio cor, schernito sei“, packend gesungen von Monika Buczkowska-Ward oder das weich-beschwingte „Verdi prati, selve amene“ ihres entschwindenden Geliebten Ruggiero, dargeboten vom Countertenor Elmar Hauser. Die Oper Alcina, ein „Dramma per musica“ in drei Akten von Georg Friedrich Händel, wurde erstmalig an der Frankfurter Oper von herausragenden Sängern uraufgeführt. So vielschichtig wie anspielungssreich hat Regisseur Johannes Erath sie in Szene gesetzt, den ich während einer vorangegangenen Probe auch zum Gespräch traf.
v.l.n.r.: Monika Buczkowska-Ward (Alcina), Katharina Magiera (Bradamante; mit Kissen), Elmar Hauser (Ruggiero; am Boden) und Michael Porter (Oronte), Foto: Monika Ritterhaus / Oper Frankfurt
Inhaltlich ist das Libretto der Welt des Orlando furioso des italienischen Dichters Ludovico Ariosto entnommen. Hier nur zum besseren Verständnis ein paar Anmerkungen zur haarsträubenden Geschichte falscher Liebesschwüre, vergeblicher Leidenschaften, wahnsinniger Eifersuchtsanfälle und Rachegelüste, welche die Szene beherrschen.
Alcina, die Titelgeberin der Oper, oft als Hexe oder als Femme Fatale gegeißelt, weil sie die Männer von ihrem Tugendpotential und ihren Lebensaufgaben abbringt und stattdessen mit Liebesspielen auf ihre Insel lockt. Doch schnell gelangweilt, beraubt sie diese kurz darauf ihrer menschlichen Gestalt, um sie in Tiere, Steine oder Pflanzen zu verwandeln. Auch der Ritter Ruggiero lässt sich von der verführerischen Alcina umgarnen und verfällt ihrem Bann. Alcina wiederum erfährt mit Ruggiero nun erstmalig selbst die wahre Kraft der Liebe. Ihn will sie nicht mehr wie die anderen Verflossenen verwandeln, sondern mit ihm, ihrer Schwester Morgana und deren Liebhaber Oronte in einem Schloss auf der Insel der Seligkeit ein glücklich erfülltes Leben führen.
In seiner Faszination für Alcina vergisst Ruggiero jedoch nicht nur seine eigentlichen Verteidigungpflichten, sondern auch, dass auf dem Festland seine Braut Bradamante seiner harrt. Verzweifelt fahndet sie nach ihm und setzt alle Mittel ein, um ihn wiederzugewinnen. Als Mann verkleidet erschleicht sie das Vertrauen von Alcinas Schwester Morgana, die sich wiederum prompt in Bradamante verliebt und damit die Eifersucht ihres Geliebten Orontes heraufbeschwört. Auch Alcina hat ein kritisches Auge auf den neu angekommenen „Mann“ geworfen, was wiederum Ruggieros Missfallen erregt. Fortan wird er Alcina gegenüber misstrauisch und erinnert sich wieder seiner Bestimmung.
Mit Bradamante will er die Zauberinsel verlassen. Sein Gefühl für Alcina hingegen verwandelt sich zunehmend sich in Liebesverrat und Verachtung. Während die anderen Paare am Ende wieder zusammenfinden, bleibt die zutiefst gekränkte Alcina allein in ihrem Leid und versinkt in ihrer Einsamkeit am Ende samt ihrer Zauberinsel in den Tiefen des Ozeans.
Monika Buczkowska-Ward als Alcina, Foto: Monika Ritterhaus / Oper Frankfurt
Ein kleiner Kommentar zur Aufführung:
Großartig überzeugend in der Inszenierung die Sängerinnen und Sänger wie die Sopranistin in ihrer ganzen Spanne der angesprochenen Emotionen Monika Buczkowska-Ward als Alcina. Ihre Arie „Perché“, welche die wiederholte Frage nach dem Warum stellt, auf die es keine Antwort gibt, gehört zum Aufwühlendsten der Oper.
Ebenbürtig auch der wandlungsfähige Sopran von Shelén Hughes, die geradezu spitzbübisch ihre Schwester Morgana spielt, natürlich überzeugend die fast männliche Stimme der Mezzosopranistin Katharina Magiera als Bradamante. Von großer Zartheit, auch die Stille auskostend, wiederum der Countertenor Elmar Hauser als Ruggiero, ganz sicher der Tenor Michael Porter als Oronte sowie in seinem kurzen Auftritt der überzeugende Bariton Erik van Heyningen als mahnender Erzieher Melisso. Sie alle gaben bei der Premiere ihr Rollendebüt, zu dem man ihnen nur gratulieren kann.
Raffiniert sind nicht nur das vielschichtige Bühnenbild und die phantasievollen Kostüme von Kaspar Klarner wie auch die Lichtregie von Joachim Klein. Und Simone de Felice hat während der Probe als erfahrener Repetitor souverän die Partie des Orchesters auf dem Klavier übernommen.
Es folgt unmittelbar ein Interview mit dem Regisseur Johannes Erath, das während einer Probe ohne Orchester entstand.
Alcina in der Oper Frankfurt
Oper in drei Akten von Georg Friedrich Händel
Weitere Aufführungen:
25. und 28.Juni und 2.,.4. Juli (18 Uhr) und am 6. Juli (15.30 Uhr)
Inszenierung:
Johannes Erath
Bühnenbild und Kostüme:
Kaspar Glarner
Lichtregie:
Joachim Klein
Musikalische Leitung:
Julia Jones
Frankfurter Opern- und Museumsorchester auf historischen Instrumenten