„La Passion de Simone“ von Kaija Saariaho an der Kölner Oper
Passion und abgebrochene Brücken
von Simone Hamm
Die Kölner, die Kultur lieben, haben gelernt zu leiden. Opern und Theaterstücke werden seit dreizehn Jahren an provisorischen Spielstätten aufgeführt, die wichtigsten Galerien sind nach Berlin gezogen. Und: Der Rotschrift regiert. So wurden die Zuschüsse für das renommierte Festival ACHT BRÜCKEN ersatzlos gestrichen. Ein Festival, das der Neuen Musik gewidmet ist. In einer Stadt wie Köln, die wie keine zweite für innovative, elektronische Musik steht.
Szene aus. „La Passion de Simone“, Foto: Matthias Jung
In diesem Jahr fand das Festival ACHT BRÜCKEN zum letzen Mal statt. An der Kölner Oper wurde das Oratorium „La Passion de Simone“ der 2023 verstorbenen finnischen Komponistin Kaija Saariaho aufgeführt. Es ist ein Oratorium für Solosopran, Chor und Orchester in 15 Stationen (uraufgeführt 2006). Wieder hat sie mit dem libanesisch- französischen Autor Amin Maalouf zusammen gearbeitet. Er hatte schon das Libretto zu „L’amour de loin“ geschrieben.
Gewidmet ist „La Passion de Simone“ der französischen Philosophin, Sozialrevolutionärin und Mystikerin Simone Weil. Friederike Blum führt Regie, Lisa Kruse ist für das Bühnenbild verantwortlich. 19 Musiker und Musikerinnen des Gürzenich Orchesters spielen, Christian Karlsen dirigiert, acht Sänger und Sängerinnen sind neben der Solistin zu hören.
15 silberne Büsten von Simone Weil stehen auf der Bühne. Hinterm Orchester sind 15 unbehauene Marmorquader zu sehen: 15 andere Möglichkeiten, ihr Leben zu leben?
Simone Weil wird 1909 in eine wohlhabende jüdische Familie geboren, studiert in Paris, als einzige Frau neben Simone de Beauvoir an der Pariser Eliteuniversität École Normale Supérieure. Sie gibt ihre Anstellung als Lehrerin auf, arbeitet in einer Fabrik am Fließband, doch ihr zarter Körper hält die Strapazen nicht aus. Ihre Zeit als internationale Milizionärin im Spanischen Bürgerkrieg wärt nur kurz. Sie wendet sich zunächst dem Katholizismus, später dem Mystizismus zu. Sie ist verletzt, zutiefst enttäuscht und stirbt mit 34 Jahren in London an Tuberkulose und Auszehrung. Sie wollte nicht mehr essen als die Armen. Sie hat nichts mehr gegessen.
Katja Saariahos Musik begleitet Simone Weil, zeigt 15 Stationen ihres Lebens auf. Diese Musik ist rhythmisch, wenn Simone Weil am Fließband arbeitet, eine fast sehnsüchtige Klarinettenmelodie erklingt, wenn Weil von einer anderen Welt träumt. Große Klangflächen, die sich langsam verändern. Dunkle Akkorde. Bisweilen minimalistische Musik in ihren Wiederholungen.
Die Sopranistin Lavinia Dames spielt und singt die Rolle „einer Frau“, die sich Simone Weil annähert. Sie ist bravourös. Sie verkörpert mit ihrer meist zarten, dann aber auch ausbrechenden Stimme die Visionen, die Träume der Simone Weil perfekt.
Fragen jedoch stellen sich bei der Inszenierung. Zuschauer, die zuvor kurz eingewiesen wurden, gehen langsam über die Bühne und betrachten die Büsten wie Museumsbesucher. Ein letztes Abendmahl ist zu sehen, die Jünger Simone Weils tragen rote Umhänge. Simone Weil als Christus. Und das ist dann doch zu viel de Guten.
Eine wirkliche Handlung gibt es nicht. Texte Simone Weils, Sätze und einzelne Worte werden auf Pappen und Papieren gezeigt, eine unnötige Verdoppelung.
Man fragt sich, warum eine Passionsgeschichte nicht einfach eine Passionsgeschichte sein kann, sondern als halbszenische Oper inszeniert wird.