Museum Wiesbaden zeigt Einzelschau des Künstlers und Sammlers Sven Drühl
Faszinierende Landschaftskunst: Vom 19. Jahrhundert bis in die Jetztzeit
Von Hans-Bernd Heier
Im Jubiläumsjahr präsentiert das Museum Wiesbaden Werke des Berliner Künstlers Sven Drühl, der seit über zwanzig Jahren im Kontext konzeptueller Landschaftskunst arbeitet. Die große Ausstellung „Faszination 19. Jahrhundert, Sven Drühl: Künstler—Sammler—Theoretiker“ zeigt rund 35 zum Teil sehr großformatige Werke des Künstlers in Petersburger Hängung. Ergänzt werden die Arbeiten durch eine Auswahl von 35 Gemälden ikonischer Landschaftsmaler des 19. Jahrhunderts: von Eugen Bracht über Janus La Cour bis Carl Spitzweg aus Drühls eigener reichhaltiger Kollektion.
Ausstellungsansicht; Foto: Museum Wiesbaden / Christoph Boeckheler
Sven Drühl (* 1968 Nassau/Lahn; lebt und arbeitet in Berlin) studierte Kunst und Mathematik in den 1990er Jahren in der Hochphase der Postmoderne-Debatte im Kunstkontext. „Seine künstlerische Basis liegt genau dort, allerdings hört die Entwicklung nicht mit der Postmoderne auf, sondern spätestens seit den 2000er Jahren spricht man von der Metamoderne“, erläutert Kurator Dr. Peter Forster. Drühl selbst sieht im Rückgriff auf die künstlerischen Errungenschaften der Moderne und Postmoderne, die Möglichkeit eine neue metamoderne Bildsprache zu entwickeln: „Ich glaube, dass Innovation meistens entsteht, wenn man die Tradition bzw. das Bestehende neu durchdenkt und versucht, die Einzelteile neuartig zu kombinieren oder einfach mal DIY-mäßig alles gut durchzuschütteln. Ein Schritt zurück und zwei nach vorne“.
Die Themenfelder, die der vielseitige Künstler mit seinen Werken immer wieder umkreist, sind beispielsweise kultureller und medialer Transfer, Original, Autorschaft, Zitat, Remix, Serialität, aber auch Beeinträchtigung der Natur und Veränderung des Konzepts von Landschaft.
Mit den Werken aus der Silikon-Serie bezieht Drühl sich seit über 20 Jahren auf Kunstwerke von anderen Künstlern. „Es handelt sich um Bilder über Bilder, um Abstraktionen zweiter Ordnung. In einer speziellen Technik aus Ölfarbe und Silikon-Lineaturen malt der Künstler Landschaftsmotive, die alle Vorlagen, egal ob aus der Romantik oder aus dem Kontext der zeitgenössischen Kunst, in Drühls wiedererkennbaren Stil setzen. Mit seinem künstlerischen Ansatz verfolgt der Künstler eine Neubewertung und Neuverortung im Sinne eines Remix“, erklärt Direktor Dr. Andreas Henning.
Ausstellungsansicht; Foto: Museum Wiesbaden / Christoph Boeckheler
Den zweiten Schwerpunkt der Ausstellung bilden die „Werke der Lackserie, die so etwas wie eine Inversion des konzeptuellen Ansatzes der Remix-Gemälde darstellt. Mit den Lackbildern kehrt Drühl den Blick um. Er bezieht sich nicht mehr auf kunsthistorische Vorlagen, die ihrerseits auf Naturanschauung basieren“, so Forster. „Stattdessen verwendet der Künstler nun virtuelle Vorlagen, die er aus den Textur-Hintergründen gerechneter Welten extrahiert, wie sie in der Gaming-Industrie Verwendung finden. Es entstehen Landschaftsgemälde, die sich meistens nicht mehr auf eine reale Landschaft beziehen, sondern aus Versatzstücken bestehen, die per Mouseclick generiert wurden“. Allen Serien von Drühl ist gemeinsam, dass das narrative Element ausgespart bleibt. Die Landschaften wirken unterkühlt. Menschen sind in den Gemälden nicht zu sehen.
Ausstellungsansicht; Foto: Hans-Bernd Heier
Im Museum Wiesbaden wird Drühl nun erstmals auch als Sammler gezeigt. Drühls eigene Arbeiten werden ergänzt durch eine Auswahl von 35 Landschaftsgemälden, die der Künstler mit speziellem Blick zusammengestellt hat und die ebenfalls in Salon-Hängung zu sehen sind. In dieser gegenüberstellenden Präsentation von Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts mit zeitgenössischen Werken des Künstlers schlägt das Museum Wiesbaden im 200. Jubiläumsjahr den Bogen zurück in die Epoche seiner Gründung.
Die Schau „Faszination 19. Jahrhundert“ würdigt auch Sven Drühls theoretische Arbeit. Der Künstler hat nicht nur in Kunstwissenschaften promoviert, sondern sich auch als Gastherausgeber von insgesamt 13 Bänden „Kunstforum International“ und Autor zahlreicher kunstwissenschaftlicher Artikel zusätzlich einen Namen gemacht.
Der Katalog
Zur Ausstellung ist der gleichnamige Katalog (herausgegeben von Karl Bühlmann, Hans Erni Stiftung, Peter Forster, Museum Wiesbaden, Heinz Stahlhut, Hans Erni Museum Luzern) bei Hatje Cantz erschienen, 216 Seiten, 29,90 € an der Museumskasse; eine kostenfreie Media-Tour in der MuWi-App begleitet die Schau.
Die Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit dem Hans Erni Museum, Luzern entstanden ist, wird noch bis zum 28. September 2025 in Wiesbaden gezeigt, danach in der König Galerie Berlin.
Weitere Informationen unter:
www.museum-wiesbaden.de