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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Sanierung der Paulskirche: Braucht die Paulskirche ein Haus der Demokratie?

Bürgerverein Demokratieort Paulskirche stellt inhaltliches Konzept vor

von Petra Kammann

Bleibt die Frage: wenn wir ein solches Haus brauchen, welches sind dann die notwendigen Voraussetzungen? Welche Grundbedingungen soll es erfüllen? Um darüber öffentlich nachzudenken, hatte der Bürgerverein Demokratieort Paulskirche  e. V. die Presse eingeladen, um seine letzten Überlegungen zum Thema zu präsentieren. Das ergänzende Haus der Demokratie solle gemeinsam mit der würdigen Paulskirche eine nationale und internationale Strahlkraft entfalten, aber auch deutlich machen, dass das Ensemble heute ein integrierter, lebendiger Ort demokratischen Austauschs ist.

Die markante Form der Paulskirche – hier als Modell in der DAM-Ausstellung „Ein Denkmal unter Druck“ 2021 –  soll als erinnerungswürdiger Ort bestehen bleiben, Foto: Petra Kammann

Im Rahmen des Jubiläums  anlässlich des 175. Jahrestages des Paulskirchenparlaments hat wohl auch das Publikum Gefallen an der Diskussion und am Mitmachen gefunden. Als die Stadt Besucher beim Tag der offenen Tür im Römer zum Mitmachen aufgefordert hatte, waren 15.000 Besucherinnen und Besucher dieser Einladung gefolgt. So waren den ganzen Tag über nicht nur die verschiedenen Führungen durch das Rathaus, sondern auch durch die Paulskirche besonders begehrt.

Demokratiebaustelle: für ähnliche Experimente wäre ein nahegeleger Ort sicher sinnvoller als der im unteren Umlauf der Paulskirche, Foto: Stefan Maurer, Stadt Frankfurt

Und auf der großen „Demokratie-Baustelle“ bauten in der Paulskirche nicht nur kleine und große Gäste mit 10.000 Spiel-Hölzchen Brücken, Straßen und Gebäude.Zahlreiche Interessierte informierten sich über die geplante Sanierung der Paulskirche und das Haus der Demokratie, das unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger entstehen soll. Schließlich werden in Zukunft die Frankfurterinnen und Frankfurter ein unverzichtbarer Baustein des politischen Prozesses sein und ihre Stadt mitgestalten wollen.

Zukunftsfähig sei die Einheit in Frieden und Freiheit nur, wenn jede Generation sich den Aufgaben, die ihre Zeit an die freiheitliche Demokratie richtet, tatkräftig stellt, so der Tenor bei der Pressekonferenz, da heute stärker als in den Jahren zuvor etwa  die neuartigen Bedrohungen unserer Sicherheit gegeben sei: eine durch Internet und Social Media fragmentierte Öffentlichkeit habe die Vielfalt unserer Gesellschaft und ihrer Prägungen, den Wunsch nach autoritärer Führung und vermeintlich einfachen Lösungen zunehmend verstärkt.

Daher solle in einem der Paulskirche dienenden Haus der Demokratie das Verständnis für die freiheitliche Demokratie durch historische und politische Bildung im Geist der Paulskirche gestärkt werden, „um die Demokratie für die Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft wetterfest zu machen“. Die dafür benötigten praktisch nutzbaren Räume könnten nicht in der Paulskirche selbst untergebracht werden, sie bräuchten ein zusätzliches Haus.

Veranstaltungs- und Vermittlungsformate der historisch-politischen Bildung und gesellschaftlichen Partizipation seien ebenso wenig wie die Präsentation der Wirkungsgeschichte der Nationalversammlung mit ihren europäischen, globalen und aktuellen politischen und verfassungsrechtlichen Bezügen verzichtbar.

Was in diesem Haus der Demokratie geschehen solle, dürfe jedoch nie den Blick auf die Paulskirche, die im Zentrum aller Überlegungen stehe, selbst verlieren: Wie das im Einzelnen umgesetzt werden könne, werde Gegenstand von Wettbewerben sein und sei von Architekten, Historikern, Politkwissenschaftlern und Experten der historisch-politischen Bildung vorzubereiten. Wichtig sei es, breite Bevölkerungsschichten aus dem Inland und Ausland damit anzusprechen und zu erreichen. Denn Demokratie gehe uns alle an.

Die Vorsitzende des Bürgervereins Demokratieort Paulskirche e.V. Bettina M. Wiesmann, Foto: Petra Kammann

Die Vorsitzende des Bürgervereins Wiesmann legte ein sowohl praktisch finanzierbares als auch diskussionswürdiges 12-Punkte-Programm vor, das in alle Gestaltungsüberlegungen mit einbezogen werden sollte. FeuilletonFrankfurt hat es als übersichtliche Diskussionsgrundlage übernommen.

 

Die Paulskirche, herausragender Gedenkort der deutschen Demokratie, kann ihren Bildungsauftrag zur Vermittlung von Demokratiegeschichte und -werten allein nicht erfüllen; ein ergänzendes Haus der Demokratie ist notwendig, um historische Erfahrungen, Geist und Botschaft der Paulskirche lebendig zu vermitteln.

Das Haus der Demokratie soll die Paulskirche nicht überstrahlen, sondern in dienender Funktion ihre Symbolkraft stärken: für die Nationalversammlung von 1848/49 als erstes gesamtdeutsches Parlament, für den Neubeginn der Demokratie 1948/49 und für die 1990 errungene Einheit in Frieden und Freiheit in einem vereinten Europa als bleibenden Auftrag an die nachfolgenden Generationen.

Die liberale Demokratie steht weltweit und in Deutschland unter Druck; das neue Haus soll als Reaktion darauf das Bewusstsein für demokratische Werte und deren Gefährdungen schärfen sowie zu qualifizierter Mitwirkung befähigen und begeistern.

Das Haus der Demokratie soll ein Ort für Ausstellungen, Workshops, Veranstaltungen und politische Bildung werden, der alle Altersgruppen und gesellschaftlichen Gruppen anspricht, insbesondere junge Menschen und Zugewanderte.

Die Dauerausstellung thematisiert die Revolution von 1848/49, die Entwicklung der Grundrechte, die parlamentarische Demokratie und die Wirkungsgeschichte der Paulskirche bis zur Gegenwart, ergänzt durch Wechselausstellungen zu aktuellen und historischen Themen.

In einer „Werkstatt Demokratie“ werden Kompetenzen für gesellschaftliche Teilhabe, demokratische Verfahren, Debattenkultur und Selbstorganisation praktisch vermittelt.

Das Haus dient als Forum für Diskussion und Reflexion demokratischer Kernfragen und aktueller Entwicklungen sowie für internationale Demokratiekonferenzen – mit Beteiligungsmöglichkeiten für Bürger, Vereine, Bildungseinrichtungen und NGOs.

Die besondere Aura der Paulskirche mit ihrer schlichten Ausstattung und der Leere und Stille des Plenarsaals bleibt erhalten und die Nutzung des Plenarsaals mit parlamentarischer Bestuhlung, Flaggen und Orgel herausragenden Anlässen mit Demokratiebezug vorbehalten.

Forschung zur Geschichte und aktuellen Herausforderungen der Demokratie wird durch Vernetzung, Publikationen und Vermittlung neuer Erkenntnisse unterstützt, ohne eigene Forschungskapazitäten aufzubauen.

Das Haus arbeitet analog wie digital: über Präsenzveranstaltungen, Streaming, eine Website, Social Media-Angebote und mit Hilfe virtueller Führungen.

Die Trägerschaft soll bürgerschaftlich organisiert sein, mit der Möglichkeit für Bürger, sich finanziell und ideell zu beteiligen; das Haus bietet Materialien und Formate für Schulen und Kooperationen mit Bildungs- und Kultureinrichtungen.

Ziel ist es, die Paulskirche und das Haus der Demokratie als integrierten, lebendigen Ort nationaler und internationaler Strahlkraft zu etablieren, an dem Demokratie als Herrschafts-, Gesellschafts- und Lebensform erfahrbar und zunkunftsfähig gemacht wird.

 

Weitere Infos: 

Frankfurt feiert das Fest der Demokratie um die Paulskirche

Paulskirche Plus? Einspruch, werte Kommission – so nicht!

Frankfurt feiert mit Paulskirchenfest 175 Jahre Demokratiegeschichte

Gedenkstunde in der Paulskirche ein Jahr nach Kriegsbeginn  

Zukunft der Paulskirche: Pro Weiterbauen des Bestands

Die Zukunft der Paulskirche: viele offene Perspektiven

Die Paulskirche und ein Wolkenkuckucksheim

Die Paulskirche – Ein Denkmal unter Druck“ im Deutschen Architektur Museum in Frankfurt

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