Julia Jentsch zu Besuch im Deutschen Filminstitut & Filmmuseum (DFF)
Carte Blanche der herausragenden Filmschauspielerin
Von Renate Feyerbacher
Regelmäßig werden einen Monat lang Persönlichkeiten des deutschen Films mit einer Carte Blanche geehrt. Das heißt: die eingeladenen Gäste haben ihre Lieblingsfilme benannt, die im Kino des DFF gezeigt werden. In diesem Monat stellt Julia Jentsch ihre Carte Blanche vor.
Das DFF wirbt mit Julia Jentsch, Foto: Renate Feyerbacher
Der neue Film Was Marielle weiss von Frédéric Hambalek, 1986 in Karlsruhe geboren, der auf der diesjährigen Berlinale im Wettbewerb lief, als Bestes Drehbuch nominiert war und große Beachtung fand, eröffnete die Monatsauswahl der Schauspielerin, die darin die Mutter von Marielle darstellt.
Ein eindrücklicher Beleg der Reihe „Was tut sich im deutschen Film“, den das DFF und die Zeitschrift epd Film seit 20 Jahren einmal im Monat veranstalten. Herausragende deutschsprachige Kinowerke mit anschließendem Werkstattgespräch werden da gezeigt.
Zuvor hatten die Freunde des DFF die Gelegenheit, Julia Jentsch bei einem kleinen Empfang näher kennenzulernen. Begrüßt wurde sie von der Vorsitzenden Alexandra Nagel und vorgestellt von Moderator Urs Spörri.
Urs Spörri, Julia Jentsch, Alexandra Nagel, Foto: Renate Feyerbacher
Die in West-Berlin geborene Julia Jentsch freut sich über das Interesse und beantwortet locker die eine oder andere Frage. Eine sympathische Ausstrahlung, keine Spur von Star-Gehabe.
Mit 17 stand sie zum ersten Mal auf der Bühne. 1997 begann sie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst-Busch in Berlin ihr Studium. Ihr erstes Theaterengagement hatte sie an den Münchner Kammerspielen. Das Thalia Theater in Hamburg und das Schauspielhaus Zürich waren weitere Stationen. Sie arbeitete unter anderem mit den namhaften Theater-Regisseuren Peter Zadek, Thomas Ostermeier und Luk Perceval.
Zum Theaterspielen kommt sie schon lange nicht mehr. Der Film nimmt sie völlig in Beschlag. Für Sophie Scholl – Die letzten Tage (2005) wurde sie bei der Berlinale als Beste Schauspielerin mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet und auch der Europäische Filmpreis wurde ihr zuteil. Es folgten weitere Auszeichnungen.
Urs Spörri nennt Jentsch die wandlungsfähigste Schauspielerin.
Der Film Die Habenichtse (2026), so sagt sie, stehe ihr bis heute besonders nahe. Er zeigt, wie sich das Leben zweier junger Menschen nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 verändert. Er basiert auf dem gleichnamigen Roman von Katharina Hacker, die 2006 den Deutschen Buchpreis erhielt. Hacker, in Frankfurt geboren und zur Schule gegangen, war 2005 außerdem Stadtschreiberin von Bergen-Enkheim.
8 Jahre lang hat Regisseur und Kameramann Florian Hoffmeister an dem Schwarz-Weiss Film gearbeitet. Er begrüßte Julia Jentsch im DFF mit einer Videobotschaft.
Ausgesucht hat Julia Jentsch Effie Briest (2009), bei dem Hermine Huntgeburth Regie führte. Am Donnerstag, den 29.5 um 20.30 Uhr wird er im DFF gezeigt.
Mehrfach wurde Theodor Fontanes (1819-1898) Gesellschaftsroman von 1895 verfilmt. Der Autor erzählt von ‚Effie‘, die auf Drängen der Eltern mit 17 Jahren den 21 Jahre älteren Baron von Innstetten heiratet und mit ihm aufs Land zieht.
Einsamkeit, Langeweile und Angst bestimmen ihr Leben. Regisseurin Huntgeburth hat das Ende des Romans, der von Ehebruch, Trennung, Rückkehr ins Elternhaus, wo Effie krank mit 30 Jahren stirbt, im Film verändert: Effi Briest wird Bibliothekarin und stirbt nicht an gebrochenem Herzen. Jentsch spielt eine zufriedene, selbstbewusste, zielstrebige Frau.
Sie habe sich die Effie-Briest Filme zum Beispiel den von Gustaf Gründgens (1939) mit Marianne Hoppe und den von Rainer Werner Fassbinder (1974) mit Hanna Schygulla vor dem Dreh nicht angesehen, sagt sie im Gespräch mit Urs Spörri und Sabine Horst, leitende Redakteurin der Zeitschrift epd Film.
Für die Carte Blanche hat die Schauspielerin, die eine große Verehrerin der englischen Schriftstellerin Daphne du Maurier (1907-1989) ist, Rebecca (1940) ausgesucht, deren Roman Alfred Hitchcok (1899- 1980) meisterhaft verfilmte. Er läuft am Freitag, den 16.5. um 17.30 Uhr.
Von der österreichischen Regisseurin und Drehbuchautorin Johanna Moder ist sie begeistert. Sie gab Julia Jentsch die Rolle der Helene in Waren einmal Revoluzzer (2019), der am 20.5. um 20.30 Uhr präsentiert wird.
Fasziniert vom „Gedanken der femme vampire“ ließ sie den Horrorfilm The Hunger – Begierde (1983) mit Catherine Deneuve und David Bowie des englischen Filmemachers Tony Scott (1944-2012) in die Carte Blanche am 22.5 um 18 Uhr und 25.5 um 20.30 Uhr aufnehmen.
Der Action-Film Tiger & Dragon – Wo Hu Chang Long des Taiwanesen Ang Lee steht am 23.5. um 18 Uhr und 28.5. um20.30 Uhr im Programm. „Die Stunts und Kämpfe hatten eine regelrecht körperliche Wirkung auf mich“, so Julia Jentsch.
Julia Jensch in:“Was Marielle weiss“, Foto: Renate Feyerbacher
Nach einer Ohrfeige durch eine Mitschülerin entwickelt die 12-jährige Marielle, telepathische Fähigkeiten, die sie in das Privatleben ihrer Eltern einweihen. Sie erfährt beunruhigende Wahrheiten über die Beziehung ihrer Mutter zu einem Kollegen und das mangelnde Selbstvertrauen ihres Vaters, was ihr idealisiertes Bild von ihnen erschüttert.
Die von Marielle getriebenen Eltern kommen auf die Idee, dass durch eine erneute Ohrfeige die telepathischen Fähigkeiten der Tochter wieder verschwinden. Der Vater soll es tun, schafft es aber nicht. Die Mutter alias Julia Jentsch schlägt mit Erfolg zu.
Der Film balanciert zwischen Humor und Ernsthaftigkeit. Das angespannte Verhältnis von Mutter und Tochter wird offenbar. Julia Jentsch, selbst Mutter einer Tochter, hat in einem FAZ- Gespräch mit Bettina Aust am 14.3.2019 gesagt: „Vielleicht versteht man die eigene Mutter erst, wenn man selbst Mutter ist.“
Marielle wird großartig dargestellt von der 14jährigen Laeni Geiseler, die schon als Kind auf der Bühne stand.
Was Marielle weiss, Frédéric Hambaleks Familien-Auseinandersetzung, wird am 17. Und 20.5. im Frankfurter Arthouse-Kino Cinéma am Roßmarkt und im Citydome Darmstadt am Montag, den 19.5. gezeigt.