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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Nach über 150 Jahren – Aufführung von Händels Oratorium „Alexander’s Feast“ mit dem Cäcilienchor und seinem neuen Leiter Christian Rohrbach

Die „Power of Musick“ als Quell göttlicher Harmonie

Von Petra Kammann

Die siebenstrophige Dichtung „Alexander’s Feast“ von John Dryden aus dem Jahr 1692 wurde durch Georg Friedrich Händel vertont und 1736 im Londoner Covent Garden Theatre vor 1300 Zuhörern in englischer Sprache uraufgeführt. Darin wird eine Geschichte aus dem Leben Alexander des Großen erzählt. Der traditionsreiche Frankfurter Cäcilienchor führte „Das Alexanderfest“ zuletzt in den Anfangsjahren seiner über 200 Jahre alten Historie auf. In dem ebenso dramatischen wie farbenreichen und die Zuhörer emotional bewegenden Werk Händels werden zarteste Liebe, tiefes Mitleid, Rache und überirdische Freude heraufbeschworen. Ein gelungener Auftakt des Cäcilienchors und der Neuen Hofcapelle Frankfurt unter dem neuen Leiter Christian Rohrbach mit so exzellenten Solisten wie Julia Kirchner, Sopran, Zachry Wilder, Tenor und Uwe Schenker-Primus, Bass.

Viel Applaus gab es für den Cäcilienchor, den neuen Leiter Christian Rohrbach und die Neue Hofkapelle Frankfurt, Foto: Petra Kammann

Was steckt hinter „Alexander’s Feast“, dem Alexanderfest? In der Schule mussten wir uns im Geschichtsunterricht vor allem Zahlen merken wie: „333, bei Issos Keilerei“. Die Jahreszahl blieb im Gedächtnis hängen, kaum eine-r von uns konnte sich daran erinnern, worum es bei dieser Keilerei eigentlich ging, dass nämlich das makedonische Heer unter Alexander dem Großen (356-323 v. Chr.) über das Heer des persischen Großkönigs Dareios III. gesiegt hatte und das wiederum mit einem unglaublichen Gemetzel verbunden war. Ziel des damals aufstrebenden Herrschers Alexander war es nämlich gewesen, ein Weltreich von Gibraltar bis zum östlichen Ende der damaligen Welt zu schaffen. Die mit seiner Herrschersucht verbundenen Emotionen bilden die Grundlage der vielgestaltigen, aber selten aufgeführten Händel’schen Komposition „Alexander’s Feast or the Power of Musick“.

Anlässlich der Eroberung Persiens durch Alexander den Großen spielt das Oratorium während des Festes. Da dessen Stärke und seine damit verbundene jupiterähnliche Herrlichkeit zunächst bejubelt wird, nutzt der Musiker Timotheus seine Kunst, die Emotionen des mächtigen Kriegers zu kontrollieren und in Frage zu stellen. Alexander hatte die Stadt Persepolis niedergebrannt, um den Mord an den Griechen zu rächen und ein Blutbad anzurichten.

Die Harfenistin Henriette Urban unter dem Porträt Händels von Passavant-Schüler Leopold Bode (1831-1906), Foto: Petra Kammann

Für das“Alexander Fest“ hatte Händel sowohl ein Orgel- als auch ein Harfenkonzert komponiert: das zweifellos den meisten bekanntere eingängige Concerto per la Harpa HWV 294, mit einem Andante allegro, einem Larghetto und einem Allegro moderato, das in das zweiteilige Oratorium eingewoben wurde. Es sollte das gewinnende Harfenspiel – in der Antike wäre es wohl eher die Leier oder die Lyra gewesen– des griechischen Sängers Timotheus veranschaulichen. Mit diesem Zwischenspiel gleich zu Anfang setzt der in Italien schon bewährte Opernkomponist Händel gewissermaßen die Geschichte im englischen London in Gang und in Fluss.

vorne: Dirigent Christian Rohrbach, Sopranistin Julia Kirchner und Tenor Zachry Wilder, Foto: Petra Kammann

Bei der Frankfurter Aufführung in der Dreikönigskirche jubilierten anfangs der festliche Eingangschor und gleich darauf der strahlende amerikanische Tenor Zachary Wilder mit dem sich wiederholenden „Happy happy happy pair“, um dem Schlachtensieger und seiner Angebeteten Thais überzeugend zu huldigen. In der Ode von John Dryden (1631–1700) bzw. dem Libretto von Newburgh Hamilton (1691–1761), der die Dichtung vor allem in Rezitative, Arien und Chöre unterteilte hatte, spielen die Charaktere Alexander als Prinz, Timotheus als Hofmusikant und Thais, die griechische Kurtisane, eine wichtige Rolle, die sie frei gestalten können, wie verschiedene Aufführungen in der Vergangenheit bewiesen. Me too-Überlegungen, die so manche-r heute bei den anschaulich ausformulierten Verführungsphantasien assoziieren mag, lagen zu Barockzeiten noch in weiter Ferne…

Hörner kündigen die bacchantische Arie des Bass an, Foto: Petra Kammann

Im ersten Teil der Ode kommen die vielen unterschiedlichen Gemütszustände, die Händel genüsslich ausschmückt, und die durch Timotheus hervorgerufen werden, zum Ausdruck, seien es Souveränität, Freude, Mitleid und Liebe. Gegen Abschluss des ersten Teils kommt es zu einem Kampf mit den Wünschen, Begierden und der Verführung, an deren Ende „die Musik den Sieg davontrug“, womit auch schon angedeutet wird, dass die Musik ranghöher als die Liebe sei.

So wie uns Schlachtengemälde oft mehr über den politischen Zeitgeist, über Licht und Schatten vermitteln als über militärische Erfolge und Kriegshandlungen wie zum Beispiel das berühmte Gemälde von Albrecht Altdorfer von der Alexanderschlacht (entstanden zwischen 1528 und 29), das heute in der Alten Pinakothek in München zu sehen ist, so kann es auch – dank der menschlichen modellierbaren Stimme – ganz unmittelbar die Musik mit verschiedenen Timbres tun und an unsere Emotionen appellieren.

Die Streicher der Neuen Hofcapelle auf ihren historischen Instrumenten, Foto: Petra Kammann 

Betörend der Gesang von Julia Kirchner, die mit ihrem warmen Sopran die ganze Palette des Gefühlsausdrucks beherrscht. Das begann schon mit ihrem strahlenden Sopran-Rezitativ „The song began from Jove“, wo sie, die schöne Olympia verkörpernd, die Sehnsucht der Zuhörer so einfängt, dass auch der Fürst nur entzückt lauschen kann. Genauso überzeugend personifiziert sie ihre inneren  Zweifel, nimmt ihren strahlenden Sopran zurück, illustriert voller Melancholie den Schmerz, den die zurückgebliebenen Opfer des vorangegangenen Massakers verursachen: „And Tears began to flow“.  Weich ziseliert und beschwichtigend reagiert darauf der Chor über den gefallenen und völlig vereinsamten Darius mit „On the bare earth expos‘d he lies, Without a friend to close his eyes.“ („Auf nackter Erde liegt er, und kein Freund, der ihm die Augen schlösse.“)

Lautstark, raumfüllend  und voller Wonne verkörpert Uwe Schenker-Primus das Bacchantische, Foto: Petra Kammann

Stark und überzeugend auch der Bass Uwe Schenker-Primus, der im ersten Teil als volltönender Eroberer – Genuss ohne Reue –  das  Saufgelage der Soldaten auf Bacchus verinnerlicht zu haben scheint. Anders und ebenso eindringlich im zweiten Teil dann sein Gesang über die sich anbahnende Rache der verletzten Furien.

Durch das mahnende Rezitativ des klaren Tenors Zachry Wilder wird die Mordlust des Königs sowohl angestachelt, als auch für einen Moment gedämpft. Himmel und Erde werden schon im ersten Teil zugleich heraufbeschworen. Händel nutzt die Gelegenheit zur musikalischen Illustration der schwebenden, geradezu Sphären erschütternden Arie „With ravish’d ears the monarch heart“ („Entzückt lauscht auch der König“). Im Gegensatz dazu verzichtet die melancholische Arie „He sung Darius“ die erotische Sprengkraft und setzt stattdessen auf eine ausdrucksstarke Melodie über den einsam gewordenen Herrscher, der soviel Blut vergossen hat.

Brillante Bläser auch im zweiten Teil, Foto: Petra Kammann

Ein ausdrucksstarker, triumphaler Refrain beschließt den ersten Teil, wo er die Macht der Musik verkündet, wenn der fein durchgezeichnete Gesang des Chors (vor allem im Sopran) mit den Worten endet:“So Love was crowned, But Music won the cause“  („Die Liebe wurde gekrönt, doch die Musik siegte!“) und sich ein Wandel der Stimmungslage andeutet.

Dramatisiert durch die seitlich stehenden Bläser und unterstützt durch die donnernden Trommelwirbel, wirkt im zweiten Teil das Tenor-Rezitativ „noch lauter“, bisweilen greller. In einem mitreißenden Refrain kulminierend, soll der Herrscher der aus dem Schlaf aufgerüttelt und erschüttert werden, wobei unterschwellig auch eine bedrohliche Unruhe von den Streichern ausgeht.

Begeistert von der hohen Qualität der Solisten; v.links: Christian Rohrbach, Julia Kirchner, Sopran, Zachry Wilder, Tenor und Uwe Schenker-Primus, Bass, Foto: Petra Kammann 

Unheimlich dramatisch ertönt die Bass-Arie, welche die Rache der Furien, die sich nicht mehr verdrängen lassen, heraufbeschwört. „Revenge, Timetheus Cries, See the furios arrive“. Der eindringliche Gesang brennt sich förmlich ins Ohr ein. Bedrohlich wird das Echo der gespenstischen Schar, die Rache für das sinnlose Blutvergießen schwört.

Als die Zerstörung von Persepolis beginnt, erklingt der Triumph des Eroberers in all seiner wilden Zerstörungswut, welche Thais, als Trojanerin Helena ähnelnd, des Herrschers Gefühle mit sanfter Flötenmusik unterwandert. Und schon taucht die engelsgleiche Cäcilia wie eine „Dea ex machina“ auf, wie eine Göttin aus der Bühnenmaschinerie, und zieht einen Engel auf die Erde. Schließlich markiert ein Tenor-Rezitativ, „So, vor langer Zeit“ den Übergang zur Reinheit der Musik der Heiligen Cäcilia.

Der  kraftvoll singende Chor kündigt zum Abschluss kontrapunktisch ihre Ankunft an und illustriert geradezu die Phrase „The blest Cecilia’s name; Music to Heav’n and her we owe, The greatest blessing that’s below“ („Stimmt an den Sang im Freudenschall bis hell in Echos Wiederklang Cäcilias Namen erklingt“).

Umarmende Dankbarkeit des Dirigenten gegenüber den Solisten: v.li: Julia Kirchner,  Christian Rohrbach, Zachry Wilde und Uwe Schenker-Primus, Foto: Petra Kammann

So endet das Werk mit dieser grandiosen Chorfuge, die veranschaulicht, warum der heidnische Timotheus den Preis für die Komposition der göttlichen Cäcilia überlassen muss. Mag die Geschichte für unsere Zeitgenossen etwas verwirrend oder entrückt sein, so ist der Klang und die Kraft der Händel’schen Musik doch sehr überzeugend. Und sind bei nährerer Betrachtung nicht doch auch Parallelen zur aktuell politischen Lage zu sehen?

Lasst Blumen sprechen…, Foto: Petra Kammann

Mit der„Kraft der Musik“ möchte der durch Andreas Scholl ausgebildete und im Gesang geschulte Countertenor Christian Rohrbach in seinem ersten Jahr als neuer Leiter des Cäcilienchors „Bereiche des Lebens eröffnen, die nicht mit Worten allein zu erklären sind“. Sein Auftakt jedenfalls war vielversprechend. „De la musique avant toute chose“, befand schon der französische Dichter Paul Verlaine. Ja, „Musik, Musik, vor allen Dingen“.

Weitere Konzerte des Cäcilienchors 2025:

Igor Strawinsky:
Psalmensinfonie
Felix Mendelssohn Bartholdy:
Sinfonie Nr. 2 B-Dur Op. 52 Lobgesang

Sonntag, 22. Juni · 11 Uhr und
Montag, 23. Juni · 20 Uhr
Alte Oper Frankfurt

Karten unter:
www.frankfurtticket.de
Tel. (069) 1340-400
www.museumskonzerte.de

 

„Hör mein Bitten“
Montag, 22. September · 20 Uhr
Heiliggeistkirche (Dominikanerkloster),Frankfurt

Karten an der Abendkasse

 

„Die Leute singen mit so viel Feuer …“
Dienstag, 4. November · 19.30 Uhr
Haus der Chöre, Kaiser-Sigmund-Straße 47, Frankfurt

Karten unter: (06081) 43 654 oder mail: karten@hausderchoere.de

 

„Magnificat – Meine Seele erhebt den Herren“
Samstag, 13. Dezember · 20 Uhr
Dreikönigskirche Frankfurt

Karten unter:
www.frankfurtticket.de
Tel. (069) 1340-400

www.caecilienchor.de

 

 

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