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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Impressionen eines israelischen, in Frankfurt lebenden Autors

Kohlrabi und hohe Decken

Von Eldad Stobezki

Gerade noch in der vergangenen Woche hatte Eldad Stobezki, der Autor von „Rutschfeste Badematten und koschere Mangos“, eine Lesung im Holzhausenschlösschen und im Ariowitsch-Haus während  der Leipziger Buchmesse. Schon stellt der Flaneur aus Frankfurt wieder seine neuesten Überlegungen über Essbar-Köstliches, Unverdauliches und Erinnernswertes an. Dabei verbindet er auf nonchalante und unnachahmliche Weise Heiteres und Melancholisches.

Kohlrabi – eine pralinenähnliche Knolle? Foto aus: https://www.oma-kocht.de/kohlrabi-richtig-kochen/

Während ich Kohlrabi für den Rohkostsalat raspele, tauchen Erinnerungen auf. Dieses Gemüse wuchs In unserem Garten, und ich wunderte mich, dass die Knolle über der Erde wuchs. Als 10- Jähriger wusste ich noch nicht, dass Kohlrabi ein Kohlgemüse ist. Karotten und Rettiche musste ich ausgraben, der Kohlrabi war schon da. Wollte er sich nicht mit Erde beschmutzen? Der hebräische Name für dieses Gemüse ist nämlich auch Kohlrabi und „Kol“ heißt die Stimme. So dachte ich, dass es sich um ein besonderes jüdisches Gemüse handelt. „Die Stimme des Rabbis.“

Eines Tages kam eine entfernte Verwandte aus Uruguay zu Besuch. Sie konnte vor Beginn des Zweiten Weltkrieges noch aus Polen flüchten. Ich wunderte mich, dass sie dieses jüdische Gemüse nicht kannte, denn sie war ziemlich fromm. Meine Mutter schnitt die oberen, süßen, leckeren Teile des Kohlrabis in Würfel, den harten unteren Teil warf sie weg. Vorsichtig probierte die Verwandte die angebotenen Stücke, lächelte und schwärmte: „Das sind israelische Pralinen.“ Ich erinnere mich nicht mehr, wie sie hieß und ich sah sie nie wieder.

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Eine Bekannte war zum ersten Mal in unserer Wohnung. Sie bewunderte die hohen Räume. „Die hohen Decken machen etwas mit dir“, sagte sie. „Da ist noch Luft nach oben“, fügte sie hinzu. Ich schaute nach oben und musste lachen. Ich bin klein und um die Höhenluft zu schnuppern, muss ich auf die Leiter steigen. Ich schaute wieder zur Decke und entdeckte eine Spinne. Ich holte die Leiter nicht.

Liebevolle Erinnerung an den gerade verstorbenen Schweizer Autor und einstigen Stadtschreiber von Bergen Eckheim Peter Bichsel; Foto: Yvonne Böhler

Am 15. März 2025, kurz vor seinem 90. Geburtstag, starb der Schweizer Schriftsteller Peter Bichsel. Im Regal fand ich sein Buch „Zur Stadt Paris – Geschichten“, mit einer Widmung an Lothar und an mich von 1993. Vor dem Einschlafen lese ich die Geschichte „Die Hemden“. Eine Geschichte in 37 Wörtern. Die Hemden des Mannes sind Swissairblau. Das war mal eine Farbe. Seine Frau liebte es, seine Hemden zu bügeln und bemerkte dazu: „Ich möchte vor dir sterben.“

1973, nach dem Militärdienst, bin ich zum ersten Mal geflogen. Israel kann man nur mit Schiff oder Flugzeug verlassen. Die Reise ging mit Swissair zunächst nach Zürich. Als Erinnerung an meinen ersten Flug schenkte die Stewardess mir eine Swissair-Anstecknadel. An das Swissairblau kann ich mich nicht mehr erinnern.

IKB 191 – International Klein Blue, aus: wikicomms

Einer meiner Freunde lässt sich Hemden in Trikolore Blau schenken. Preußisch Blau, Königsblau: Blau ist die beliebteste Farbe, sie taucht in vielen Flaggen auf: in der Ukraine, in Israel, in der EU. Immer wieder sehe ich sie in den Fernsehnachrichten. Es ist nichts Gutes zu erwarten, wenn sich der Himmel in die Weltpolitik einmischt. Ich muss an das Blau von Yves Klein denken. Bis heute hat man seine Farbformel nicht entziffern können. Der obere Streifen der deutschen Flagge ist schwarz.

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Ich duschte gerade, als die Moderatorin im Radio sagte: „Wir hörten das Rondo von… (den Namen des Komponisten verstand ich nicht). In seinen Kompositionen legte er besonderen Wert auf Rhythmus“. Jetzt weiß ich, dass mein Rundfunkbeitrag gut angelegt ist.

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Ich lese und lache. Ich höre Musik und weine.

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