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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Am Duftfluss in der alten Kaiserstadt von Hue  

Auf Kaisers Spuren in der reichen Kultur Mittelvietnams

Von Paulina Heiligenthal

„Ich mag lange Flüsse sehr. Am Parfümfluss rieche ich Liebe.“  Pham Duy (1921-2013)

Es ranken sich viele Legenden um den poetischen Namen des Flusses im Herzen Hues. Der Fluss inspiriert Dichter und Musiker wie den vietnamesischen Komponist und Sänger Pham Duy, das Thema lyrisch zu besingen. Jahrzehntelang war seine Musik im kommunistischen Norden verboten. Auch nach der Wiedervereinigung im Süden des Landes. Bis ins neue Jahrtausend hinein. Ein Mythos besagt: „Die Bewohner am Flussufer liebten diesen Fluss sehr. Eines Tages erhitzten sie das Wasser in hundert Arten von Blumen und gossen es in den Fluss, damit der Fluss für immer duftete…“       

Das Drachenboot führt zu den historischen Königsgräbern – auch zu traditionellen Öko-Dörfern am Parfümfluss, Foto: Paulina Heiligenthal                                                                                                                    

Der Parfümfluss, vietnamesisch „Fluss der Wohlgerüche“, ist ikonisch, von malerischer Schönheit, ja von historischer Bedeutung. Über eine Länge von 100 Kilometern umfließt er sanft die Berge, fließt durch den tropischen Dschungel, durch Dörfer. An den jeweiligen Ufern der Landschaft Hues spiegeln sich historische Denkmäler und Monumente auf seiner Wasseroberfläche. Die Uferzonen bieten dem Acorus, einem Sumpfgras, ideale Bedingungen für ein üppiges Wachstum. Im Frühling verströmen dessen Pollen und Blütenblätter einen herrlichen Duft. Sandelhölzer und Zimtbaumstämme stimmen in den Duft mit ein. Eine synergetische Duftkomposition, die über das Wasser nach Hue transportiert wird.

In einem Liebeslied heißt es:“Das Wasser des Parfumflusses umschmeichelt Dich ewig“, Foto: Paulina Heiligenthal

Der Kopf des Drachens ist mächtig. Sehr mächtig. Während die Ost-West-Breite im Norden Vietnams bis zu 500 km beträgt, ist die Taille  schmal. Sehr schmal. Inmitten des Landes umfasst sie gerade mal elegante 50 Kilometer. Hier, in perfekter Lage zwischen azurblauem Meer und malerischer Gebirgslandschaft, ist Hue gelegen.

Unter der Ära Gia Long bestieg Nguyen Phúc Ánh als erster Kaiser der Nguyen-Dynastie 1802 den Thron. Er modernisierte die behördlichen Strukturen, führte eine Zählung der Bevölkerung durch und setzte sich für die Integration der Ethnien ein. Einst kaiserliche Hauptstadt, ist Hue weiterhin das historische und kulturelle Zentrum des Landes. Hier sucht man jedoch vergebens das pulsierende Leben oder gar das prickelnde Nachtleben Saigons. Hier gibt der duftende Fluss den Rhythmus vor. Moderato statt allegro.

Kunstvoll verzierte Palastdächer können viele Geschichten erzählen, Foto: Paulina Heiligenthal 

Langsam und leise führt das Drachenboot an sieben Königsgräbern der Kaiserzeit vorbei und durchquert die Stadt mit der berühmten Pagode Thiem Mu, dem Wahrzeichen Hues, am Hügel des nördlichen Ufers.   Weiter fließt der Strom gemächlich unter der Tràng-Tien-Brücke, einer von Gustave Eiffel im späten 19. Jahrhundert erbauten Stahlkonstruktion, hindurch.

Sieben Stockwerke ragen in den Himmel, sieben Stufen der Reinkarnation Buddhas. Vom Fluss aus steigt man eine steile Treppenflucht hinauf, um die oktagonale Stupa Phuoc Duyen „Quelle der Freude“ zu erreichen. Die Architektur der höchsten Pagode des Landes Thiem MU „Pagode der Himmlischen Frau“ ist schlank und schlicht. Erbaut 1601 von Nguyen Hoang, dem Begründer des Fürstengeschlechts der Nguyen, der 1600 sein Machtzentrum ins heutige Hue verlegte.

Buddha di Lac lächelt die Beschwerden des Alltags weg, Foto: Paulina Heiligenthal

Auf dem Gelände befinden sich Bonsai-Höfe, Pavillons und ein Kloster zu Ehren des Maitreya-Buddhas. Etwa 30 Novizen und Mönche bewirtschaften heute die Klosteranlage. In der holzgetäfelten Eingangshalle thront er, der goldene Buddha Di Lac. Mit übergroßen Ohren hört er sich die Sorgen der Menschen an. Sein dicker Bauch dient dazu, die Fehler der Menschen zu tolerieren. Der große Mund ist dazu da, Dinge wegzulächeln, die auf der Welt schwer zu ertragen sind.

Einer der Pavillons beherbergt die berühmte über zweitausend Tonnen schwere und 2,5 m hohe bronzene Glocke aus dem Jahre 1710, deren Klang zehn km weit über den Fluss erklingt. Ein weiterer Pavillon schützt seit 1714 eine Marmor-Stele auf einer Riesenschildkröte. Sie enthält die eingravierte Dokumentation über die Gründungsgeschichte.

Die altehrwürdige bronzene Glocke – ein Glückssymbol des Fürsten Nguyen Phuc Chu – ertönt seit 1710, Foto: Paulina Heiligenthal 

Eine besondere  Reliquie in der kultivierten Gartenanlage löst tiefe Emotionen aus: ein himmelblauer Austin. In Verehrung für den 65-jährigen Mönch Thich Quang Duc, der mit diesem Fahrzeug 1963 nach Saigon fuhr, um sich dort auf einer Kreuzung öffentlich zu verbrennen. Ein extremer Protest im Religionskonflikt gegen die Buddhisten Verfolgung durch den katholischen Autokraten Süd-Vietnams Ngo Dinh Diem. Noch zwei Monate später ließen Diems Gefolgsleute synchronisierte Angriffe auf buddhistische Pagoden von Spezialeinheiten durchführen.

Im Garten hinter der Pagode ist das Auto des Mönchs Thich Quang Duc ausgestellt – er fand hier seine letzte Ruhe, Foto: Paulina Heiligenthal

Die Zahl der verschwundenen Buddhisten wird auf einen dreistelligen Bereich geschätzt. Das Nachrichtenbild des US-Fotojournalisten Malcolm W. Browne löste weltweit Entsetzen aus. Noch im selben Jahr erhielt seine Fotografie  die Auszeichnung World Press Photo of the Year. Nachdem die hochmütige First Lady den Flammentod des Mönchs mit menschenverachtenden Worten öffentlich verspottete und dadurch noch mehr Hass verbreitete, ließ die USA-Regierung den Diktator Diem endlich fallen.

Der serene Ort in der sanft-grünen Hügellandschaft erhöht die Innerlichkeit und die Heiligkeit der Pagode Thiem Mu, in der Mönch Thich Quang Hau seine ewige Ruhe fand.

Bonsais in den Pagodengärten stehen für Harmonie, Gleichgewicht und für die Verbundenheit von Natur und Mensch, Foto: Paulina Heiligenthal

Das Drachenboot gleitet sachte zum sieben km entfernten Thuy Bieu, einem antiken Dorf, das seine historischen und traditionellen Werte bewahrt hat. Ein wahres Natur- und Kulturerbe. Gut erhaltene Häuser, von Bäumen gesäumte Straßen, bestückt mit kunstvoll gestalteten kleinen Altären für den allgegenwärtigen Ahnenkult. Grüne Gemüsefelder an allen Ecken, herrliche Pomelo-Gärten überall. Thanh Tra wird hier angebaut, eine besonders schmackhafte Pampelmusensorte. Früher war sie nur für Königsfamilien zum Genießen bestimmt. Jetzt bieten einheimische Familien Tee, lokales Essen, auch Kochkurse an. Ebenso wohltuende Fußmassage mit Heilkräutern. Und natürlich Pomelo-Früchte. Hier herrschen Einklang und Freundlichkeit gegen den Lärm der Welt.

Die Kaiserstadt von Hue: UNESCO-Weltkulturerbe seit 1993

Legionen von Goldfischen tummeln sich im Wasser des 20 Meter breiten Grabens mit üppiger Lotosblütenpracht. Er umrahmt die elf km langen mächtigen Mauern der Kaiserstadt von Hue. Sie wurde nach Pekinger Vorbild in Kleinformat erbaut und erstreckt sich über eine Fläche von 520 Hektar.

Der Eingangsbereich in die früher streng abgeschirmte Verbotene Purpurne Stadt, Foto: Paulina Heiligenthal

Im zentralen Teil befindet sich die Verbotene Purpurne Stadt für den „Sohn des Himmels“. Laut alter chinesischer Astrologie wird der Name vom Purpurstern, dem Polarstern im Zentrum des Himmels, abgeleitet.

Der rot-goldene Thai Ho Palast ist von poetischer Schönheit und ungeahnter Pracht, Foto: Paulina Heiligenthal

Dieses Herzstück, auch Großer Innerer Palais genannt, war ein wahrhaft eingeschränkter Bereich. Ein heiliger Ort. Nur eunuchische Diener hatten dort ungehinderten Zugang. Hier entfaltete sich des Kaisers intimstes Leben. Zahlreiche Schlafgemächer für zahlreiche Ehefrauen und Konkubinen, sowie Räume zur Entspannung und Unterhaltung spiegelten den feudalen Lebensstil der gottähnlichen Kaiser wider. In extremer Abgeschiedenheit, fernab jeglicher Wahrnehmung der realen Welt.

Das Mausoleum des Kaisers Tu Duc

Der kleine Kaiser, musisch ganz groß  

Die Nguyen-Dynastie (1802 – 1945) war die letzte vietnamesische Kaiser-Dynastie. Ab der veränderten politischen Lage unter französischer Oberherrschaft in Indochina war sie von 1883 an machtlos und nur noch das nominelle Staatsoberhaupt. Kaiser Tu Duc (1829-1883), vierter und offiziell letzter Kaiser der Nguyen-Dynastie, war der zweitgeborene Sohn des Kaisers Thieu Tri.

Das Refugium der Dichterkaisers Tu Duc spiegelt seine feinsinnige künstlerische Seele wieder. Im Mondschein ließ er sich auf dem Luu Khiemsee vor dem prächtigem Xung Khiem Pavillon rudern, Foto: Paulina Heiligenthal

Seine 36-jährige Regierungszeit, von 1847 bis zu seinem Tode, war von großen Herausforderungen geprägt. Sie begann mit einer Rebellion im Hause Nguyen: Der königlich legitimierte Erstgeborene Hong Bao wurde in der Thronfolge übergangen. Laut konfuzianischer Gelehrten kommt das einer Entehrung der Familienhierarchie gleich. Dieser gemäßigte Sohn stand dem konservativen zweitgeborenen Tu Duc, bekannt für seine Abneigung gegen Ausländer und Innovationen, diametral gegenüber.

Die blutige Revolte endete mit dem Suizid des Hong Bao im Gefängnis. Und der schwache Kaiser ermöglichte die französische Machtübernahme. Der Niedergang der Monarchie wurde so eingeläutet.

Die buddhistische Klosteranlage ist eine Oase der Ruhe, Foto: Paulina Heiligenthal

Inmitten von weitläufigen Pinienwäldern und kleinen Seen errichtete Tu Duc eine zweite Residenz nach eigenem Entwurf, um sich in der Stille der Natur der Enge, den Intrigen und den Gefahren in der Verbotenen Stadt zu entziehen. Die persönliche Handschrift des feinsinnigen Kaisers, seine Kontemplation sowie sein poetischer Geist, wird in der Anordnung von 50 Gebäuden auf dem 12 ha großen Areal  sichtbar.

Das Hauptwahrzeichen – die Thiên-Mu-Pagode – errichtet vom ersten Fürsten Nguyen Hoang in 1601- bietet eine faszinierende Erkundung der Geschichte der Nguyen-Dynastie, Foto: Paulina Heiligenthal

Innerhalb von nur drei Jahren entstand 1867 das vollkommenste, repräsentativste und eines der schönsten Denkmäler der Nguyen-Dynastie. Das palastartige Refugium „Bauten für die Ewigkeit“ glich einem chinesischen Sommerpalast. Dort lebten seine Mandarine (Beamten), seine Eunuchen. Auch Kaiserin Thien Anh. Und… sage und schreibe ganze 103 Konkubinen. Nachkommen? Weit gefehlt!  Keine Drachenschwangerschaft. Eine Ironie des Schicksals…

Mangels eigenem Nachwuchs verfasste der Kaiser Tu Duc seine eigene Grabinschrift in der massiven 20t Stele, Foto: Paulina Heiligenthal

Die Fronarbeit von tausenden unter erbärmlichen Umständen schuftenden Arbeitern am „Ten Thousand Years“-Projekt, (erste Bezeichnung) provozierte den Zorn der Menschen und führte 1866 zur „Rebellion der Limettenstößel“. Die Leute gaben die Klage weiter: „Wie ist es in zehntausend Jahren? Knochenwände von Soldaten, zerschnitten vom Blut der Menschen.“

Der Stelen-Pavillon der Tu Duc – Ruhestätte in architektonischer Vollendung, Foto: Paulina Heiligenthal

Nach brutaler Niederschlagung des Aufstandes taufte der Kaiser den Namen um in „Tempel des bescheidenen Willens“. Fortan nutzte der kaum 1.50 m kleine Kaiser mit den schönen Händen diesen Zufluchtsort, um sich seinen literarischen Leidenschaften bei Tee, zubereitet aus Tautropfen der Lotosblüten, im Pavillon am Luu Khiem See zu widmen. Der vielseitige Poet, Künstler und Gelehrte wird für seine zahlreichen Beiträge zur vietnamesischen Kultur in Erinnerung bleiben – mit viertausend Versen und sechshundert Prosastücken.

Vier Jahre dauerte die Reise der massiven 20 Tonnen schweren Steinstele – die größte ihrer Art in Vietnam–  vom 500 km entfernten Steinbruch bis zum Palast der Bescheidenheit. Sie enthält ein autobiografisches Epitaph. Es handelt sich um eine Reflexion über das Leben, die Verdienste, auch das Unglück und die Fehler des Imperators.

Mandarine halten Wache im Vorhof der Grabstätte von Khai Dinh, Foto: Paulina Heiligenthal

Trotz Pracht und friedvoller Lage blieb das Grab des Erbauers Tu Duc kurioserweise leer. Vielleicht aus Angst vor Grabräubern? Der Bestattungsort bleibt bis heute ein Rätsel. Dass alle 200 Sklaven umgebracht wurden, damit die genaue Lage ein Geheimnis blieb, ist hoffentlich ein Märchen.

Rokokoverzierung trifft Drachendrapierung

Das Grabmal von Kaiser Khai Dinh ist die letzte errichtete Gedenkstätte für den vorletzten Kaiser der Nguyen-Dynastie. Die Bauzeit betrug elf Jahre, von 1920 bis 1931.

Der Eingangsbereich des Khai-Dinh-Grabmals, dessen-Bau 11 Jahre dauerte, spiegelt eine Mischung aus ost-westlicher Architektur wider, Foto: Paulina Heiligenthal

Die hochaufragende Monumentalarchitektur über Reisterrassen am Chau Chu Berg, zehn km südlich von Hue, versetzt einen in eine andere Welt. Der Versuch, traditionelle vietnamesische Architektur in Einklang mit französischen Stilelementen zu bringen, spiegelt das Dilemma des Kaiserhauses zu Beginn des 20. Jahrhunderts wider.

Die Bronzestatue des sitzenden Kaisers Khai Dinh – beschützt von einem Baldachin – wurde in Marseille gefertigt und von vietnamesischen Künstlern vergoldet, Foto: Paulina Heiligenthal

Unter Verwendung importierter Materialien entstand eine Ost-West-Melange verschiedener Baustile. Um den Kolonialherren zu gefallen? Durch ein eisernes Tor erklimmt man über steilen Stufen den, von einem Drachengeländer gesäumten Weg, zur ersten Plattform. Die Ehrengarde, eine zweireihige Stein-Armee aus Wächtern, Mandarinen sowie Pferden und Elefanten, begleiten den Kaiser über den Tod hinaus. Weitere steile Stufen streben steil zur zweiten Terrasse mit dem imposanten Stelen-Pavillon empor.

Der hintere Teil des Khai Dinh-Palastes beherbergt den Altar mit einem Porträt des Kaisers, Foto: Paulina Heiligenthal 

Nach insgesamt 127 Stufen gelangt man zum Palais des Mausoleums. Oder doch zu einem französischen Lustschlösschen? Im Hauptraum des Khai Dinh Palais sind alle Wände verschwenderisch mit bunten Keramiken und Glasarbeiten verziert. Der Boden ist von zart bemalten Fliesen bedeckt, der Himmel von neun Drachen in flüchtigen Wolken. Der hintere Raum beherbergt den Sarg, seinen Altar und eine goldene Statue des Kaisers. Meisterliche Handwerkskunst zwischen Kunst und Kitsch.

Die antike Architektur und ihre Überreste

Die alte Kaiserstadt von Hue, nach astrologischem Rat 1804 in Auftrag des ersten Kaisers Gia Long gegeben, zählt zum größten Bauprojekt in der vietnamesischen Geschichte. Im Laufe der Indochina-Kriege hatte die Zitadelle der Stadt 1947 stark gelitten. Im Zuge der Tet-Offensive, der Neujahrs-Offensive, wurde die Reliquienstätte 1968 zeitweilig vom Vietcong eingenommen. Durch Angriffe der südvietnamesischen Luftwaffe, der USA-Artillerie und durch brutale Häuserkämpfe wurde die historische Stadt größtenteils zerstört.

Dank der UN-Hilfe gehören Kriegswunden und kommunistische Tristesse inzwischen zur Vergangenheit. Seit der Jahrtausendwende sind zahlreiche Renovierungsarbeiten im Gange, die den Glanz der Monarchie in ungeahnter Pracht neu auferstehen lassen.

Auf den Neun-Dynastischen-Urnen vor dem Hien Lam Pavillon des To Mieu Palastes sind die Naturlandschaften und das Alltagsleben des Landes reliefartig dargestellt, Foto: Paulina Heiligenthal

Das monumentale Ngo Mon Tor überrascht nach Durchschreiten mit einer weitläufigen und offenen Landschaft, in der grandiose Tore, Tempel, Höfe und Paläste die bewegende Geschichte Vietnams lebendig erscheinen lassen. Im Vorhof des To Mieu Palastes stehen „Neun Dynastische Urnen“, zwei Meter hohe bronzenen Gefäße von nationaler Bedeutung. Sie wurden im Auftrag des weitsichtigen Kaisers Minh Mang 1837 fertiggestellt. Aufgrund ihrer historischen, geografischen, kulturellen und kalligraphischen Werte sind ihre 162 Reliefs eine einzigartige Informationsquelle über den Reichtum und die territoriale Integrität Vietnams.

Das Ngo Mon Tor – Mittagstor – wurde 1833 während der Regierungszeit Minh Mangs als Haupteingang zur Kaiserstadt errichtet, Foto: Paulina Heiligenthal

Im Bild des Vinh-Te-Kanals wird der Status der Frauen besonders betont: Eine Ode an die Kaiserin, die viele Aufsichtsarbeiten ihres Ehemannes übernahm. Aus Bewunderung für ihre harte Arbeit benannte der Kaiser das Kanal-Projekt nach seiner Frau. Im Mai 2024 wurden „Die Reliefs auf neun Bronzekesseln im Königspalast von Hue“ als UNESCO-Dokumentarisches Erbe anerkannt.  Die Zahl 9 symbolisiert im Buddhismus die Schöpfungskraft und die höchste spirituelle Macht.

Sorgfältige Renovierung des rot-goldenen Thai Hoa Palastes, Foto: Paulina Heiligenthal

Der Palast der Höchsten Harmonie, der Thai Hoa Palast im glänzendem Rot mit goldenen Verzierungen, ist das Herzstück der Zitadelle. Die repräsentativen Empfangsräume des Kaisers dienten zeremoniellen Zwecken. Im Hof der Halle fanden religiöse Zeremonien statt. Hunderte Menschen in farbenprächtigen Seidenroben und mit viereckiger Kopfbedeckung nahmen getrennt nach Rangordnung Stellung ein, um auf den Steinfliesen vor dem Regenten den Kotau auszuführen sprich: sich lang ausgestreckt auf den Boden werfen.  

Der Palast gehört zweifellos zu den imposantesten Gebäuden im ganzen Komplex. Ein herausragendes Beispiel vietnamesischer Architektur von überwältigender  Schönheit. Poetische Tafeln, Porzellanfliesen, Intarsien, kalligrafische Werke, Thronstühle. Hautnah, die kaiserliche Geschichte, ihre Eleganz, ihre Opulenz.

Der Thai Ho Tempelkomplex mit bedeutenden architektonischen und historischen Werten – liegt in einer geräumigen Parkanlage, Foto: Paulina Heiligenthal

Vielfach in der Hoffnung auf einen Karrieresprung, ein Geschenk des Mandarins an den Kaiser, mussten sich die Palastdamen einer strengen Hierarchie innerhalb des Harems unterwerfen. Ohne Privatsphäre. In Enge und Öde. Als Besitz des Hausherrn. Kleidung und Schlafplatz hingen vom Rang der Frau ab. Sogar das Essen.

Das Reglement sah die bevorzugten Farben Rot und Grün vor. Gelb war dem Kaiser vorbehalten. Dunkle Farben  waren verpönt, da sie Unglück hervorriefen. Ein Mittelscheitel und schwarz lackierte Zähne waren obligatorisch. Weite Teile des Palastes waren ihnen versperrt. Spärliche Besuche ihrer weiblichen Verwandtschaft waren erlaubt, der Abschied vom Vater war auf ewig.

Freundliche Menschen im Alltagsleben  wie im Pampelmusendorf laden zu Tee-, Kochkursen oder zu Wellnessmassagen ein, Foto: Paulina Heiligenthal

Es war eine Kernphilosophie, dass nur die besten Konkubinen dem Kaiser dasjenige schenkten, was er in seiner Ehe vermisste. Nicht nur kunstvolle Unterhaltung. Die Damen für das Schäferstündchen wurden nach einer in Jade gemeißelten Namensliste ausgesucht. Dazu gönnte sich der Kaiser – potenzfördernd – seinen Lieblings-Whiskey aus getrockneten Lotossamen. Der kaiserliche Beischlaf wurde minutiös vorbereitet und akribisch protokolliert. Vom Palasteunuchen!

Taillengeschnürte Erotik, im klassischen Korsett der Etikette eben!

 

 

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