Vom Markt in Äthiopien in den Kunstpalast Düsseldorf
Elias Simes großformatige Kunst aus Elektroschrott
Von Simone Hamm
Als ich 2015 in New York die Galerie von James Cohen betrat, war ich überwältigt. Da hingen großformatige, farbige Bilder, die aussahen, als seien Städte aus der Luft fotografiert worden. Bei näherem Hinsehen aber sah ich, dass diese Bilder aus Tausenden und Abertausenden Drähten, Leiterplatten und Mikrochips aus elektronischen Geräten bestanden. Der Name des Künstlers: Elias Sime. Diese Ausstellung in New York war Elias Simes internationaler Durchbruch. Denn nicht nur ich war begeistert von seinen Arbeiten, auch die Ankäufer des Metropolitan Museums waren es. Dabei war er in seiner Heimat Äthiopien, in anderen afrikanischen Ländern längst bekannt.
Besucherin in der Elias Sime-Ausstellung im Kunstpalast Düsseldorf, Foto: Lotti Hamm
Elias Sime hat aus den Innereien ausrangierter Computer, Handys, Fernseh-,und Radiogeräten, die irgendwie auf den Marktplatz von Addis Abeba gelangt sind, eine neue Welt geschaffen. Für ihn ist es ein Kreislauf, den er vollendet: die wesentlichen Bestandteile eines Handys etwa werden aus Rohmaterialien gewonnen, die oft aus Afrika stammen. Dann kehren sie – in Handys verarbeitet – zurück nach Afrika. Wenn die Mobiltelefone nicht mehr gebraucht werden, landen sie in Recyclinganlagen oder auf Mülldeponien und auf Märkten. Für Elias Sime sind in diesen Kreislauf zahllose Geschichten von Menschen eingeflossen, deren Hände an der Herstellung und am Transport dieser Geräte beteiligt waren.
2024 war Elias Sime auf der Biennale in Venedig vertreten, der Kunstpalast Düsseldorf hatte die dortige Ausstellung organisiert. Derzeit ist im Kunstpalast Düsseldorf eine große Einzelausstellung von Elias Sime zu sehen, welche die ganze Bandbreite seines Schaffens zeigt.
Der Künstler arbeitet nicht nur mit Elektrodrähten, sondern auch mit Baumwollfäden, Computertastaturen, Schlüsseln, Knöpfen. Die Drahtfäden flechtet er akribisch. An „Tightrope: it is green“ etwa hat er jahrelang gearbeitet, die roten Drähte aus Kabeln isoliert, sie geflochten, auf eine große Leinwand aufgezogen und schließlich Blumen aus Holz darauf geklebt und sie damit überzogen. Eine Symphonie in Rot.
„Tightrope: Concave Triangle“ ist eine Skulptur aus lauter Zifferblättern von Armbanduhren. „Mewezageb/ Confused“ aus Schlüsseln, Knöpfen und Stoff auf Leinen erinnert in Form und Farbgebung an Gustav Klimas „Kuss“.
In „Tightrope: Dichotony“ herrscht die Farbe Grün vor. Das riesige Bild wirkt so, als tanzten auf ihm Gräser. Die Figuren in „Monkeys, Frogs and Televisions“ bestehen aus Lehm und Stroh. Frösche, Affen und Fernseher sind gleich groß und purzeln durcheinander.
Blick auf „Monkeys, Fords and Televisions“ von Elias Sime, Foto: Lotti Hamm
Aus Baumwollfäden entstehen phantasievolle Wesen. Sie sehen aus, als krabbelten unendlich viele Ameisen über ihre Körper.
Ausstellungsansicht, Foto: Markus Schmidt
Elias Sime ist in Qirqos, einem rauen Stadtteil von Addis Abeba, geboren und lebt dort bis heute. Und bis heute spricht er nur amharisch. Zusammen mit der Anthropologin Meskerem Assegued hat er ein Kunstzentrum geschaffen, mit Häusern aus Lehm in einem verwunschenen Garten, darin eine Schule, ein Kindergarten, eine Bibliothek, ein Begegnungszentrum. Er hat einen künstlerischen Freizeitpark am Rande von Addis Abeba gestaltet. Ihm geht es darum, Menschen zusammenzubringen. Filme von diesen Kunstzentren sind in Düsseldorf zu sehen.
Ein Raum in der Ausstellung ist den Kindern vorbehalten. Hier liegt fast alles aus, was Sime benutzt hat: vom Knopf übers Elektrokabel bis hin zum Schlüssel. Hier können die Kinder selbst Bilder zusammenbauten. Sie tuen das begeistert. So werden Kinder ganz spielerisch und ohne große Erklärstunden an Kunst herangeführt. Ihre Bilder hängen, zusammengefügt zu einem riesengroßen Bild, an einer Wand: ein neues Kunstwerk.
All denen, die die großartige Ausstellung besuchen wollen und auch all denen, die nicht hingehen können, sei der ausführliche Katalog mit Felicity Korns Porträt des Künstlers, Andria Hickeys Essay “Ein Wandteppich für die Menschlichkeit“ , Hans Ulich Obrists Interview mit Sime und Assegued und den zahlreichen farbigen Abbildungen ausgesprochen empfohlen:
Elias Sime: Echo.
Katalog zur Ausstellung.
Hrsg.: Felicity Korn .12 S.
83 farbige Abbildungen.
Museumsausgabe 29,80 €.
Im Buchhandel 35,00 €
Die Ausstellung ist noch bis zum 1.6. zu sehen.