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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Stadtplanung in Frankfurt: „Heute sind Aushandlungsprozesse relevant“

Ein Interview mit dem Planungsdezernenten Marcus Gwechenberger

Wie soll es mit Frankfurt weitergehen, welche Linien wird die Stadtplanung verfolgen, an welchen Stellen wird es Veränderungen geben? Bei einigen der schon lange diskutierten Projekte – wie den Städtischen Bühnen – zeichnen sich Konkretisierungen ab, der Zeitrahmen allerdings bemisst sich oft eher in Zehnjahresschritten. Uwe Kammann sprach mit dem Planungsdezernenten Marcus Gwechenberger über wesentliche Punkte und Aspekte der anstehenden Aufgaben.

Frankfurts Planungsdezernent Prof. Dr. Marcus Gwechenberger, Foto: Uwe Kammann

Uwe Kammann: Ihr Vorgänger, Mike Josef, hat 2018 im Interview mit FeuilletonFrankfurt gesagt, dass sich sein Blick auf die Stadt nach der Amtsübernahme geändert habe: Er sei kritischer geworden, habe vorher vieles so nicht wahrgenommen. Machen Sie eine ähnliche Erfahrung?

Marcus Gwechenberger: Nein. Ich habe natürlich den Vorteil, schon fast neun Jahre – seit Sommer 2016 – hier im Dezernat als Referent von Mike Josef gearbeitet zu haben. Mithin, ich sehe die Stadt nicht kritischer, aber ich sehe ihre vielen Schichten genauer: die technischen, die gestalterischen, mit ihren unterschiedlichen Herausforderungen. Hier im Dezernat muss ich die ganze Stadt im Blick haben, auch die Region. Genau darin besteht die Hauptveränderung des Blicks weg vom engeren Umfeld hin auf die ganze Stadt.

In welchen Punkten sehen Sie Frankfurt besonders positiv, wenn Sie alle Ihre bisherigen Eindrücke Revue passieren lassen?

Zu den besonderen Qualitäten der Stadt gehört, in fünfzehn Minuten von jedem Ort aus im Grünen sein zu können. Das ist, auch im internationalen Maßstab, eine die Stadt auszeichnende hohe Qualität. Ebenso hoch ist die große Vielfalt zu bewerten, schon bei den verschiedenen Stadtteilen. Sie reicht von der sehr dichten Hochhausstadt bis zu dörflichen Strukturen. Es gibt eigentlich alles, und das auf kleinstem Raum.

Der Opernplatz – ein Herzstück der Stadt, Foto: Uwe Kammann

Was sind – bei diesen Grundvoraussetzungen – Ihre Hauptziele bei der Planung?

Ich beziehe mich auf die neue Leipzig-Charta als Leitinstrument für eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung. Diese Charta wurde Ende 2020 auf ministerieller europäischer Ebene unterzeichnet. Sie besagt, dass wir drei Prinzipen verfolgen sollten, um unsere Städte gut voranzubringen. Der erste Punkt betriff die gerechte Stadt, mit Zugängen zu bezahlbarem Wohnraum und zu für alle zugänglichen Mobilitäts-Infrastruktur. Der zweite Punkt zielt auf eine gute wirtschaftliche Entwicklung der Stadt, der dritte Punkt auf die grüne Stadt mit hoher Aufenthalts- und Lebensqualität, eben über den Zugang zu Grün und zu Freiräumen. Frankfurt hat beste Voraussetzungen, um diese drei Stränge gut abzubilden. Gerade der schnelle Zugang zu Grünräumen zeichnet Frankfurt auch im internationalen Vergleich aus.

Bei den drei Kategorien würde mir die ästhetische fehlen, jene, die auf das Erscheinungsbild der Stadt gerichtet ist.

Sie gehört überall hinein, das ist eine Querschnittskategorie. Die ästhetische Komponente ist natürlich immer wichtig, sie ist bei allen Herausforderungen zu berücksichtigen. Was beispielsweise heißt: Auch ein Gewerbegebiet muss in der Gestaltung ästhetischer werden als es bisher der Fall ist.

Der ehemalige Leiter des Stadtplanungsamtes, Dieter von Lüpke, hat die Auffassung vertreten, dies sei von minderem Interesse, es gehe vor allem darum, dass die Stadt sozial gut funktionieren müsse. Ist das ein zu verkürztes Leitbild?

Mir ist das zu verkürzt. Beim erwähnten Dreiklang mit der gerechten Stadt ist das Soziale, ist die soziale Interaktion natürlich einbezogen. Aber es geht eben auch darum, die Wirtschaft voranzubringen, überhaupt alle produktiven Elemente. Es ist absolut wichtig, den Einzelhandel zu fördern oder neue Formen von Industrie und Gewerbe nach Frankfurt zu holen. Dazu kommen die ökologischen Fragestellungen, die großen Herausforderungen des Klimawandels. Da müssen wir Antworten finden, auch über das hinaus, was heute Standard ist.

Ihr Dezernat trägt die Aufgaben Planen und Wohnen im Titel. Gibt es ein Übergewicht bei der einen oder anderen Aufgabe?

In der Außenwahrnehmung wird das Planen eher im Vordergrund gesehen. Aber viele denken auch, dass ich als Planungsdezernent nur Wohnen planen würde. Mein Ansatz ist es hingegen, Stadteile und Quartiere zu planen und dabei alle Nutzungen im Blick zu haben. Wohnen hat ein starkes Gewicht, dazu gehören Themen wie Qualität und Vielfalt im Wohnungsbau oder auch Mieterschutz. Aber man kann bei den Aufgaben nicht einfach fiftyfifty sagen, vielmehr ist alles mit allem verbunden. Immer in dem Sinne: Wie können wir dafür sorgen, dass die Qualitäten in den einzelnen Quartieren erhalten bleiben? Auch vor dem Hintergrund, dass vielerorts Angst herrscht, verdrängt zu werden.

Gelungener Wohnungsbau mit Ladengeschoss am Bockenheimer Depot, Foto: Uwe Kammann

In seiner kürzlichen Neujahrsansprache hat der Oberbürgermeister auf das enorme Wachstum der Stadt verwiesen, ein Plus von 150.000 neuen Einwohnern in kaum mehr als zehn Jahren. Jetzt hat sich das abgeschwächt: Welche Konsequenzen zieht das nach sich, wie muss die Stadtplanung darauf reagieren?

Der Zuzug ist unterschiedlich intensiv. Wir hatten Jahre mit dem eben erwähnten sehr starken Zuzug, während der Corona-Zeit gab es hingegen keine nennenswerten Zuwächse. Nach den Prognosen der Bundesregierung werden bis 2040 folgende Städte und Regionenweiter wachsen: Hamburg, Berlin, Leipzig, München, Frankfurt, Köln und Düsseldorf. Das betrifft sowohl die Bevölkerung als auch die Zahl der Arbeitsplätze. Dagegen werden andere Regionen eher schrumpfen. Meine Strategie richte ich danach aus, dass Frankfurt weiter wachsen kann und wird. Das hängt auch mit dem demographischen Effekt zusammen. Die geburtenstarken Jahrgänge der 60er Jahre gehen nach und nach in Rente, was heißt, dass die somit freiwerdenden Arbeitsplätze neu besetzt werden müssen. Dies wiederum bedeutet Wachstum durch neu Hinzuziehende.

Gibt es Grenzen des Wachstums, muss die Stadt sich in Vorbereitung des eben erwähnten Generationenwechsels tatsächlich ständig erweitern? Es gibt ja die viel zitierte Annahme, dass neue Straßen neuen Verkehr erzeugen. Was analog heißen könnte: Bei einem stark gesteigerten Wohnungsbau nimmt die Attraktivität weiter zu, am Ende entsteht immer ein Nullsummenspiel.

Wenn wir keine Wohnungen bauen würden, würde sich der Druck auf den Wohnungsmarkt automatisch deutlich erhöhen. Wir müssen also Wohnungen bauen, und zwar in der Stadt selbst, aber auch noch stärker gemeinsam in der Region. Diesen Ansatz einer stärkeren regionalen Kooperation will ich weiter voranbringen. In den nächsten Jahren und Jahrzehnten müssen wir weitere Schienenverbindungen auf- und ausbauen, um weitere Potenziale in der Region zu erschließen. In Stadtgrenzen alleine zu denken ist zu kurz gedacht. Schon heute leben viele Menschen in der Region, die in Frankfurt selbst arbeiten.

Vor einigen Jahren löste ein großes Projekt Ihres Vorgängers große Diskussionen aus, das dann sogar nach ihm benannt wurde: die Josefstadt. Eine Stadterweiterung im Westen, noch über die Autobahn A 5 hinaus – was Kommunen wie Steinbach und Weißkirchen zu regionalem Widerspruch herausforderte. Vor drei Jahren hieß es, die 2017 begonnenen Vorplanungen – damals war von gut 12.000 Wohnungen die Rede – seien vom Tisch, danach war es auffallend still um dieses Vorhaben. Wie steht es derzeit darum?

Seit ich im Juni 2023 Planungsdezernent wurde, habe ich die Zeit genutzt, um darauf aufzubauen, was Mike Josef vorbereitet hatte. Ich habe viele Gespräche geführt in der Region, mit der Region, auch mit den Nachbarkommunen. Ende Februar 2025 hat die Regionalversammlung und ihr grundsätzliches Okay gegeben, unsere Planungen für einen Stadtteil der Quartiere östlich der Autobahn A5 weiter verfolgen zu können.

Gwechensbergers Vorgänger – der heutige OB Mike Josef – wurde 2018 von FeuilletonFrankfurt interviewt, Foto: Kammann

Wann könnte danach der erste Grundstein gelegt werden?

Wenn wir mit unseren Planungen und weiteren Abstimmungen gut voran kommen, dann gehe ich davon aus, dass sich dort gegen Ende dieses Jahrzehnts die ersten Kräne drehen könnten.

Es gab jüngst vom Land die Zusage für Fördermittel – von 8 Millionen Euro ist die Rede –, die Städtebaumaßnahmen unterstützen sollen. Wo genau sollen die Mittel eingesetzt werden, was genau soll mit ihnen realisiert werden?

Die 8 Millionen aus den Bund-Länder-Förderprogrammen „Wachstum und Nachhaltige Erneuerung“ sowie „Sozialer Zusammenhalt“ fließen in die Stadterneuerung. In mehreren Quartieren sollen verschiedene Maßnahmen realisiert werden – von der Anlage neuer Grünflächen bis zur Förderung sozialer Infrastruktur. Im Frankfurter Westen haben wir Griesheim, Sossenheim und Höchst in die Förderprogramme aufgenommen, im Frankfurter Norden den Ben-Gurion-Ring. Mit dem Grünflächenamt planen wird im mittleren Norden für Ginnheim, Eschersheim und Dornbusch eine grüne Verbindung, das „Grüne Ypsilon“. Auch dort geht es um eine ökologische Aufwertung und eine Verbesserung der Aufenthaltsqualität. Diese Mittel fließen in ganz konkrete Maßnahmen.

Das bereits erwähnte Thema Wohnungsbau brennt allen auf den Nägeln, auch generell, wegen des drastischen realen Rückgangs. Geklagt wird über viele Hemmnisse, von Regeln und Normen über rasant steigende Material- und Baukosten bis zur Grundstücksknappheit oder enge Kapitalinteressen. Was sind die Haupthindernisse? 

Es sind in den letzten Jahren unter anderem die stark gestiegenen Baukosten. Auch die große Anzahl der Vorschriften, die mit bautechnischen Vorgaben zu tun haben, bilden ein Hemmnis. Beim Bau von Wohnungen sind zum Beispiel zahlreiche DIN-Vorschriften zu beachten, wobei immer die neuesten Erkenntnisse der Technik anzuwenden sind. Der Standard wiederum wird von der Bauindustrie, von den Herstellern der Materialien vorgegeben Diese Standards steigen ständig. Darauf haben wir keinen unmittelbaren Einfluss. Es sind Bundes- bzw. Landesregelungen, die verändert werden müssten.

Darauf können die Kommunen als Hauptbetroffene keinerlei Einfluss nehmen, da hilft keine Lobbyarbeit?

Das machen wir schon, der Städtetag – wo ich im Bau- und Verkehrsausschuss sitze – ist sich da auch einig. Nur sind wir mit unseren Argumenten noch nicht durchgedrungen. Auf kommunaler, Ebene tragen zu den hohen Kosten durchaus auch die Stellplatzsatzungen der Städte und Gemeinden bei. Bei der Erstellung von Tiefgaragen schlägt jeder Stellplatz schnell mit 50 bis 60 Tausend Euro zu Buche. In Frankfurt unterstützen wir in der Satzung deshalb innovative Ansätzemit reduzierten Stellplatzzahlen, beispielsweise, indem man auf vorhandene Kapazitäten zurückgreifen kann oder auf den ÖPNV verweist.

Monofunktion und Gleichförmigkeit am Riedberg, Foto: Uwe Kammann

Frühere Frankfurter Stadterweiterungen wurden im Nachhinein heftig kritisiert, bei Riedberg und Europaviertel heißt es immer noch exemplarisch: zu monoton, zu monofunktional, zu einseitig auf Wohnen ausgerichtet, zu steril, zu einfallslos in der Architektur. Wie sehen Sie das?

Beide Stadtteile haben auch viele Qualitäten, die ihre Bewohner:inen schätzen und die in der öffentlichen Diskussion öfter mal untergehen. Aus den Entwicklungsgeschichten beider Stadtteile kann man aber auch lernen. Beim Riedberg wurde im Prozess beispielsweise die Anzahl der Wohneinheiten reduziert, nicht jedoch die Fläche. Ursprünglich war für den Riedberg eine fünfgeschossige, eher städtische Bebauung geplant, mit verschiedenen Zentren, mit fußläufigen Verbindungen. Weil wegen konjunktureller und politischer Bedenken die Geschosszahl reduziert wurde, ist ein anderer Charakter entstanden, geprägt durch Reihenhäuser und eine insgesamt niedrige Bebauung, Das hat sich nicht wirklich bewährt. Man hätte besser die Fläche reduziert und darauf dichter bauen sollen. Das hätte eine andere Infrastruktur bedeutet, mit mehr Nahversorgung, mit mehr Gastronomie vor Ort, einem lebendigeren Viertel.

Und beim Europaviertel?

Genau wie beim Riedberg wurde hier die Nutzung nicht konsequent und richtig gemischt. Am Riedberg wurde sie stark an bestimmten Stellen konzentriert, mit der Universität im Süden und einem Einkaufs- und Dienstleistungszentrum in der Mitte. Das alles ist von der Grundlogik nicht schlecht. Doch es wäre besser gewesen, Wohnen, Arbeiten, Nahversorgung, Ausbildung stärker zu durchmischen. Auch im Europaviertel sind die Nutzungen zu stark getrennt. Man hätte Büro und Wohnen stärker kombinieren können und müssen, man hätte die Erdgeschosse stärker öffnen können. Es war städtebaulich auch nicht glücklich, das Einkaufszentrum nach außen so stark abzuschotten. Wären die Läden auch von der Straße her zugänglich, dann hätte das dem Viertel viel besser getan.

Verspottet als Stalinallee: die Hauptachse im Europaviertel, Foto: Uwe Kammann

Heute ist die Erkenntnis allgemein verbreitet, dass eine dichte Mischung die Voraussetzung für eine lebendige Stadt ist. Das war nicht immer so, die berühmte Charta von Athen plädierte für strikte Trennungen. Wie kann man heute eine funktionierende Mischung hinbekommen, einen lebendigen Zusammenhang schaffen? Oder stehen sich Anforderungen an Wohnen, Gewerbe, Verkehr, Industrie, Freizeit immer noch oft im Wege, ist das befürchtete Störpotential zu groß?

Das bekommt man hin, wenn man es gut macht und detailliert plant. Ein Vorbild für mich ist das Werksviertel in München, neben dem dortigen Ostbahnhof. Dieses Gebiet, eine ehemalige Gewerbefläche, wird Baustein für Baustein über 15 Jahre entwickelt. Dabei wird auch der Gebäudebestand mitberücksichtigt und einbezogen. Dort hat man es sehr gut geschafft, Kultureinrichtungen, Handwerksbetriebe, Gewerbe, Wohnen, Bildung, Büros, Freizeit, Sport zu mischen und die Nutzungen gut zueinander anzuordnen. Auch gute Plätze wurden geschaffen. Dazu kommt, den Verkehr, auch den öffentlichen, gut zu organisieren. Das alles ist vorbildlich, so wollen wir es auch angehen.

Es gibt, zuletzt wieder von der CDU-Fraktion vorgebracht, die Forderung nach der Förderung von Dachausbau oder auch nach Aufstockungen, wie es in einigen Siedlungen schon geschehen ist. Es wird darin ein Potential für 10-15.000 Wohnungen gesehen: ein realistischer und sinnvoller Ansatz?

Diesen Ansatz verfolgen wir schon auch: Wir haben die Platensiedlung in Ginnheim aufgestockt, auch die Friedrich-Ebert-Siedlung im Gallus, die Adolf-Miersch-Siedlung in Niederrad. Wir sind dabei, mit Genossenschaften in Ginnheim weitere Aufstockungen zu realisieren. Das alles ist erfolgreich und zielführend.

Am Römerhof entsteht ein neues Viertel, in Zusammenarbeit mit dem Architekten Christoph Mäckler, der seit langem für die Prinzipien der Europäischen Stadt kämpft. Ist das ein Einzelfall oder ein Modell für weitere Zusammenarbeit?

Die Prinzipien, die Christoph Mäckler bzw. das von ihm geleitete Institut für Stadtbaukunst für den Römerhof mitentwickelt hat, werden in anderen Quartieren ebenfalls angewendet. Es geht unter anderem darum, dass einzelne Gebäude ablesbar sind. Das haben wir auch im Schönhof-Viertel angewendet, zwischen Bockenheim und Rödelheim. Auch dort gibt es einzelne Gebäude mit einzelnen Eingängen. Zudem hängen nicht zu viele Wohnungen an einem Treppenhaus, sondern es sind jeweils überschaubare Situationen. Zu den Charakteristika gehört, dass sich Nachbarschaften auch innerhalb der Hausgemeinschaften bilden können, dass es leichte Zugänge zu Grün gibt. Außerdem haben wir, wie beim Römerhof, auch das Thema der Nutzungsmischung berücksichtigt. So lassen sich im Erdgeschoss auch eine Eckkneipe oder ein Restaurant unterbringen, können dort Gewerbeeinheiten, Arztpraxen etc. entstehen. Von daher sind die Prinzipien der Europäischen Stadt sowohl dort als auch anderswo anwendbar.

Blick aus dem Planungsamt auf die Innenstadt, Foto: Uwe Kammann

Ist die erwähnte Zusammenarbeit mit dem Institut für Stadtbaukunst auch perspektivisch? Nehmen Sie Anregungen von außen an?

Wir arbeiten mit verschiedenen Einrichtungen zusammen. So mit dem Institut für Stadtbaukunst, oder auch intensiv mit der University for Applied Sciences und deren Fachbereich Architektur, wo es auch mit Stadtplanung in Frankfurt einen neuen Vollstudiengang gibt.

Das Modell eines Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes hat Olaf Cunitz, Ihr Vorvorgänger, auf den Weg gebracht. Das Verfahren verspricht Offenheit, setzt stark auf breite Bürgerbeteiligung. Zeitlicher Zielpunkt war 2030. Ist das in dieser Form immer noch aktuell?

 In der Tat, dieses Konzept hat Olaf Cunitz begonnen. Mike Josef hat es dann abgeschlossen, ich war als dessen Referent dafür zuständig. Es wurde 2019 verabschiedet und bildet seither die Grundlage für unsere Arbeit.  Wir haben darin Schwerpunkträume der Stadtentwicklung definiert: die Innenstadt, das Gebiet rund um die Einhausung der Autobahn 661, den neuen West-Stadtteil, den mittleren Norden mit Ginnheim, Dornbusch, Eschersheim als Raum für Nachverdichtungen, weiter den Westen mit Gewerbeschwerpunkte in Griesheim und dem Gutleuthafen als urbanes Quartier.

Die Weiterentwicklung von Stadt und Quartieren wurde schon 2015 mit dem Vorvorgänger Olaf Cunitz im DAM diskutiert, Foto: Petra Kammann

Und was sind die Hauptlinien?

Wir haben dort erreicht, dass wir die drei Leitbilder der schon erwähnten Leipzig-Charta – also die gerechte, die produktive und die grüne Stadt – in einer Strategiekarte abgebildet haben. Wir haben ganz klar definiert, wo Grün, wo Wohnen, wo Industrie und Gewerbe weiterentwickelt werden. Das ist die Grundlage für weiterführende Konzepte, für Entwicklungs- und Bebauungspläne, immer mit den Perspektiven auch für Gewerbe, auch für Industrie, auch für neue Quartiere. Derzeit überprüfen wir, was wir aus dem Auftrag des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes alles erfüllt haben. Im nächsten Schritt werden wir es fortschreiben, mit dem Blick auf 2040, 2045.

Stichwort Bürgerbeteiligung. Parallel wurde damals zur Grundlegung dieses Konzepts das neue Quartier Günthersburghöfe geplant und dabei Bürgerbeteiligung im großen Stil praktiziert, der Innenhof des Planungsamtes war gepflastert mit Modellen und gelben Wunschzetteln. Jahre später scheiterten die perfekt und überzeugend durchgeplanten Günthersburghöfe auf der Zielgraden am individuellen Widerstand, dem die Grünen im Stadtparlament nachgegeben haben, obwohl das Projekt in ihrer Regie entstanden ist. Ist das symptomatisch? Haben wir es mit einem klassischen Ergebnis von Gruppen- und Einzelegoismus zu tun?

Es gehört zur Stadtentwicklung, dass Projekte scheitern. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele. Bei manchen wird man sagen: schade; bei manchen wird man ganz froh sein, dass sie nicht kamen. Ich habe die Günthersburghöfe mitgeplant und hätte sie gerne gebaut gesehen. Aber ich verstehe auch, wenn es für Projekte keine politischen Mehrheiten gibt. Diesen Mechanismus kann man nie ausblenden. Man kann noch so viele Bürgerbeteiligungen durchführen, Konzepte und Strategien auflegen. Letztlich geht es bei jedem Projekt darum, ob es eine Mehrheit findet oder nicht.

Römerstadt – Beispiel für das Neue Frankfurt aus der Zeit von Stadtbaurat Ernst May, Foto: Petra Kammann

Haben Sie manchmal die Schlussfolgerung gezogen, lieber autokratisch entscheiden zu können, so wie einst Ernst May, der als Stadtbaurat in kürzester Zeit das Neue Frankfurt auf den Weg gebracht hat?

Nein. Das bringt uns nicht weiter, bei der Stadtentwicklung sind heute Aushandlungsprozesse relevant. Dann kann es eben solche Schleifen geben wie bei den Günthersburghöfen. Dass Projekte gestoppt werden, das ist auch nicht so schlimm, wenn man genügend andere Projekte hat. Um Reaktionsmöglichkeiten zu haben und demokratische Prozesse umfassend berücksichtigen zu können, arbeiten wir nicht nur an einem Projekt, sondern an ganz vielen. Dies alles, um Zukunftsfragen wie einen klimagerechten Stadtumbau hinzubekommen.

Derzeit gibt es auch Streit um Milieuschutzsatzungen, die eine Verdrängung bisheriger Bewohner verhindern sollen, so auch durch die Auflage lediglich moderater Modernisierungen. Kritiker bemängeln diese bremsende Vorgabe, verweisen auf das Grundziel notwendiger energetische Sanierungen. Ein nicht zu lösender Zielkonflikt?

Diesen Zielkonflikt gibt es. Die Milieuschutzsatzungen wurden alle mit der Maßgabe versehen, dass energetische Ertüchtigungen nicht zur Verdrängung führen dürfen. Dies haben alle Parteien gemeinsam verabschiedet, SPD, Union, FDP und Grüne, Volt war damals noch nicht dabei. Um den Zielkonflikt zu lösen, habe ich einen Weg eröffnet, wonach über das Modernisierungsprogramm der Stadt Frankfurt hinaus zusätzlich zu den Bundesmitteln weitere Zuschüsse möglich sind, um auch nach der energetischen Sanierung der Wohnung die ortsübliche Vergleichsmiete über 30 Jahre einzuhalten. Das Frankfurter Modell zielt darauf ab, in den Milieuschutzgebieten die dauerhafte Bezahlbarkeit der Wohnungen sicherzustellen.

Als Platz wenig geliebt: die Konstablerwache, Foto: Uwe Kammann

Auch bei der äußeren Stadtgestaltung gibt es Streitpunkte. Vor kurzem hinsichtlich einer möglichen Neubebauung am Platz der jetzigen Bethmannhöfe, schräg gegenüber der Paulskirche. Auf die einen wirkte das gewählte Modell zu mächtig, andere hingegen befürworten es. Wie stehen Sie dazu?

Die Eigentümer haben gemeinsam mit uns einen Wettbewerb durchgeführt, um zu überprüfen, welche Gebäudeform an der Stelle denkbar wäre. Die Fassaden, das war schon bei den Ergebnissen des Wettbewerbs klar, werden in dieser Form nicht realisiert werden, das gilt auch für die Struktur. Wir sind jetzt in einem Prozess mit den Eigentümern, um das Vorhaben weiter zu verfeinern.

Abgesehen von diesem Einzelfall: Wäre generell ein gesamtstädtischer Gestaltungsbeirat hilfreich, der in allen wesentlichen Punkten – von den Kubaturen und Anordnungen bis zu den Fassaden – ein wichtiges Wort mitredet? Bei einem Projekt wie der der neuen Altstadt hat sich ein solcher Beirat bewährt, so sehen es alle Beteiligten.

Ich differenziere zwischen Einzelprojekten und der Gesamtstadt. Bei der neuen Altstadt hat sich der Beirat bewährt, weil es um eine konkrete Aufgabenstellung ging. Beim geplanten neuen Nordweststadtteil haben wir ein Concilium eingerichtet. Experten, Professoren aus ganz Deutschland sollen dort Ihr Wissen, ihr Know-how zu allen spezifischen Themen einbringen, von der Immobilienentwicklung über die Stadtplanung bis zur Mobilität. Wir haben für den Gutleuthafen einen Gebietsbeirat eingerichtet. Dort werden die Menschen vor Ort eingebunden. Eine jeweils maßgeschneiderte Einrichtung von Beratungsgremien wird uns mehr bringen als ein Gestaltungsbeirat, der den Daumen hebt oder senkt. Stattdessen ist es sinnvoll, Wettbewerbe durchzuführen, was wir auch, wie vorhin beschrieben, konsequent machen, um Qualität zu sichern.

Bei der Innenstadtentwicklung gibt es mit dem Projekt „Four“ das Beispiel einer extremen Verdichtung, man kann von einer vertikalen Stadt sprechen, die sich auf engstem Raum in einem Straßengeviert auftürmt. Ist das ein Modell für weitere Projekte? Ist es sinnvoll, dies auch an anderer Stelle weiterzuführen?

Mein Ansatz ist, die Charaktereigenschaften bestimmter Bereiche der Stadt zu verstärken. Was im Bankenviertel bedeutet, durchaus noch mehr Dichte und noch mehr Hochhäuser zuzulassen. In anderen Bereichen hingegen nicht, dort geht es eher darum, die Erdgeschosszonen durch Einzelhandel zu beleben. Das „Four“ ist auch von der Mischung her ein hochinteressantes Projekt. Weil es nicht einfach ein Bürohochhaus ist, sondern es gehört Gastronomie dazu, weiter Wohnen, ein Hotel, Dachgärten, eine öffentliche Kindertagesstätte, eine Markthalle, zwei neue Stadtplätze. Das Projekt ist zukunftsweisend, weil es durch die Nutzungsvielfalt auch eine Robustheit entwickelt.

Himmelsstürmer mit Sockelgeschoss: Das Projekt „Four“ am Rossmarkt, Foto: Uwe Kammann

Gerade ist die Wettbewerbsentscheidung für ein Hochhaus im Kaiser-Karree gefallen, mit einer spektakulären Bauform – einer Art kühner Bleistift-Verankerung in einem Gründerzeit-Ensemble. Gleichwohl: Sind Hochhäuser weiter ein Non-Plus-Ultra der Frankfurter Identität? Oder macht die ökonomische Bremse den Entwicklungsplan zu einer Hochhauspromenade zu einem reinen Wunschpapier oder gar zu Makulatur? Bekommt das Leitbild Risse?

Die Skyline wird weiterhin eine wichtige Rolle spielen als Wiedererkennungsmerkmal für Frankfurt, als Sehenswürdigkeit. Das Bild der Hochhauskulisse ist ganz eng mit der Stadt verbunden. Zudem gibt es weiterhin eine große Nachfrage nach Hochhäusern, gerade in den zentralen Lagen. Unter ökomischen Gesichtspunkten ist eine gewisse räumliche Verschiebung zu konstatieren, von den peripheren zu den ganz zentralen Lagen. Hochhausstandorte sind hoch attraktiv, um Arbeitskräfte zugewinnen. Zur planerischen Idee gehört auch, diese Verschiebung zu unterstützen und die freiwerdenden peripheren Orte umzuwandeln in gemischte Strukturen, auch für Wohnzwecke.

Die Umwandlung von Büroräumen in Wohnungen wird schon seit längerer Zeit in Niederrad betrieben, das einst als reine Bürostadt konzipiert war, mit entsprechender Monotonie. Beschleunigt sich dieser Trend?

Ja. Ein weiteres Vorzeigeprojekt wird das Lurgi-Areal im Mertonviertel sein. Dort sollen 1000 Wohnungen entstehen, in der Planung sind wir dort schon relativ weit.

Manche Projekte sind ein Dauerbrenner in der Standortdiskussion, so eine große Multifunktionshalle oder die Europäische Schule. Jetzt gibt es zwei näher ins Auge gefasste Optionen, für die Halle am Stadion und für die Schule auf dem Festplatz am Ratsweg. Ist das schon nahe an der Ziellinie?

Die Multilfunktionsarena ist weit gediehen. Der Standort direkt am Stadion ist aus meiner Sicht gut geeignet. Die Arena ergänzt den in den 20er Jahren entstandenen Sportpark im Süden unserer Stadt sehr sinnvoll. Außerdem lassen sich Synergien nutzen. Bei der Europäischen Schule wird derzeit geprüft, ob sie auf dem Festplatz neben der Eisporthalle gebaut werden kann. Ich denke, dass wir bei der Standortentscheidung dort noch in diesem Jahr weiterkommen.

Identitätsstiftend für die Stadt: die Skyline, Foto: Uwe Kammann

Auch das Vorhaben Kulturcampus zieht sich hin, steckt in einer Dauerschleife, nicht zuletzt wegen massiver Differenzen zwischen Stadt und Land. Sogar eine feste Standortzusage für die Musikhochschule steht nun zur Disposition. Ist da Land in Sicht? Wird auch die Unibibliothek in die Planungen einbezogen, die – so lautete stets die Absicht – auf den Westend-Campus umziehen soll?

Beim Kulturcampus haben wir einen guten Austausch mit dem Land, ich arbeite sehr gut zusammen mit Timo Gremmels, dem Minister für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur. Er ist sehr bestrebt, das Projekt Kulturcampus voranzubringen und das zeigt erste Ergebnisse. Wir haben es geschafft, die Dondorfsche Druckerei zu erhalten, mit einer Interimsnutzung durch die Schirn. Es wird bereits umgebaut, wenn alles so weiterläuft, kann sie noch im Frühjahr eröffnet werden. Wir sind intensiv dabei, die Rahmenbedingungen für die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst festzulegen. Es liegt eine Bauvoranfrage des Landes Hessen für die Hochschule am Standort Kulturcampus vor, was zeigt, dass das Land großes Interesse daran hat, dass diese Einrichtung dorthin kommt.

Soll die Hochhausscheibe des Juridicums einbezogen werden? Das Terrain war lange Zeit als Bauplatz für die Musikhochschule vorgesehen.

Die Bauvoranfrage geht in die Richtung, dass der Bau der Hochschule mit dem Erhalt des Juridicums verbunden ist. Das prüfen wir aktuell. Flächenmäßig scheint das zu funktionieren. Was die Universitätsbibliothek betrifft: Die bleibt, so wie sie ist. Das finde ich gut, weil sie ein wichtiger kultureller Ort mitten in Bockenheim ist. Es ist sinnvoll, das Gebäude einfach weiter zu nutzen.

↑ Soll Teil des Kulturcampus werden: Bockenheimer Depot, Dondorsche Druckerei und Unibibliothel

↓ Der Erhalt des Juridicums  auf dem Terrain des Kulturcampus ist umstritten, Foto: Uwe Kammann

Beim Großthema Städtische Bühnen scheint die Standortfrage geklärt, mit einem Neubau des Schauspielhauses an der Neuen Mainzer Straße. Wie beurteilen Sie diese Vorentscheidung, an der es auch viel Kritik gibt?

Ich finde den Standort gut, weil wir damit die Idee der Hochhauspromenade und der Kulturmeile in der Innenstadt weiter stärken. Als Ergänzung zum Museumsufer soll ein kulturelles Cluster entstehen, in einer Linie von der Alten Oper bis zum dann neuen Opernhaus am Willy-Brandt-Platz. Dazwischen wird das Schauspielhaus liegen, in den Hochhäusern wird man verschiedene kulturelle Nutzungen finden. Der ganze Bereich wird auch durch das Projekt Four noch einmal eine wesentliche Änderung erfahren, so durch ganz neue Wegebeziehungen zwischen Rathenauplatz, Fressgass, Goethestraße. Und durch den neuen Standort des Schauspielhauses wird die Wallanlage mit der Innenstadt und dem Bankenbezirk viel besser verzahnt.

Die Neue Mainzer Straße wird in der Regel als unwirtlich und abweisend empfunden. Der externe Stadtplaner Torsten Becker hat gleich am Anfang der Kulturmeilen-Idee propagiert, sie in eine Fußgängerzone umzuwandeln. Ist das überzeugend?

Sie wird immer auch eine Verkehrsfunktion haben. Ich sehe bei den Häusern entlang der Straße aber schon die Möglichkeiten einer deutlichen Verbesserung, speziell bei den Erdgeschossen und Sockelbereichen und dem öffentlichen Raum. Wenn dort mehr Leben einziehen kann, dann wird das der Neue Mainzer Straße guttun. Die Idee im Hochhausentwicklungsplan ist gleichzeitig, dass sich die Eingänge der Häuser künftig auch zur Wallanlage orientieren, dass auch Plätze zur Wallanlage angeordnet werden können.

Der Stadtsparkassenbau an der Neuen Mainzer Straße soll dem neuen Schauspielhaus weichen, Foto: Uwe Kammann

Ein von allen Seiten heftig kritisierter Punkt des Frankfurt-Status und der Stadtentwicklung: das Bahnhofsviertel. Was kann die Stadtplanung dort ausrichten? Oder ist das Sozialdezernat Dreh- und Angelpunkt für die Zukunft des Viertels?

Das ist eine fachübergreifende Aufgabe, an der wir uns beteiligen, im Zusammenschluss mit dem Sozialdezernat, dem Baudezernat, dem Ordnungsdezernat u.a., unter der Federführung des Oberbürgermeisters. Wir bringen uns zum Beispiel ein, indem wir einen Verfügungsfonds aufgelegt haben, der kleine Projekte und Maßnahmen finanziell unterstützt. Dafür kann man sich als Verein, als Gastronom, als Bürger bewerben. Es geht um bessere Nachbarschaft, eine Belebung der Erdgeschosse, auch um Veranstaltungen. Das Viertel hat viele Potenziale, aber die Stadtplanung kann dort nur gemeinsam mit allen Beteiligten etwas bewirken.

Heftige Kritik gilt seit jeher der Platzgestaltung. Beim Goetheplatz soll es jetzt in einem ersten Schritt augen- und klimafreundlicher zugehen. Wie sieht es aus bei Hauptwache und Konstabler Wache, den Dauerbrennern der abfälligen Bemerkungen? Praktisch kritisiert wird auch eine jetzige Planungssumme von bald 200.000 Euro, um Bürgermeinungen zur Gestaltung der Hauptwache einzuholen, und dies, obwohl ein realer Baubeginn für den Platz noch in weiter Ferne liegt, die Rede ist von zehn Jahren.

Der Ausgangspunkt ist: Die Hauptwache kann nicht in zwei Jahren fertig sein, weil parallel unterirdische Baumaßnahmen durchgeführt werden, um das Verkehrsbauwerk Hauptwache technisch zu erneuern. Während dieser gut zehn Jahre laufenden Baumaßnahme können wir auf der Platzoberfläche immer wieder etwas verändern oder verbessern. Es wird ein mehrjähriger Prozess sein. Erst nach der technischen Erneuerung unter der Erde kann darüber die endgültige Platzgestaltung erfolgen.

In 10 Jahren soll die Hauptwache auch oberirdisch neu gestaltet werden, Foto: Uwe Kammann

Sie vertrauen also auf Bürgerumfragen, obwohl die Erfahrung zeigt, dass dann tausend verschiedene und auch gegenläufige Wünsche zustande kommen? Entscheiden müssen aber doch die Verantwortlichen, letztlich Sie.

Sicher, ich entscheide ja auch. Doch finde ich es sinnvoll, nach den Wünschen zu fragen. Ich sehe darin auch eine Chance, Dinge auszuprobieren und zu testen und eben auch zu klären, wie die Wünsche an unsere Plätze aussehen. Die Kritik lautet oft, dass wir einen Platz vorgeben, der am Ende nicht angenommen wird. Von daher ist es doch klug zu fragen, was wir als Stadt tun müssen, damit ein Platz angenommen wird. Der Goetheplatz ist dafür ein prominentes Beispiel: Seine Gestaltung wurde einfach von vielen nicht angenommen.

Der Goetheplatz wird umgestaltet: mehr Grün für den Dichter, Foto: Uwe Kammann

In unserem Interview vor sieben Jahren räumte ihr Vorgänger Mike Josef ein, dass es auch Differenzen zwischen den Dezernaten gebe. In Frankfurt haben inzwischen viele den Eindruck: Absolut dominant bei allen Entscheidungen ist das Mobilitätsdezernat, das die Stadt erheblich verwandelt, funktional und visuell. Wie steht es um die Zusammenarbeit und die Abstimmung ihrer beiden Dezernate?

Wir stimmen uns eng ab und bringen gemeinsam Projekte voran. Die Umgestaltung von Plätzen ist immer eine Gemeinschaftsaufgabe. Die Aufgabenteilung sieht so aus, dass wir hier im Planungsamt die Pläne erarbeiten, die dann in der Regel mit dem Verkehrsdezernat und dem Umweltdezernat umgesetzt werden. Der Goetheplatz ist ein gutes Beispiel für eine im Team erarbeitete Planung unter Beteiligung unseres Stadtplanungsamtes, des Mobilitätsdezernats, des Grünflächenamts, des Amtes für Straßenbau und Erschließung. Die so erarbeiteten Pläne wurden danach von uns weiter verfeinert und schließlich eingebracht. Die Umsetzung wird jetzt koordiniert durch das Amt für Straßenbau und Erschließung und das Grünflächenamt. Eine enge und gute Zusammenarbeit ist in allen Bereichen unerlässlich.

Der Mainkai: Manche wollen diese wichtige Ost-West-Verbindung kappen, Foto: Uwe Kammann

Teilen Sie denn alle Ziele und Wege der Verkehrsplanung? So wäre die vom Verkehrsdezernat beabsichtigte Sperrung des Mainkais ein erheblicher Einschnitt in die Funktionsfähigkeit und die Raumgestaltung der Stadt. Ist das für Sie schon abgeschlossen?

Das Vorhaben ist ein Prozess. Ich sehe darin ein großes Potential, die Innenstadt besser mit dem Main zu verbinden, auch Chancen für den Flussraum insgesamt. Denn es gibt dort ja den historischen Hafen, vor dem Historischen Museum, direkt neben dem Eisernen Steg. Das wird immer ausgeblendet. Dabei kann das ein Ort mit einer sehr hohen Qualität werden. In der Koalition ist vereinbart, ein Konzept für eine solche Umgestaltung zu erarbeiten – immer im Kontext einer Gesamtidee, wie der Verkehr dort organisiert werden kann. Sobald die Ergebnisse vorliegen, können wir sie präsentieren.

Zu den weiteren Lieblingsvisionen des Verkehrsdezernats gehört die Entwicklung von Superblocks, mit vom Autoverkehr weitgehend abgeschirmten Vierteln. Teilen Sie diese Vision?

Ich habe den Auftrag bekommen, in Bockenheim einen darauf zielenden Antrag des dortigen Ortsbeirats zu prüfen. Auch hier gibt es einen Konflikt zwischen unterschiedlichen Interessen, die austariert werden müssen. Zu fragen ist, welche Bereiche sich dafür eignen, den Autoverkehr zu vermindern, um mehr Aufenthaltsqualität hinzubekommen. Derzeit erarbeiten wir für Bockenheim ein Konzept, auch unter Beteiligung beispielsweise der Einzelhändler und Gastronomen. Wenn es gute Antworten hinsichtlich eines Superblocks gibt, dann kann ich mir gut vorstellen, das auch umzusetzen. Wenn nicht, dann ist prüfen, was in anderer Form verändert oder verbessert werden kann.

Soll ein Superblock-Konzept bei Neuplanungen schon die Grundlage sein?

In neuen Stadtteilen greifen wir die Idee von Superblocks auf. Weil es sich um ein neues Baugebiet handelt, haben wir natürlich andere Möglichkeiten, die Verkehre dort gut zu organisieren. Ganz losgelöst von der Debatte um Superblocks halte ich den Ansatz für sinnvoll, Konzepte für die Mobilität und den Nahverkehr zu erarbeiten und zu erstellen. So wie etwa für Höchst, wo ein Nahverkehr-Mobilitätskonzept verschiedene Ziele verbinden soll: so die Organisation des Verkehrs, Aufenthaltsqualität, Erreichbarkeit der Geschäfte. Auf Grundlage einer Analyse ist dann gemeinsam mit dem Ortsbeirat ein Konzept umzusetzen. Wenn wir neue Wege gehen, dann ist es mir wichtig, dies gemeinsam mit dem Ortsbeirat zu tun.

Befürworter von den Autoverkehr weitgehend ausschließenden Konzepten verweisen gerne auf Barcelona als Vorreiter und Vorbild. Ist auch für Sie Barcelona das leuchtende Lehrbeispiel für Stadtentwicklung? Wo finden sie sonst Anregungen für attraktive zeitgenössische Stadtplanung, speziell in Europa?

Ja, ich schaue mir natürlich auch andere Städte wie Barcelona an, um Anregungen für Frankfurt zu bekommen.

Andere Städte, die Sie auf der Suche nach Planungsbeispielen bereist haben?

Amsterdam, Berlin, Palermo, Marseille, Bordeaux, Nizza – dort beispielsweise gibt es eine phantastische Entwicklung, wobei in bestimmten Bereichen sehr viel umgebaut und erneuert wurde. Auch Wien ist sehr interessant, vor allem wegen des Themas langfristig bezahlbaren Wohnraums. In Paris ist faszinierend, wie dort gerade unter Klimaaspekten die dortigen Quartiere umgestaltet wurden.

Paris ist natürlich ein anderes Kaliber mit 20.000 Einwohnern pro Quadratkilometer, während die Dichte in Frankfurt mit 3.000 viel geringer ist. Trotz ganz anderer Dimensionen: Träumen Sie manchmal davon, als Baron Haussmann aufzuwachen und mit seiner Machtfülle Frankfurt umzukrempeln, so wie er es damals mit Paris gemacht hat?

Nein, nein, davon träume ich nicht.

Blick auf den Alten Hafen von Marseille, Foto: Petra Kammann

Nehmen wir an, Frankfurt wäre auf einmal von der Bildfläche verschwunden: In welcher Stadt würden Sie dann gerne leben: vielleicht in New York, Florenz, Regensburg, Kopenhagen, Dortmund, Tokio – oder auch Dubai?

Eine schwierige Frage. Natürlich möchte ich gerne in Frankfurt bleiben, weil es eine sehr lebenswerte Stadt ist. Wenn es aber aus bestimmten Gründen nicht mehr möglich wäre, dann fände ich Marseille sehr interessant. Es ist eine Stadt im Wandel, auch eine Wirtschaftsmetropole, dazu sehr quirlig. Auch die Lage am Mittelmeer ist natürlich eine besondere Qualität. Insofern: Ein Leben dort könnte ich mir auch gut vorstellen.

 

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