Elisabeth-Norgall-Preis 2025 an die asiatische Amerikanerin Chien-Chi-Huang, eine Brückenbauerin zwischen verschiedenen Kulturen und Gesundheitssystemen
Katastrophe Krebs? Gegenseitiges Mutmachen hilft
Von Petra Kammann
Der alljährliche Höhepunkt des Clubjahres im International Women’s Club (IWC) ist die Verleihung des Elisabeth-Norgall-Preises, der in Erinnerung an die Frankfurter Clubgründerin jeweils einer Frau verliehen wird, die sich in besonderer Weise für die Belange und Probleme von Frauen einsetzt. In diesem Jahr wurde die in USA lebende Taiwanesin Chien-Chi Huang ausgezeichnet, die 2010 das „Asian Breast Cancer (ABC) Project“ gründete, um asiatische Frauen in ihrer Krebstherapie zu unterstützen. 2012 folgte die gemeinnützige Organisation „Asian Women for Health” (AWFH), die sich der Förderung von Gesundheit und des Wohlergehens asiatischer Frauen und Menschen aus unterschiedlichen unterrepräsentierten Gruppen durch gesellschaftliches Engagement, Bildung und Vertretung von deren Interessen verschrieben hat. Seitdem ist viel passiert und immer noch viel zu tun…
Norgall-Preisträgerin Chien-Chi Huang mit Laudatorin Yun Kirsten, Foto: Petra Kammann
Die Zeit brennt, wenn eine Diagnose wie Krebs festgestellt wird. Frauen aller Länder, vereinigt Euch, denn Ihr seid gleichermaßen betroffen! Berührend persönlich fiel daher wohl auch das Bekenntnis der diesjährigen Norgall-Preisträgerin Chien-Chi-Huang aus, als sie in freier Rede vor die Frauen trat, die der International Women’s Club in den Frankfurter Hof zur Preisverleihung gebeten hatte, und wo sie von ihrer eigenen ganz persönlichen Geschichte und Erfahrung berichtete. Am Geburtstag ihres Kindes – eine Kinderparty fand statt– , musste sich die erfolgreiche PR-Frau aus Taiwan, die zunächst Literatur und Englisch studiert und in Boston ihren Master in Mass Communication gemacht hatte, sich kahlköpfig zeigen, denn kurz zuvor hatte sie die Diagnose erhalten, dass sie einen bösartigen Brustkrebs, den sogenannten „Triple Negative Breast Cancer“ (TNBC) habe. Eine außerordentlich aggressive und schwer zu therapierende Form des triple-negativen Brustkrebses, der gerade bei jungen Frauen häufiger auftritt.
Chien-Chi-Huang agierte mit ihrer Diagnose stellvertretend für die anderen Frauen als „Modell“, Foto: Petra Kammann
Das war prägend für eine fundamentale Wende in ihrem bislang so erfolgreichen 4o-jährigen Lebensweg. Trotz ihrer großen Angst vor Stigmatisierung und Isolation suchte sie die Flucht nach vorn. So erfuhr sie, dass mehrere asiatische Frauen, die sie kannte, ebenfalls an Brustkrebs erkrankt waren, aber aus Scham und Angst vor Diskriminierung leidvolles Stillschweigen darüber bewahrten. Frauen möchten nämlich ihrer Familie nicht zur Last fallen. Unterstützung erfahren sie dabei nicht. Dazu kommt noch die Scheu, mit Ärzten über medizinische Themen des weiblichen Körpers zu sprechen. Inmitten der erschütternden Diagnose hatte Chien-Chi nur noch eines im Sinn: Sie wollte den Krebs besiegen, um für ihre Kinder dazu sein.
Sie begriff, dass asiatische Frauen, die in der Regel eher ruhig und zurückhaltend seien, oft erst ärztliche Hilfe suchten, wenn die Krankheit bereits fortgeschritten sei, was zu verspäteten Diagnosen führe und die Durchführung der präventiven Maßnahmen erschwere. Es liege wohl am kulturellen Hintergrund, dass die Menschen trotz ihrer Beschwerden erst dann einen Arzt aufsuchten, wenn die Situation todernst sei. Und von Sprachbarrieren einmal abgesehen, fällt es etlichen Frauen schon im Alltag einfach schwer, über die eigenen gesundheitlichen Probleme zu sprechen. So beschreibt es Yun Kruse.
Preisverleihung im Frankfurter Hof, v.li.: Stadträtin Tina Zapf-Rodriguez, Preisträgerin Chien-Chi-Huang und die Vorsitzende des Norgall-Ausschusses Yun Kruse, Foto: Petra Kammann
Auch Tina Zapf-Rodriquez, die neue Frauenreferentin der Stadt Frankfurt, Nachfolgerin von Rosemarie Heilig, machte sich in ihrer bewegenden Begrüßungsrede das Thema der Preisträgerin zu eigen, brachte es auf den Punkt und eröffnete einen Fächer von Fragen und Überlegungen, die von heute auf morgen gelöst werden müssen: „Krebs. Welche Gefühle löst dieses Wort bei Ihnen aus? Bei mir sind es Angst, Unsicherheit, Trauer, Wut. Ich würde da nicht anders reagieren als Hunderttausende von Frauen, die weltweit in dieser Situation sind. Die Diagnose reißt einen aus dem gewohnten Alltag raus. Es stellt sich die Frage nach Behandlungsmöglichkeiten und Heilungschancen, zu Nebenwirkungen und Folgen und wie es im Beruf, in der Partnerschaft und Familie und in den sonstigen Bezügen weitergehen kann. Inmitten dieser unübersichtlichen Situation muss man wichtige Entscheidungen treffen. Die Zeit rennt. Auch Angehörige, Freund:innen, Kolleg:innen sind von Sorgen und Ängsten betroffen und unsicher, wie sie mit einem umgehen sollen. Und sicher ist man auch oft nicht gut auszuhalten.“
Und ihr Appell lautete: „Gesundheit ist ein Menschenrecht“. Ähnlich muss es wohl auch die diesjährige Preisträgerin Chien-Chi-Huang empfunden haben. Das beschrieb auch ihre chinesische Laudatorin und stellvertretende IWC-Präsidentin Yun Kruse , die seit etlichen Jahren in Deutschland lebt. Daher habe Chien-Chi-Huang sich, sobald sie wieder genesen war, intensiv mit ihrer eigenen Geschichte auseinandergesetzt, um mithilfe ihrer gemachten Erfahrungen auch anderen Frauen helfen zu können, die ähnlichen Herausforderungen ausgesetzt sind, wie sie es war.
Also rekapitulierte die einstige Englisch- und Literaturstudentin Chien-Chi Hua ihren bisherigen Lebensweg. Die Tochter eines Arztes aus Taipeh in Taiwan war nämlich 1989 im Wendejahr hoffnungsfroh in die USA gezogen, um in Boston ein Masterstudium in Massenkommunikation zu absolvieren, was sie wegen der Sprachbarrieren und kulturellen Unterschiede erst einmal vor gewaltige Herausforderungen gestellt habe. Doch sei Chien-Chi Huang schon immer eine Kämpferin gewesen, die sich an das neue Leben in einer anderen Kultur angepasst habe, so Kruse.
Dank ihrer späteren PR-Arbeit für eine Health Care-Gruppe wusste sie inzwischen, dass „der Weg nur durch die Ausbildung qualifizierter Helfer zu einer effektiven Unterstützung führen konnte. Helferinnen und Helfer, die die Sprache sprechen, die Kultur verstehen und über die nötigen medizinischen Kenntnisse verfügen. Sie wollte nicht nur ein individuelles Netzwerk schaffen, sondern ein nachhaltiges System von Unterstützung aufbauen. Unter ihrer Leitung entwickelte sich Asian Women for Health von einer kleinen Organisation mit einer Teilzeitkraft zu einer Organisation mit sieben Vollzeitmitarbeitenden“, kommentierte es auch Yun Kruse. Für ein ehrenamtliches Engagement eine enorme Leistung!
Passt! IWC-Präsidentin Sabine Schmitt hatte, inspiriert durch die Clubgründerin Elisabeth Norgall, das Thema „Innovationen“ als Schwerpunkt für die Gestaltung des Clubjahres gewählt, Foto: Petra Kammann
Aufgrund der Erfahrungen ihrer persönlichen Krankheitsgeschichte rief Chien-Chi Huang dann 2010 das „Asian Breast Cancer (ABC) Project“ ins Leben, wo asiatische Frauen organisatorische und psychologische Unterstützung während ihrer anstrengenden und teilweise als traumatisch empfundenen Krebstherapie bekommen, nicht zuletzt auch finanzielle. Und schon zwei Jahre später gründete die tatkräftige Huang eine weitere gemeinnützige Organisation, die „Asian Women for Health” (AWFH), die sie bis 2033 als Geschäftsführerin mit insgesamt neun angestellten Frauen leitete.
Schon in dem Video über „Asian Women for Health“, das während der Preisverleihung vorgeführt wurde, konnte man das große Interesse der betroffenen Frauen aus den verschiedensten Generationen ablesen. Es war gewaltig.
https://www.youtube.com/watch?v=JhyzmiQg4V4
Denn die AWFH hat sich mit ihrem gesellschaftlichen Engagement nicht nur der Förderung von Gesundheit, z.B. durch vorbeugende Mammographien und dem Wohlergehen asiatischer Frauen und Menschen aus unterschiedlichsten Gruppen gewidmet. Sie hat sich auch deren Interessen verschrieben, um gezielt die Situation durch Workshops und Seminare einer kulturell adäquaten Gesundheitsbildung zu vermitteln, wo Frauen sich kennen lernen und ein eigenes Netzwerk aufbauen können. Dort werden gleichzeitig auch sprachliche Barrieren abgebaut, was insbesondere für die asiatischen Frauen wichtig war, die sich vorher nicht über ihre Lage zu äußern trauten.
In ihrem neuesten Projekt „Community Health Worker Training Program” werden Communitiy Health Workers (CHWs) speziell ausgebildet, um vor allem bei sprachlich und kulturell bedingten Problemen Unterstützung zu leisten und ihre Gesundheitskompetenz innerhalb der Immigrantengemeinschaft insgesamt zu verbessern. Und derzeit ist sie dabei, entsprechende Apps für jedermann, d.h. für jede Frau zu entwickeln. „Chien-Chi Huang hat es geschafft, ihre persönlichen Erfahrungen in eine Kraft zu verwandeln, die vielen anderen Frauen und deren Familien in der asiatischen Gemeinschaft geholfen hat. Als Gründerin und ehemalige Geschäftsführerin von Asian Women for Health fungierte sie als Brückenbauerin zwischen verschiedenen Kulturen und Gesundheitssystemen. Ihre Arbeit ist ein leuchtendes Beispiel für die Bedeutung von Einsatzbereitschaft, Zielstrebigkeit, Empathie und Innovation. Mit der Verleihung des Elisabeth Norgall Preises ehren wir heute Frau Chien-Chi Huang, die mit ihrem Engagement und ihrer Arbeit das Leben vieler anderen Frauen verbessert hat“, lobte Yun Kruse die Preisträgerin und gab ihr aus Solidarität auch noch Wünsche auf Chinesisch mit auf den Weg.
Der Flötist Chen Guo-Hua, Förderer chinesischer Musik und Kultur, überzeugte mit dem Spiel seiner Bambusflöte, Foto: Petra Kammann
Schlicht und melodiös klangen passend vor, zwischen und nach den Speeches dann auch die teils zart gehauchten und bisweilen auch aufbegehrenden Töne der traditionellen Bambusflöte des Flötisten Chen Guo-Hua. Sie schafften – der unmittelbaren menschlichen Stimme nah – etwas Verbindliches und führten zu angeregten Gesprächen an den runden Tischen.
Eigentlich bekomme Chien-Chi Huang inzwischen jedes Jahr einen Preis verliehen, aber der Norgall-Preis sei ihr erster internationaler Preis, sagt die mutmachende optimistische Preisträgerin lachend. Dann kann man nur hoffen, dass die Formulierung der Frankfurter Frauendezernentin Tina Zapf-Rodriguez :„Gesundheit ist ein Menschenrecht“ weitere Früchte tragen möge.