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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Doktor und Apotheker“ – Ein Singspiel von Carl Ditters von Dittersdorf

Zwei Alpha-Männer im Streitduett – emanzipiatorische Frauen

Von Renate Feyerbacher

Am Weltfrauentag, dem 8. März, hatte das spritzige, witzige, musikalisch anspruchsvolle Singspiel, 1786 in Wien uraufgeführt, im Bockenheimer Depot Premiere.

Lubov Karetnikova (Rosalie), Elizabeth Reiter (Leonore), Kelsey Lauritano (Claudia), Bozidar Smiljanic (Apotheker Stößel) und Peter Marsh (Hauptmann Sturmwald), Foto: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt, Foto: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt

Der Komponist Carl Ditters von Dittersdorf  (1739-1799), älter als Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) und ihn überlebend, war damals erfolgreicher als Mozart. Dieser geriet aber nicht in Vergessenheit, wohl aber Dittersdorf. Daher ist sein Singspiel eine schöne Wiederentdeckung. Dittersdorf wurde im Gegensatz zu Mozart vom Adel, der ihn auch adelte, gefördert. Er komponierte schnell – etwa 120 Sinfonien, 40 Singspiele und Opern – und er war ein ausgezeichneter Geiger.

Viele Verwechslungen, Verkleidungen wie in der Commedia dell’arte waren für den Textdichter Johann Gottlieb Stephanie d.J. (1741-1800), der zunächst Soldat war, dann Schauspieler und Schauspieldirektor wurde, wichtig. Er schrieb übrigens auch die Libretti für Mozarts Die Entführung aus dem Serail und Der Schauspieldirektor. Er war ein Viel-Schreiber.

Die Geschichte: Ihre Tochter Leonore soll nach dem Willen von Apotheker Stössel und seiner Frau Claudia den vermögenden, aber invaliden, viel Wein beziehungsweise Apfelwein trinkenden Sturmwald heiraten. Die Hochzeit soll bereits am nächsten Tag sein. Leonore weigert sich, weil sie Gotthold, den Sohn von Doktor Krautmann, liebt. Gotthold ist mit Sichel befreundet. Die beiden treffen sich zufällig auf der Straße, als Sichel zu Rosalie, der Nichte des Apothekers, die er heiraten möchte, eilt. Rosalie bittet ihren Liebhaber, den pfiffigeren Sichel, sie und Leonore zu entführen. Sturmwald beobachtet die beiden Liebhaber, als sie in das Haus des Apothekers einsteigen. Stössel und Sturmwald sind betrunken, vermuten Diebe im Haus. Sturmwald will Wache halten, schläft aber ein. Vor allem Leonore wird von ihrer Mutter drangsaliert.

Im zweiten Akt kommt der Auftritt von Doktor Krautmann: „Ein Doktor ist, bei meiner Ehr, der größte Mann im Staate!“ Er lehnt die Behandlung eines Patienten ab, den der Kurpfuscher Stössel, wie der Doktor ihn nennt, behandelt hatte und dann zu ihm schickte. Nachdem der Patient gestorben ist, will Krautmann den Apotheker anzeigen. Stössel will ihn wegen der geplanten Entführung anzeigen. Das Duett der Alpha-Männer: „Sie sind ein Scharlatan, ein Ignorant!“ (2.Akt), die sich gegenseitig beschimpfen, ist ein stimmlich-musikalischer Höhepunkt vor dem Finale.

Apothekerfrau Claudia, die zunächst die Heirat von Leonore und Sturmwald akzeptierte, macht eine Kehrtwende. Sie hat begriffen, dass Frauen in Zukunft selbst bestimmen sollten. Ein friedliches Ende.

von links: Thomas Faulkner, Ute M. Engelhardt, Kaspar Glarner, Jan Hartmann, Bodzidar Smiljanic, Alden Gatt. 

Unter der Regie von Ute M. Engelhardt und ihrem Team Kaspar Glarner, Jan Hartmann und Jorge Cousineau ist eine spritzige, intelligente Inszenierung gelungen, die vom Publikum gefeiert wurde. Ute M. Engelhardt ist seit 2013 freischaffende Regisseurin, studierte Musiktheaterregie in Wien, schuf mehrere Produktionen an deutschen Theatern unter anderem in Frankfurt: Das schlaue Füchslein (2013).  Dafür erhielt sie den renommierten Götz-Friedrich Preis. Am Stadttheater Gießen war sie öfters engagiert. Zuletzt hatte sie dort die deutsche Erstaufführung von Ich, ich, ich! –   Je suis narcissiste der mehrfach ausgezeichneten spanischen Komponistin Raquel Garcia-Tomás inszeniert.

Das Magazin Die Deutsche Bühne spricht von einer „wahnsinnigen Inszenierung“. Ab der nächsten Spielzeit wird sie künstlerische Leiterin am Stadttheater Gießen sein.

Gerade bei einer Komödie sei es wichtig, wenn Sängerinnen und Sänger den Charakter der Figur besonders ernst nähmen, nur dann werde es komisch werden, so Ute M. Engelhardt im Gespräch. Sie hat am Text mit Dramaturgin Deborah Einspieler gearbeitet und Anleihen aus dem Libretto Die Entführung aus dem Serail genommen und Frankfurterisches reingebracht. Bühnenbildner und Kostümentwerfer Kaspar Glarner empfahl ihr Leichtigkeit fürs Bühnenbild – das heißt papierne Bühnenbilder, die Illusion zauberten, die von Jorge Cousineaus Videos unterstützt werden.

Wieder eine wahre sängerische Leistung von allen Ensemblemitgliedern: Bassbariton Bozidar Smiljanic, eine tolle Stimme und verrücktes Spiel, ebenso die Bass-Stimme seines Kontrahenten Thomas Faulkner als Doktor Krautmann. Grandiose Streithähne. Das langjährige Ensemblemitglied Tenor Peter Marsh, der in Le grand Macabre brillierte, singt und mimt Sturmwald mit voller Energie.

Peter Marsh am Premierenabend, Foto:Renate Feyerbacher

Michael Porter ist der zaghafte, mit klarer Tenor-Stimme singende Sohn von Dr. Krautmann, auch eine Instanz an der Oper Frankfurt, der in vielen Produktionen zu hören war und ist, zum Beispiel hervorragend als Tamino oder in der Oper Blühen. Zusammen mit seinem Freund Sichel, locker und überzeugend präsentiert vom amerikanischen weltweit agierenden Tenor Andrew Bidlack, sind sie ein pfiffiges Freundes-Paar. Last but not least in der männlichen Sängerriege Sakhiwe Mkosana (Opernstudio), der südafrikanische Bariton als Polizeikommissar. Zwar nur kurz, aber prägnant.

v.l.n.r.: Lubov Karetnikova (Rosalie), Andrew Bidlack (Sichel), Elizabeth Reiter (Leonore), Michael Porter (Gotthold), Kelsey v.l.n.r.:Lauritano (Claudia), Bozidar Smiljanic (Apotheker Stößel) und Thomas Faulkner (Doktor Krautmann), Foto: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt

Und was für mental und stimmlich-schauspielerisch starke Frauen: Elizabeth Reiter als Leonore. Herrlich klettert ihr Sopran in die Höhe, Mezzosopranistin Kelsey Lauritano als Claudia, Frau des Apothekers und Mutter von Leonore, auch wieder großartig wie als Cherubino in Le nozze di Figaro.

v.l.n.r.: Bozidar Smiljanic (Apotheker Stößel), Kelsey Lauritano (Claudia) und Peter Marsh (Hauptmann Sturmwald), Foto: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt

Rosalie, gesungen und dargestellt von der in den USA geborenen, in Lettland aufgewaschenen Sopranistin Lubov Karetnikova mit ukrainischen Wurzeln, studierte am Mozarteum in Salzburg. Eine Kosmopolitin, die derzeit an mehreren Theatern in Europa und Deutschland auf der Bühne steht. Im Bockenheimer Depot gab sie ihr Debüt und wurde begeistert aufgenommen.

Wieder zu loben ist das Frankfurter Opern- und Museumsorchester, das in der Premiere meisterhaft von Alden Gatt geleitet wurde. Gatt war an vielen Opernhäusern als Dirigent, Repetitor und Coach beschäftigt. An der Oper Frankfurt ist er als Kapellmeister und Assistent des Generaldirektors Thomas Guggeis tätig.

Alden Gatt, Foto: Renate Feyerbacher 

Weitere Aufführungen wird auch Lukas Rommelspacher dirigieren.

Ein Opernabend, der nach zwei Stunden ein vergnüglich-ergötztes Publikum aus dem Bockenheimer Depot entließ.

Großer Schlussbeifall, Foto: Renate Feyerbacher

 

Weitere Aufführungen:

am 15.,19., 21. und 24. März

Trailer:

es gibt einen Trailer bei YouTube Video

Karten-Verkauf online:

oper-frankfurt.de/tickets

Telefonischer Vorverkauf:

069 – 212-49494

 

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