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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Isa Genzkens „Pink Rose“ im Liebieghaus

Ausgereift und hoch geschossen

Von Walter H. Krämer

„Isa Genzken meets Liebieghaus“ ist nach „Jeff Koons. The Sculptor“ (2012) und „William Kentridge. O Sentimental Machine“ (2018), die dritte Intervention zeitgenössischer Kunst in der Liebieghaus Skulpturensammlung noch bis zum 31. August 2025 zu sehen. Das Museum präsentiert Werke von Isa Genzken (*1948) inmitten seiner 5.000 Jahre alten Skulpturensammlung. Mit insgesamt 18 Arbeiten ist Genzken in dieser Ausstellung vertreten. Eine Ausstellung, die Sie unbedingt besuchen sollten. Und doch interessiert mich hier nur ein einziges Werk: die „Pink Rose“ (2016/2023). Isa Genzken ließ sich vermutlich von Joseph Beuys‘ „Rose für Direkte Demokratie“ inspirieren.

Genzkens „Pink Rose“, Foto: Walter H. Krämer

Im Skulpturengarten des Liebieghauses ragt die Rose mit 8 Metern Höhe in den Frankfurter Himmel, auch nachts. Die farbige Stahl-Aluminium- Skulptur als solche wurde erstmals in den 1990er Jahren für eine ortsspezifische Auftragsarbeit realisiert. Während die Rose als Symbol der Schönheit und als Geschenk meist positiv emotional besetzt ist, strahlt Genzkens monumentale Arbeit eine fast bedrohliche Präsenz aus. Hinter dem eisernen Gitterzaun inmitten von Bäumen ist sie installiert und lässt den Betrachter staunen. Ihre Größe lässt sowohl die Umgebung, die dauerhaft im Garten ausgestellten Skulpturen, als auch die Betrachter*innen klein erscheinen.

Diese „Pink Rose“ aus der limitierten 4. Edition verkörpert jedenfalls die ausgereifteste Form dieser Skulptur. Ein Glücksfall machte das Liebieghaus auf den privaten Sammler aufmerksam, der gerade dabei war, diese Rose in seinen Garten einzupflanzen. Nach Rücksprache überließ er sie dann aber dem Liebieghaus – sodass sie noch bis zum 31. August 2025 unwiderruflich im Garten des Liebieghauses bestaunt werden kann.

Diese Arbeit von Isa Genzken ist offensichtlich eine Hommage an die Arbeit von Joseph Beuys „Eine Rose für direkte Demokratie“. Den Künstler hat sie vermutlich noch während ihrer Studienzeit in Düsseldorf kennengelernt wie auch dessen damaligen Verleger Klaus Staeck.

1973 – Messzylinder aus Glas, mit Schriftzug, 33,5 cm x 5 cm im Durchmesser, Herausgeber: Edition Staeck, Heidelberg

Diesen Messzylinder kann man noch heute kaufen und hat somit die Rose gekauft, die man allerdings jeden Tag aufs Neue da hineinstellen muss.

Auf der documenta 5 in Kassel hatte Beuys 1972 für die gesamte Dauer der Ausstellung – 100 Tage also – sein „Büro für direkte Demokratie durch Volksabstimmung“ eingerichtet, wo er mit Besuchern über seine Ideen diskutierte, wie die Gesellschaft durch kreatives Handeln verändert werden könnte. Bei allem revolutionären Impetus, den seine Konzepte hatten, distanzierte er sich dabei nachdrücklich von Gruppierungen wie der RAF („Rote-Armee-Fraktion“) in West-Deutschland oder von den „Roten Brigaden“ („Brigade Rosse“) in Italien, die ihren Anspruch auf gesellschaftliche Veränderung mit gewalttätigen Mitteln durchzusetzen versuchten.

Demgegenüber setzte sich Beuys für einen friedlichen Weg ein, über den der gesellschaftliche Fortschritt als Entwicklungsprozess verlaufen solle. Dass er die Gewalt der RAF ablehnte, machte Beuys auf der documenta 5 in einer Installation mit zwei Schildern deutlich, die den Text trugen: „Dürer, ich führe persönlich Baader + Meinhof durch die documenta 5“. Wie er später ausführte, zielte diese Arbeit darauf ab,  Andreas Baader und Ulrike Meinhof, den Köpfen der RAF, ein weiter gefasstes Konzept von Freiheit nahezubringen.

Auf dem Schreibtisch in Beuys’ Kasseler Büro für direkte Demokratie durch Volksabstimmung stand eine schmale Glasvase mit einer Rose, die jeden Tag ersetzt wurde. Auf diesem Arrangement basiert das Multiple Rose für Direkte Demokratie, nur, dass die Vase hier aus einem Messzylinder aus Glas bestand, auf den der Titel der Arbeit geschrieben ist. Wie eine Spirale windet er sich nach oben und verweist damit nicht nur auf das Wachstum der Pflanze, sondern führt auch den evolutionären Aspekt vor Augen, den Beuys mit den angestrebten gesellschaftlichen Prozessen verband.

Insbesondere die Rosenblätter erschienen ihm als Symbol dieser Entwicklung. Gegenüber Caroline Tisdall äußerte er: „Knospe und Blüte sind tatsächlich umgewandelte grüne Blätter. Im Verhältnis zu den Blättern und dem Stiel bedeutet die Blüte also eine Revolution, die sich aber ganz langsam durch Transformation und Evolution vollzieht.“

Ohne die Rose tun wir’s nicht, 1972
Farboffset auf Karton, mit handschriftlichem Text
Herausgeber: Edition Staeck, Heidelberg
https://www.edition-staeck.de/produkt/pk-rose-fuer-direkte-demokratie-foto-wilfried-bauer/ 

https://www.edition-staeck.de/?s=rose+de+demokratie&submit=Suche

https://liebieghaus.de/de/ausstellungen/isa-genzken-meets-liebieghaus

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