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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Karfunkel“, der Kinder- und Jugendtheaterpreis der Stadt Frankfurt, für das Theaterhaus Ensemble

Der Preis geht an die Produktion „High“

Von Walter H. Krämer

Der „Karfunkel“, der Kinder- und Jugendtheaterpreis, wird seit nunmehr 15 Jahren alljährlich vom Kulturamt der Stadt Frankfurt verliehen. Ausgezeichnet wird eine bestimmte Inszenierung eines Theaters, wobei sich nur solche Theater bewerben können, deren Arbeitsschwerpunkt in Frankfurt liegt. Insbesondere innovative Inszenierungs- und Spielkonzepte werden bei der Preisvergabe berücksichtigt. Über die Vergabe des Preises entscheidet eine fünfköpfige Jury unter dem Vorsitz der Frankfurter Kulturdezernentin. Dotiert ist der Preis mit 10.000 Euro.

„High“ – auch ein intimes und schambesetztes Stück über das Ausbrechen aus der familiären Idylle und den Verlust von Kontrolle, Foto: Katrin Schander

Karfunkel, der Kinder- und Jugendtheaterpreis der Stadt Frankfurt wurde erstmals im Winter 2009 ausgelobt und im März 2010 vergeben. Der erste Preisträger war das Frankfurter Theaterhaus-Ensemble, das den Preis damals für seine Inszenierung des Theaterstücks „An der Arche um Acht” von Ulrich Hub erhielt.

Der Jury für den diesjährigen Frankfurter Kinder- und Jugendtheaterpreises „Karfunkel“ gehören Eva-Maria Magel von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Nadja Blickle, ehemals Leiterin des Starke Stücke Festival, Nikola Schellmann vom Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland, Johanna Kiesel vom Kulturamt Eschborn und Kulturdezernentin Ina Hartwig als Vorsitzende an.

2025 geht der Preis an das Theaterhaus Ensemble. Ausgezeichnet wird die Produktion „High – Irgendwer hat immer Irgendwas“. Ein Theaterstück über Rausch und Abhängigkeit für ein Publikum ab 13 Jahren. Worum es geht?

Mit 13 gekifft, mit 15 Partydrogen, mit 17 Benzos, dann Opiate. Die Inszenierung „High“ – eine Stückentwicklung von Susanne Schyns (Schauspielerin und Teil des Theaterhaus Ensemble) und ihrem Sohn Jonathan – beschäftigt sich mit Konsum, Missbrauch und dem gesellschaftlichen Umgang mit Medikamenten, besonders mit Schmerz- und Beruhigungsmittel. Beide wissen, wovon sie reden, denn es ist ihre eigene Geschichte. Spätestens, als die Polizei vor der Tür steht, kann man die Augen vor dieser Abhängigkeit und auch vor den kriminellen Folgen nicht mehr verschließen. Die Familie nimmt die Herausforderung an und kämpft. Ihre Erinnerungen an diese Zeit formte die Schauspielerin und Mutter zusammen mit ihrem Sohn Jonathan zu einem Theaterdialogtext:

„Mir fällt es total schwer, zu sagen, wann ich zum ersten Mal wahrgenommen habe, dass du kiffst…“
„Ich hab in der siebten Klasse auf jeden Fall angefangen, so mit 13, 14“.
„Gab es einen Moment, wo du dachtest, Scheiße, ich bin abhängig…?“
„Also der Gedanke kam eigentlich bis zum Ende so nicht… es war ein großer Mix aus allem, es war sowohl Gefühle intensivieren als auch Gefühle kontrollieren. Es war Gefühle wegdrücken, es war auch Sicherheit, es war Hilfsmittel, es war alles.“
„Ich hab dann wirklich gedacht, ich muss da jetzt dran bleiben. Wenn ich jetzt nicht dranbleibe, dann bist du irgendwann tot…! Ich hab‘ manchmal schon versucht, mir vorzustellen, wie das sein würde…“

Mit diesem persönlichen Stück, das sich aus dem Erlebten entwickelt und auf der Bühne künstlerisch ausgelotet wird, wollen Mutter und Sohn den Dialog über die Mechanismen von Rausch und Abhängigkeit mit jungen Menschen eröffnen. Und das gelingt auf herausragende Weise. Nicht zuletzt dank des Regisseurs Rob Vriens, langjähriger Hausregisseur des Theaterhauses und jetzt extra für diese Produktion aus den Niederlanden zurückgekehrt. Er schafft es, zusammen mit den Protagonisten, das persönliche Erleben von Mutter und Sohn als eine allgemeingültige Erfahrung auf die Bühne zu bringen. Das Duett der beiden ist mitreißend, urkomisch und an manchen Stellen schlicht todtraurig.

Aber was und wie sie sprechen, singen und tanzen, kommt auch bei dem nicht nur jugendlichen Publikum an. Besonders wohl deshalb, weil der jugendliche Hauptdarsteller – mittlerweile frei von Drogen – authentisch und glaubwürdig über die Rampe kommt und faktisch zum Sympathieträger für das Publikum wird. Hier kommt kein pädagogischer warnender Zeigefinger zum Tragen, sondern anhand der dargestellten Erfahrungen kann sich jeder selbst ein Bild machen und sich mit den Konsequenzen auseinandersetzen.

In der Inszenierung wird nichts beschönigt, die Konflikte zwischen Mutter und Sohn werden gezeigt und es wird deutlich, wie zerstörerisch diese Abhängigkeit auch für eine Familie sein kann. „High“ ist ein intimes Stück über den Verlust von Kontrolle und den – in diesem Fall geglückten Versuch – diese wieder über sein Leben und das einer Familie zurückzuerlangen.

Das psychedelische Bühnenbild wurde vom Vater gebaut, Foto: Katrin Schander

Interessant auch das Bühnenbild – entworfen und gebaut von Jonathans Vater Michael Meyer. Es ist einer Hütte nachempfunden, in der Jonathan gerne und viel Zeit verbrachte – seiner „Hotbox“. Es ist nach einer Seite offen, mit mehreren Luken und einer Leiter ausgestattet und lässt sich drehen und kippen. Und ist damit auch bewegungstechnisch anspruchsvoll und zwingt die beiden Spieler*innen immer wieder, sich zu verständigen, denn alleine lässt sich das Haus nicht kippen. Bemalt ist die Hütte mit einem Bild, das eine psychedelische Anmutung hat und an rauschhafte Phantasien oder Halluzinationen erinnert / erinnern soll.

Diese Produktion also erhält 2025 den Kinder- und Jugendtheaterpreis der Stadt Frankfurt „Karfunkel“.

Kulturdezernentin Ina Hartwig äußerte sich dazu wie folgt: „Das Stück bringt das schwierige Thema Drogenmissbrauch und die Auseinandersetzung zwischen Kindern und Eltern schonungslos, aber eindrucksvoll auf die Bühne – mit all seinen unterschiedlichen Sichtweisen“.

In der Jurybegründung heißt es dazu unter anderem: „(…) In einer Mischung aus persönlicher Schilderung und Abstraktion können die widerstreitenden Haltungen und Gefühle zum Ausdruck kommen, die sowohl Eltern als auch ihre drogensüchtigen Kinder durchleben: Sorge um deren Leib und Seele, Scham, dass in der vermeintlich perfekten Familie ein Kind süchtig wird, Wut und Ohnmacht, Entfremdung auf der Seite der Eltern. Und eine Achterbahnfahrt aus dem Kick, dem Spaß, der Sorglosigkeit, den Drogen bringen und der großen Depression, der Sucht, den Beschaffungsdelikten, dem Gefühl des Entgleitens, der Einsamkeit auf der Seite des Jugendlichen. ,High‘ verschweigt nicht den Reiz am Drogenkonsum und beschönigt auch nichts. (…)“

Idee und Spiel:
Jonathan Schyns, Susanne Schyns
Regie: Rob Vriens
Entwicklung: Leo Kees
Begleitung Tanz: Camilla Fiumara
Bühne: Michael Meyer
Licht: Johannes Werner
Dramaturgie: Günther Henne
Produktionsleitung: Julia Pohlmann
Fotos: Katrin Schander
Dauer: ca. 60 Min.
Alter: ab 13 Jahren |

Die nächsten Termine im Theaterhaus:

Donnerstag den, 6.3. – 10 + 19 Uhr
Freitag, den 7.03. – 10 + 19 Uhr

https://www.theaterhaus-frankfurt.de/spielplan/detail/high.html

Der Karfunkel-Preis 2025 wird am Dienstag, 11. März, um 18 Uhr im Kaisersaal des Römer verliehen.

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