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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Hader spielt Hader im Schauspiel Frankfurt und danach mit „Ein Abend für Josef Hader“ im Deutschen Filminstitut – Filmmuseum Frankfurt (DFF)

Anders als im Kabarett ist im Film die Geschichte wichtig

von Renate Feyerbacher

Josef Hader war im Schauspielhaus Frankfurt zu Gast. „Hader on Ice“ heißt seine Show, mit der er derzeit in vielen deutschen Städten unterwegs ist. „Hader on Ice“ erzählt von einem Menschen, der schlingert, schliddert, den Halt verliert. Und es geht um das alltägliche Leben, das alle betrifft.

 Josef Hader am 26.1.2025 in Frankfurt, Foto:Renate Feyerbacher

 „Immer is irgendwas. Entweder die Füße schlafen mir ein. Oder sie jucken. Dann krieg ich wieder keine Luft, wenn ich schneller geh. Oder ich hab einen Schweißausbruch. Dann friert mich wieder. Das Essen schmeckt mir nimmer, der Sex ist fad, die Hosen sind zu eng. Was is das bitte? Des muss alles dieser Klimawandel sein, oder? Temperaturen hat’s im Sommer wie in den Tropen! Dadurch gibt’s auf einmal diese riesigen Insekten! Wenn die dich stechen, kriegst’ eine Schwellung, die geht monatelang net weg! Wahrscheinlich sind die alle gentechnisch verändert. Und die Pflanzen! Die spinnen, die Pflanzen!“ (Auszug aus der Pressemitteilung des Schauspiels Frankfurt)

Hader beruft sich in seiner Kunst auf den Wiener Schriftsteller und Schauspieler Helmut Qualtinger (1928-1986) (Der Herr Karl – 1961) – letzte Rolle im Film Der Namen der Rose (1986) und auf den mittlerweile 82jährigen Münchner Gerhard Polt, Kabarettist, Autor, Schauspieler. Beide Stars ihres Fachs.

Der Österreicher Josef Hader ist einer der bedeutendsten deutschsprachigen Kabarettisten. Scharf, wortgewandt, aber menschlich. So erlebt man ihn. Er ist Hauptdarsteller vieler Filme, Drehbuchautor und seit 2015 Filmregisseur. Die Filmkomödie Wilde Maus (Regie und Drehbuch Hader) wurde 2017 in den Wettbewerb der Berlinale eingeladen. Die meisten Kritiken sahen zwar keinen Goldenen Bären für den Wettbewerb-Beitrag, waren aber angetan von der Gesellschaftsgroteske: „Ein sauguter Film“ (Der Tagesspiegel).

Sie sahen in dem Beitrag keinen Kandidaten für den Bären, „Aber mit seinem Regiedebüt setzt Hader der Berlinale ein erstes echtes Highlight.“ (Berliner Morgenpost). Die Deutsche Welle lobt das Spiel von Hader und den konzentrierten Anfang, der mit der Entlassung des namhaften, gefürchteten Musikkritikers Georg beginnt, aber das wichtige Thema Medienlandschaft nicht vertieft. Dem Kritiker fehlte die Tiefe der Charaktere.

Wilde Maus bekam seinen Namen nach der alten Achterbahn im Prater, die Georg zusammen mit seinem Schulfreund Erich in der arbeitslosen Zeit wieder flott machen will. Von all dem Geschehen weiß seine 43jährige Frau Johanna nichts, die unbedingt ein Kind von ihm haben will.

Das DFF hatte Josef Hader eingeladen, über seine Filme Wilde Maus und den zweiten Film Andrea läßt sich scheiden (2024), die zuvor gezeigt wurden, zu sprechen. Ich sah beide Filme. Wilde Maus macht viel Vergnügen, hat verrückte, kriminahe Ideen, aber auch Momente von Langatmigkeit. Großartig Hader in der Rolle von Gregor.

Josef Hader und Urs Spörri, Foto: Renate Feyerbacher

„Alles Figuren, die eine Therapie brauchen“,  bemerkt Moderator, Filmkenner Urs Spörri vom DFF im Gespräch. Darauf Josef Hader: „Wie soll man dann einen Film machen mit Leuten, die keine Therapie machen?“ Er sucht das Politische im Privaten.

Über sehr stressige Drehtage erzählt er, der katholisch geprägt, auf einem Bauernhof aufwuchs und als Ministrant die Liebe zum Theater fand. Bis heute ist die klassische Musik seine „große Zuflucht“.

Andrea lässt sich scheiden, Haders zweiter Film hatte auf der Berlinale 2024 in der Sektion Panorama seine Weltpremiere. Er erhielt den Österreichischen Filmpreis 2024.

Andrea ist eine Polizistin auf dem Land, möchte aber beruflich mehr und will in St.Pölten Kriminalinspektorin werden. Auf einer Geburtstagfeier – viel wird getrunken – trifft sie ihren Mann, von dem sie sich trennen will. Im Auto beschwört der Betrunkene seine Frau Andrea, ihn nicht zu verlassen. Sie nimmt ihm den Autoschlüssel ab. Er macht sich zu Fuß auf den Weg und Andrea mit ihrem Auto. Sie übersieht ihn auf der dunklen Straße, überfährt ihn und begeht Fahrerflucht.

Franz, ein Religionslehrer, beschuldigt sich, denn er überfuhr erneut den Mann, der bereits tot war. Andrea will ihren Karriere-Wunsch nicht aufgeben und versucht, die Spuren lange zu verwischen. Aber alles kommt zutage im Leben.

Der Zufall ist der wichtige Treibstoff der Tragikomödie aus der österreichischen Provinz. Symbolisch die Landschaft: eine Ebene mit wenig Gebüsch, in der man sich nicht verstecken kann. In einem Interview reflektiert Hader, dass er genauso handeln würde wie Andrea, vertuschen, solange es geht. Als Kind habe er viel gelogen, weil er oft verdroschen wurde.

Josef Hader konnte die großartige Birgit Minichmayr, eine der besten deutschsprachigen Schauspielerinnen, für die Rolle der Andrea gewinnen. Wie Hader kommt die Österreicherin vom Land. Ihr Zusammenspiel, Hader ist der Religionslehrer Franz im Film, ist sehr stimmig und glaubwürdig.

Für ihre Rolle im Beziehungsdrama Alle Anderen von Regisseurin Maren Ade erhielt Birgit Minichmayr auf der Berlinale 2009 den Silbernen Bären. Ihr Partner war Lars Eidinger, der diesen Film für seinen besten hält, wie er kürzlich erzählte.

Die sympathische Offenheit, seine selbstkritische Einschätzung beim Gespräch im vollbesetzten Kinosaal des DFF gefiel dem Publikum. Es feierte Josef Hader.

Geduldig beantwortete er die Fragen und war offen für jede und jeden, der mit ihm reden wollte. Ein großer Künstler geprägt von Menschlichkeit.

Mit seiner Show „Hader on Ice“ ist er im März in Berlin, in Würzburg, in München, in Dresden, in Fürth, im Oktober in Köln, im November in Mainz und Karlsruhe zu erleben. Das sind nur einige Termine seiner Tour. Nach Corona gibt es viel nachzuholen.

www.hader.at

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