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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Viva Camerata mit „Geliebten Melodien“

„Hab mich lieb!“

Von Christian Weise

Das Grammophon mit den Schellackplatten erbte Cousin Thomas. Das war auch recht so, schließlich wurde er wie der Urgroßvater Bankier.

 

Nostalgische Musik aus Zeiten des Grammophons …

Nach dem Krieg legten die Urgroßmutter und ihre Gesellschafterin endlos Patience. Und sie hörten auf dem Grammophon die Melodien der 20er und 30er Jahre. Der Urgroßvater, den sie beide liebten, und er auch sie, war 1940 in der Schweiz gestorben.

In der ersten Hälfte der 70er Jahre, als der Besitzwechsel des Grammophons mit dem musikalisch geschwungenen goldenen Trichter sich vollzog, erklangen die Melodien der Goldenen 20er weiter: Botho Jung und Hanna Pfeil spielten im Wunschkonzert des Hessischen Rundfunks die Lieder von Operetten, der pubertierende Verfasser hörte aus dem Küchenfenster in die dunkle Nacht hineinspähend aus dem Röhrenradio, das der Vater des Cousins seiner Schwester, unserer Mutter, zur Hochzeit geschenkt hatte, auf diese Weise Joseph Schmidt aus Czernowitz und viele andere. Den Eltern wurde etwas bang um den Jungen…

Orchester mit jungen Piano-Solisten, Foto: Christian Weise

Eine große Beglückung war es für die große Zuhörerschaft im Bad Sodener Evangelischen Gemeindehaus, dass die geliebten Melodien auch heute weiter erklingen, so Sabine Schaan. „Musik ist eine Gabe Gottes“, hatte Pfarrer Andreas Heidrich einleitend Luther zitiert.

Die Bad Sodener Musikstiftung Jürgen Frei, geleitet von Sabine Schaan, hatte wie schon in früheren Jahren eingeladen, „Geliebten Melodien“ zu lauschen. Sieben Geigen, fünf Bratschen, drei Kontrabässe, zwei Querflöten, eine Klarinette, ein Fagott – das Laien-Orchester „Viva Camerata“ aus Schwalbach sowie mehrere Solisten beglückten am Sonntagabend den vollen Gemeindesaal.

Lydia Horn, Geigerin und Leiterin von „Viva Camerata“ mit Sabine Schaan, Leiterin der Bad Sodener Musikstiftung, Foto: Christian Weise

Die Leitung des Orchesters hatte wieder Lydia Horn , ursprünglich aus Czernowitz stammend, später viele Jahre als Philharmonikerin in Baden-Baden wirkend und nun im Frankfurter Raum lebend, übernommen.

Mit ihrer interessanten rauen Stimme, die sich auch für Kinderhörbücher eignen würde, stellte sie drei ganz junge Musikerinnen und Musiker vor: Mira und Mikael Grigorian und Maja Heyer, sie sind Schüler von Irina Mints aus Friedberg an der Musikschule Minz. Begleitet vom Orchester, spielten sie Werke der Ukrainerin Oxana Krut auf dem Grotrian-Steinweg-Flügel von 1914, den Jürgen Frei der Kirchengemeinde gestiftet hat. Mira begann mit dem 1. Satz des Klavierkonzerts Nr. 3 von Oxana Krut , danach spielte Maja den 2. Satz und schließlich beendete Mikael mit dem Klavierkonzert Nr. 1, das  ebenfalls von Oxana Krut stammt.

 Mira Grigorian, Mikael Grigorian, Maja Heyer mit ihrer Lehrerin Irina Mints, Foto: Christian Weise

„Toll zu sehen, wie die Lehrerin die Kinder in das Klavierspielen einführt, sie liebt und sie auch sie lieben“, so Polina, Geigerin auch Charkiv, im anschließenden persönlichen Gespräch. Die beiden 6- und 8-jährigen armenischen Musiker spielten sich in die Herzen der Zuhörer und mochten offensichtlich den Kontakt zum Publikum. Maja Heyer, 7, ihre Hände vor dem Spiel in weißen Handschuhen versteckend, spielte eine bekannte ukrainische Weise, für Klavier umgeschrieben von der Komponistin Oxana Krut, die – aus Zaporishshia stammend –heute in Deutschland lebt.

Drei junge Nachwuchs-Musikerinnen lauschen dem Orchester und verfolgen den Tanz, Foto: Christian Weise

Einem Stück des Leiters der Schwalbacher Musikschule, Benjamin Brainman, Psalm 126, folgte ein Klavierquartett des 16jährigen verliebten Gustav Mahler, das tänzerisch von Naho Takeda und Johann Holland bewegend interpretiert wurde.

Naho Takeda und Johann Holland – verliebt nach Nähe suchend, Foto: Christian Weise

Mehrere italienische Lieblingsstücke schlossen sich an: Puccini, Falvo, Ernesto de Curtis. Jürgen Frei, der auch Italienisch-Dolmetscher ist, moderierte. Ergriffen erinnerte er sich an die miterlebte Überschwemmung in Florenz im November 1966, bei der von den Fluten nicht nur Geschäfte weggerissen wurden, und erklärte de Curtis „Non ti scordar di me“ – „Vergiss mein nicht!“

Vyacheslav Bereznyakov und Jürgen Frei an der Bratsche, Foto: Christian Weise

Eine Herausforderung für das Orchester stellte Vittorio Montis Csardas dar, bei dem sich zwischen Orchester und Querflöte, gespielt von Peter Machnitzki, durch das Fehlen eines richtigen Dirigats eine besondere Art von ungarischer „Schaschlik“-Harmonie ergab.

Peter Machnitzki spielt Czardas (die Noten – anders als bei Viktor Borge – magnetisch am Notenpult fixiert, Foto: Christian Weise

Zum Abschluss des Konzerts sangen Sabine Schaan (Sopran) gemeinsam mit dem Kyjiwer Bassbariton Vyacheslav Bereznyakov aus Lehars „Lustige(r) Witwe“ das Duett „Lippen schweigen…“: „Hab mich lieb!“

Sabine Schaan und Vyacheslav Bereznyakov, Foto: Christian Weise

Eine weitere Aufführung von Viva Camerata mit den Solisten findet am heutigen Mittwochnachmittag im Frankfurter Seniorenheim der Henry und Emma Budge-Stiftung statt.

https://musikschule-minz.de/

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