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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Frankreich in Frankfurt (1)

Reisender mit viel Erfahrung und leichtem Gepäck – Ein Besuch bei Frédéric Meyer

Von Petra Kammann

Seit dem vergangenen Juli arbeitet Fréderic Meyer als Directeur régional bei Atout France, der Französischen Zentrale für Tourismus für die Länder Deutschland-Schweiz-Österreich-Polen- Mitteleuropa in Frankfurt am Main. Kürzlich sind sowohl Atout France als auch das französische Generalkonsulat von der Zeppelinallee an einen neuen Standort in die Hamburger Allee 26-28 gezogen. Ein Grund mehr, den in der Welt herumgekommenen und in zahlreichen Ländern tätigen Frédéric Meyer zu einem Erfahrungsaustausch aufzusuchen.

Frédéric Meyer, Directeur régional bei Atout France in Frankfurt, Foto: Petra Kammann

Zuletzt arbeitete Meyer in Mailand, wo er für den italienischen und den Schweizer Markt zuständig war, außerdem noch für Spanien und Griechenland. Also kennt er sich wohl in der Mittelmeerregion besonders gut aus? Zweifellos. Aber er ist auch asienerfahren. Zuvor war er nämlich sechs Jahre lang in Japan und war dort als verantwortlicher Koordinator für die Region zuständig. Vier Jahre lang arbeitete er in Singapur. Doch der Far West ist ihm mentalitätsmäßig auch nicht fremd, arbeitete er doch allein sechs Jahre lang in New York.

Blick aus dem neuen Büro von Atout France auf Frankfurt, Foto: Frédéric Meyer

Dabei ist für ihn Atout France, das damals noch Maison de la France hieß, keine unbekannte Größe, denn zu Beginn seiner Karriere war er dort in Frankfurt – seinerzeit noch in der Westendstraße – für Marketing und Kommunikation zuständig. Und er unterstützte den damaligen Direktor, der kurzfristig eine Position in Paris angenommen hatte. Kurzum, er kennt das Geschäft, wie die Reisebranche funktioniert, auch wenn sich seither etliches geändert hat. Und Frankfurt kennt er auch.

Er selbst hat in der Zwischenzeit viel Erfahrung in anderen Ländern gesammelt und bringt ein Gepäck mit, das er jedoch nicht etwa als schwer oder gar belastend empfindet, sondern vielmehr als etwas sehr Leichtes. Ob seine Erfahrungen mit dem Leben und Arbeiten in anderen Ländern vergleichbar sind?

Unter einem Dach im selben Gebäude: Frédéric Meyer, Directeur Régional von Atout France und der französische Generalkonsul Nicolas Becheret, Foto: Petra Kammann

Nun ja, zwischen den beiden so verschiedenartigen Ländern Japan und Italien sei es schon ein Spagat gewesen. Aber flugs findet er etwas, auf das er zurückgreifen kann, nämlich das gemeinsame Gefühl für Schönheit, das sich auch in Japan wie in Italien in der jeweiligen Liebe zum Detail ausdrückt. Ebenso das Verhältnis zum Leben und zu den persönlichen Beziehungen außerhalb der Arbeit selbst. So sagten ihm viele, als er das Land verließ: Erinnern Sie sich, was Sie persönlich für mich getan haben? Und das sei in Italien wirklich sehr ähnlich gewesen. Man habe eine Beziehung zur Firma, in der man arbeitet, aber eben auch zu den Menschen.

Und wie habe er diese Erfahrungen demgegenüber Deutschland empfunden, will ich wissen. In Deutschland seien die Menschen sehr genau, korrekt und ehrlich, darin ähnelten sie den Japanern, die, wenn sie über etwas sprechen, es zuvor genau untersucht und sich damit beschäftigt hätten und es auch wirklich wissen. Darauf könne man sich verlassen.

Frédéric Meyer und die Leiterin der Presseabteilung Monika Fritsch in den neuen Büros von Atout France, Foto: Petra Kammann

Natürlich ist Meyer begeistert, dass die Deutschen Frankreich als Ferienland sehr mögen, was zweifellos mit ihrer langen gemeinsamen Geschichte zusammenhängt, die auch für die Franzosen sehr wichtig sei, die durchaus einen Unterschied zwischen den jeweiligen politischen Umständen und den individuellen Menschen machten. Eine bedauerliche Tatsache sei es jedoch, dass die Deutschen heute sehr viel weniger Französisch sprächen (und die Franzosen weniger Deutsch) als noch zu Beginn des „Deutsch-Französischen Freundschaftsvertrags“ und es daher für viele oft schwieriger geworden sei, sich im Land zurechtzufinden.

Doch auf diese Situation habe sich das Land inzwischen eingestellt und mit viel Mühe neue touristische Strukturen erarbeitet, um ausländische Gäste besser empfangen zu können. Immerhin gab es nicht zuletzt 2024 wegen der Olympischen Spiele in Paris und Marseille rund 90 Millionen ausländische Touristen in Frankreich. So spricht man inzwischen sehr viel mehr Englisch im Land, was so manche Kommunikation durchaus erleichtert. Es habe entsprechende Trainingskampagnen für die Tourismusprofis gegeben, wie man Schweizer, Deutsche etc. besser empfangen kann, wenn man offener den Gästen gegenüber ist und mit ihnen auch kommunizieren kann. Da habe sich in den letzten Jahren viel getan. Natürlich vor allem in den französischen Großstädten wie Lyon, Toulouse, Nizza, Bordeaux etc.

Neue Formen der Stadterkundung wie hier in Bordeaux, Foto: Petra Kammann

Unterstützend dafür waren entsprechende Videos, auch Sprachvideos, denen sich die Gastgeber gestellt haben.

Auch hat man sich mit neuen Destinationen beschäftigt, wozu es entsprechende Workshops gab. So hatte etwa Marseille, wo ein Teil der Olympischen Spiele stattfand, wegen der Kriminalität einen sehr schlechten Ruf. Während der Workshops haben die Beteiligten ihre eigenen Erfahrungen machen und weitergeben können. Inzwischen ist es in der südlichen Hafenstadt sehr viel sauberer und weniger gefährlich geworden. So sind neue nachhaltige Strukturen entstanden. Hilfreich war außerdem, dass Marseille inzwischen ganz wunderbare Museen hat.

Marseille: Blick vom MUCEM auf Notre-Dame de la Garde, Foto: Petra Kammann

Natürlich war Frankreich mit seiner vielfältigen Landschaft und den drei das Land umgebenden Meeren immer schon ein beliebtes Reiseland für die rund 15 Millionen Deutschen, die alljährlich kommen, so dass die Deutschen die erste ausländische Kundschaft für Frankreich sind. Besonders beliebt sind für sie Gegenden wie Korsika, die Provence, das Département Rhône-Alpes, die Pays de la Loire und Südwestfrankreich, die Bretagne und die Normandie, und nicht zuletzt das Elsass und der Grand-Est, wie es seit der Gebietsreform heißt, also der östliche Teil Frankreichs.

Und doch hat das klassische Reiseland als Destination auch Konkurrenz bekommen wegen verschiedenster Billigangebote von Flügen nach Asien oder auch Pauschalreisen nach Südosteuropa. Daher meine Frage, ob das Konzept „Leben wie Gott in Frankreich“, das mit dem „Art de Vivre“ verbunden wird, immer noch ein zeitgemäßes sei. Das Kulinarische hänge wohl schon mit den verschiedenartigen Regionen und den jeweiligen Charakteristika und Spezialitäten zusammen, die sich dort herausgebildet hätten.

Das gelte durchaus nach wie vor, meint Meyer, allein schon der verschiedensten kulinarischen Angebote wegen, auch wenn diese jetzt vielleicht andere Formen angenommen hätten. Menus sind nicht mehr ganz so umfangreich, vegetarische und vegane Angeboten haben auch hier Einzug gehalten.

Aïoli à la marseillaise (Knoblauch-Mayonnaise) auf der Grundlage von Fisch und frischen Gemüsen der Saison, Foto: Petra Kammann

Natürlich sei Frankreich ein beliebtes Reiseziel, weil es insgesamt viel zu bieten habe mit den so unterschiedlichen Meeres- und Gebirgslandschaften, die auch auf neuartige Weise erkundet würden. Klar, man erlebe Südfrankreich ganz anders als Paris. Immerhin sei derzeit der Tourismus mit 1,5 Milliarden Reisenden jährlich der einzige wachsende Wirtschaftssektor. Und gab es vor 15 Jahren vielleicht noch 150 Reiseziele, so seien es heute schon 600, dann müsse man lediglich andere, differenziertere Strategien entwickeln.

Zweifellos haben sich durch Covid und die Klimaveränderung das Reisen selbst und die Wahl der Destinationen verändert, weg von den klassischen Reisemonaten Juli und August. Viele reisen heute lieber, wenn die Saison etwas kühler ist. Außerdem werden heute mehr und öfter Kurzreisen unternommen. Dazu erfreut sich eine Art Städtehopping großer Beliebtheit. Außerdem werden andere Ziele entdeckt, die früher nicht als supertouristisch galten wie zum Beispiel Nordfrankreich oder die Normandie. Auch sei insgesamt das kulturelle Interesse an den Regionen gestiegen.

Sterneküche in der gehobenen Hotellerie mit regionalen Spezialitäten wie hier im Clos du Cèdre in Beaune, Foto: Petra Kammann

Und natürlich sind die Bedürfnisse heute andere als noch vor zehn oder 15 Jahren. In der Freizeit möchte man mehr Ruhe für sich und einen blauen Himmel erleben, einfach nur frische Luft tanken, um sich selbst nach dem stressigen Alltag wiederzufinden und nicht zuletzt die Natur neu für sich zu entdecken. Daher ist der Bedarf nach Wanderungen und Fahrradtourismus gestiegen. Da habe Frankreich, das Land zahlreicher Flüsse, inzwischen eine Menge zu bieten, ein großartiges Fahrradnetz zum Beispiel auf ehemaligen Bahntrassen, insgesamt 19.000 km ausgebaute Fahrradwege, auch Verbindungswege von einer Region in die andere.

So werde in diesem Jahr das 20-jährige Jubiläum der Loire-Strecke, „La  Loire à vélo“ gefeiert. Herrlich, wenn man entspannt in der flachen Landschaft der Loire mit dem Fahrrad von einem Schloss zum nächsten radeln kann, während das Gepäck dann jeweils zum nächsten Halt transportiert wird. Darauf hat sich auch ein Netzwerk von Hotels eingestellt, die besonders für Fahrradfahrer geeignet sind.

Übernachten unter freiem Himmel, Foto: Petra Kammann

Natürlich sind die Übernachtungsmöglichkeiten in den letzten Jahren insgesamt viel vielfältiger geworden, das Angebot hat sich enorm verbreitert, angefangen von Möglichkeiten für kleinere Budgets wie air bnb -Buchungen oder „Chambres d’hôtes“,  wo man Einblicke in das französische Familienleben bekommt, wo man frühstückt, bis hin zu Luxushotels wie die von „Relais & Châteaux“ mit ihren Gourmet-Restaurants. Inzwischen wurde die Klassifizierung zwischen Ein-Sterne-Hotels und Fünf-Sterne-Hotels, das noch durch Palace-Hotels (wie zum Beispiel das „Ritz“ in Paris oder das „Hotel du Palais“ in Biarritz) getoppt wird, stark mit nachvollziehbaren Kriterien überarbeitet.

Auch Gruppen wie die Hotelkette des französischen Accor-Konzerns bieten verschiedenklassige Hotels in ihrer Gruppe an zwischen Ibis, Mercure, Sofitel und Apart Hotel. Im Winter sind dann die Chalets in den beschneiten Bergen besonders begehrenswert. Und wer gerne mit Kindern Urlaub auf dem Bauernhof machen will, kann sich an dem Angebot „Bienvenue à la ferme“ orientieren. Unübersehbar ist auch der Trend, auf Camping-Plätzen und in sogenannten ‚mobilhomes‘ (hausähnlichen Wohnwagen) Ferien zu machen, so dass man auf diese Weise nicht nur an einen Ort gebunden ist. In bestimmten Gegenden, vor allem Südwesten oder auch im Gebirge kann man sogar auch unter freiem Himmel übernachten.

Ein weiterer Trend sind die Sprachurlaube. So mancher kommt ins Land, um die französische Sprache besser zu beherrschen. Man kann nicht wirklich gut Französisch sprechen, wenn man die französische Kultur nicht kennt, was übrigens auch auf das Deutsche zutrifft. Nicht zuletzt war über lange Zeiten das Französische die Sprache der Diplomatie. Das gilt in manchen Fällen noch immer. So empfiehlt sich ein Besuch in der im vergangenen Jahr eröffneten Cité Internationale de la langue française Villers-Cotterêts dans l’Aisne rund eine Stunde von Paris entfernt. Da erfährt man eine Menge darüber, welche Rolle die französische Sprache in der Welt spielt und wie man mit der Sprache selbst auch spielen kann. Erstaunlich, wie sich die französische Sprache in der Welt entwickelt wie zum Beispiel in Kanada, in Afrika, aber auch in kleineren Orten in Frankreich. All das können Kinder hier sogar interaktiv und spielerisch erleben. Die Wegweiser hin zu diesem interessanten Museum im Schloss führen auf Französisch, Englisch und Deutsch.

Natur pur genießen liegt im Trend, Foto: Petra Kammann

Nachhaltigkeit und passende Angebote für sanften Tourismus sind ein beherrschendes Thema in Frankreich, das sich ebenfalls in der Weiterentwicklung in Hotels zeigt. Da gibt es jetzt Tankstationen für E-Autos. Neben Schiff- und Kanalfahrten sind im flussreichen Land äußerst beliebt.

Man merkt Frédéric Meyer an, wie sehr er sein Land und die Vielfalt der Welt liebt. Im Laufe seiner verschiedenen Arbeitsstationen hat er den Blick von außen und von innen auf das Land kennengelernt. Schon bei seinen toleranten, ihn unterstützenden elsässischen Eltern hat er mitbekommen, dass es nicht nur eine Wahrheit, sondern viele verschiedene Wahrheiten gibt, vor allem, wenn man etwas von der Kultur anderer Länder verstanden hat.

Ob sich Meyer, der auch begeistert Japanisch in Japan gelernt hat, überhaupt noch als Franzose fühlt? „Ich bin Franzose, auch wenn ich mich in verschiedenen Sprachen äußern kann“, sagt er lächelnd. „Ich habe jeden Tag mit Frankreich zu tun. Ein Teil von jeder Kultur kommt mit mir mit. Und dann sehe ich die Dinge ein bisschen anders. Meine Kinder, die inzwischen groß sind, sind in Amerika geboren und aufgewachsen. Sie empfinden sich inzwischen als ,franco-américains‘. Aber um sich nicht in den verschiedenen Kulturen zu verlieren, braucht man schon eine klare Linie. Ich fühle mich als Franzose, auch wenn in Frankreich nicht alles perfekt ist.“  

Gibt es ein Land, in dem alles perfekt ist? Es muss wohl Utopia heißen.

 

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