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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

62. Theatertreffen 2025 in Berlin

Die 10 bemerkenswertesten Theaterinszenierungen

Von Walter H. Krämer

Alle Jahre wieder – und 2025 zum 62. Mal – findet in Berlin das Theatertreffen statt. Gezeigt werden dann in der Hauptstadt die nach Meinung einer Jury zehn bemerkenswertesten Aufführungen aus dem Vorjahr. Die 7-köpfige Jury (Eva Behrendt, Katrin Ullmann, Janis El-Bira, Sascha Westphal, Martin Thomas Pesl, Valeria Heintges, Sabine Leucht) hat insgesamt 738 Aufführungen während dieses Zeitraumes in 88 Städten gesichtet. Herausgekommen ist eine Shortliste von 38 Aufführungen – der sogenannten Short List – aus der dann nach langen und intensiven Diskussionen der Kritiker*innen-Jury  zehn ausgewählt wurden. Sie geben einen komprimierten Einblick in die deutschsprachige Theaterszene.

Nora Hertlein-Hull, Leitung Theatertreffen, Foto: © Fabian Schellhorn

Bei den ausgewählten Aufführungen sind sieben Uraufführungen und sieben Regisseure*innen erstmals eingeladen. Auf die Frage nach einer inhaltlichen Setzung bzw. einer inhaltlichen Klammer der Auswahl antworteten Mitglieder der Jury: Die Zeiten sind düster und divers! Und es geht um unser Erbe und Hinterlassenschaft!

Wenngleich ein drängendes gesellschaftliches Problem – der Klimawandel findet offenbar auf unseren Bühnen nicht statt. Zumindest gab es offenbar keine bemerkenswerte Inszenierung zu diesem Thema.

Ersan Mondtag – nicht das erste Mal in Berlin vertreten – wurde mit seiner Inszenierung von Double Serpent am Hessischen Staatstheater Wiesbaden vor allem wegen seiner stilisierten „alptraumhaften Theatersprache“ (Sabine Leucht) für Berlin ausgewählt.

Düstere Atmosphären und die Erfahrung von Räumen prägen einzelne der ausgewählten Inszenierungen. So etwa taucht man bei der Rauminszenierung von „[EOL]. End of Life. Eine virtuelle Ruinenlandschaft“ vom Kollektiv DARUM (Victoria Halper und Kai Krösche) aus dem brut Wien in ein virtuelles Totenreich. Ob diese Inszenierung von vielen in Berlin gesehen werden kann, bleibt fraglich. Ein Juror wusste zu berichten, dass bei seiner besuchten Vorstellung gerade mal sechs Zuschauer*innen das Vergnügen haben konnten.

Eine von zwei Einladungen aus dem Deutschen Schauspielhaus Hamburg ist Katie Mitchells Hamburger Neufassung von Bernarda Albas Haus (Text: Alice Birch nach Federico García Lorca)  – ein genau choreographiertes klaustrophobisches Familienbild. Die zweite betrifft die Bühnenadaption eines Hörspiels von Georges Perec Die Maschine oder: Über allen Gipfeln ist Ruh in der Regie von Anita Vulesic.

Grenzbereiche zu anderen Künsten werden ausgelotet. So beispielsweise auch bei einer Arbeit aus Wuppertal. Hier geht es um die Wieder-Aneignung eines Pina-Bausch-Tanzabends „Kontakthof – Echoes of ’78“ durch Regisseurin Meryl Tankard, die einst selbst in der Uraufführung von „Kontakthof“ tanzte und eine Protagonistin der Company war.

Konkret politisch wird es, wenn es um Waffenlieferungen in kriegerischen Zeiten geht. Luise Voigt problematisiert dies am Münchner Residenztheater anhand von Bertolt Brechts Die Gewehre der Frau Carrar im Gewand eines 1930er-Jahre-Spielfilms und verbindet diesen mit dem Text „Würgendes Blei“ von Björn SC Deigner.

„Sexpositiven Feminismus“ (Eva Behrendt) zelebriert Florentina Holzinger – ebenfalls nicht zum ersten Mal beim Theatertreffen – mit ihrer Inszenierung der Hindemith Oper „Sancta“. Eine heilige Messe der ganz anderen Art und unbedingt sehenswert!

Unser Deutschlandmärchen von Dinçer Güçyeter, inszeniert am Berliner Maxim Gorki Theater von Hakan Savaş Mican, ist eine sensible Mutter-Sohn-Geschichte und gleichzeitig ein emanzipatorisches Porträt der türkischen Einwanderungsgesellschaft. Der gleichnamige Roman liegt der Inszenierung zugrunde. Einmal mehr der Beweis, dass die Theater einfach nicht an gut geschriebenen Geschichten vorbeikommen können.

Auch nicht selbstverständlich, aber durchaus gerechtfertigt und nachvollziehbar: Mit Wiesbaden („Double Serpent“), Schwerin („SANCTA“) und Magdeburg („Blutbuch“) sind drei Landeshauptstädte vertreten, die bisher selten bis gar nicht zum Theatertreffen eingeladen waren. Und erstmals – auch das keinesfalls selbstverständlich oder die Regel – sind mit Anita Vulesica, Hakan Savaş Mican, Meryl Tankard, Jan Friedrich Luise Voigt sowie Victoria Halper und Kai Krösche (DARUM) – gleich sieben Regisseur*innen erstmals beim Theatertreffen im Mai dabei.

Neu in die kommende Jury berufen sind Christine Wahl (Berlin), Falk Schreiber (Hamburg) und Alexandra Kedves (Zürich) als „in der Branche bekannte Namen“ (Nora Hertlein-Hull, Leitung Theatertreffen) und mit Vincent Koch(Leipzig) und Yaël Koutouan (Mainz) seien  bewusst „Newcomer“ berufen worden, die am Anfang ihrer Kritikerlaufbahn stehen.

ja nichts ist ok von René Pollesch und Fabian Hinrichs aus der Berliner Volksbühne ist die zehnte Arbeit des diesjährigen Festivals. Hinrichs als „existenzieller Einzelner“ führe uns darin in seinem „apokalyptischen Weltschmerz an den Rand des Absurden“, sagt Jury-Mitglied Janis El-Bira. Die Auswahl sicher auch eine Hommage an den im letzten Jahr verstorbenen genialen Autor und Regisseur René Pollesch und seine Zusammenarbeit mit dem Schauspieler Fabian Hinrichs.

Theatertreffen-Jury 2025 © Berliner Festspiele, Foto: Fabian Schellhorn

Das Theatertreffen findet vom 2. bis 18. Mai 2025 in Berlin statt. Das Programm des Festivals wird am 4. April veröffentlicht und der Vorverkauf beginnt am 17. April. Wer in Berlin dabei sein will und die eine oder andere Vorstellung besuchen, sollte sich gleich zu Beginn des Vorverkaufs um Karten kümmern.

https://www.berlinerfestspiele.de/theatertreffen/programm/2025/10-inszenierungen

https://www.berlinerfestspiele.de/theatertreffen/programm/2025/10-inszenierungen/inszenierungen-diskutiert

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