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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Lothar Schirmer, Verleger und Schirmherr der Künstler zum 80ten

„Zeige Deine Schätze“ – Gleich ob aus Fett, Filz, Wachs oder auf Papier

Von Petra Kammann

„Viel zu schön, um 2025 vergessen zu werden“, heißt es in der Vorschau von Lothar Schirmer, der als Verleger und Sammler eine ebenso prägende wie schillernde Figur ist. Der eigensinnig-gewitzte Pionier, der schon früh Joseph Beuys und Cy Twombly, deren Werke er sammelte und verlegte, nachspürte, weil er es immer genau wissen wollte, wird am 1. Februar 80. Und das in einem Jahr, das einen nach einem halben Jahrhundert seit der Verlagsgründung innehalten und dankbar zurückblicken lässt, nicht zuletzt auf eine reiche kulturelle zeitgenössische Vergangenheit. Sie spiegelt sich inspirierend im Programm des Verlags Schirmer & Mosel. Und das mit allem Irrwitz, mit modischen und zeitgeistigen Strömungen, mit viel Fotografie, Glamour, Film und mit ernsthafter Kunst und Literatur… FeuilletonFrankfurt zieht den Hut und sagt „Gratulation Lothar Schirmer! Lassen Sie uns nicht nur 2025 an Ihren Langzeitbelichtungen und Ihrer visionären Entdeckerfreude teilhaben.“

Verleger und Sammler Lothar Schirmer, Foto: Petra Kammann

Der Kunstsammler und nicht um Worte verlegene Verleger Schirmer hat sich zu seinem Geburtstag selbst und uns ein Geschenk gemacht: einen prächtigen Band mit seinen Kunstfavourites und Gesprächen mit der kenntnisreichen Kunstkritikerin Magdalena Kröner – ausgehend von der titelgebenden provokativen „Bienenkönigin“ von Joseph Beuys. Warum wohl wurde die „Honigpumpe“ auf der documenta 6 so legendär?

Kröner entlockt dem Verleger-Sammler Geschichten über Geschichten zu einzelnen Künstler- und anderen Persönlichkeiten. So gewährt uns der reichbebilderte Band einen anschaulichen Einblick in Schirmers weit verzweigtes Denken und humorvolles Wahrnehmen und Produzieren, das ihn bisweilen in die Nähe der experimentierfreudigen Surrealisten rückt. Auch nimmt er sich hin und wieder selbst auf die Schippe.  So darf „Der Verleger mit dem größten Vogel“ (hier der Star) von Martin Honert, mit dem er sich von Isolde Ohlbaum fotografieren ließ, in der Sammlung nicht fehlen.

↑ Lothar Schirmer im Gespräch mit der Frankfurter Fotografin Barbara Klemm bei der
↓ Max-Beckmann-Preis-Verleihung an Cindy Sherman im Römer 2019, Foto: Petra Kammann

Schirmer stellt diese kreativen Könner nicht auf einen Sockel, sondern bringt sie uns auf sympathisch-menschliche Weise näher (eigene Irrtümer nicht ausgeschlossen, s. die Begegnung mit dem ersten blauen Bild von Yves Klein in Gelsenkirchen, das er für aus dem Rahmen geklautes hielt), gleich ob Künstler wie die schon erwähnten Beuys und Twomblys, die Bechers aus der Düsseldorfer Schule mit ihren seriellen Fachwerkhäusern und Industrieanlagen und deren berühmten Schüler, die „Struffskys“, legendäre Galeristen wie Alfred Schmela in Düsseldorf oder René Block in New York oder renommierte Museumsdirektoren wie Arnim Zweite, die sich selbstinszenierende US-amerikanische Fotografin Cindy Sherman, die Frankfurter FAZ-Reportagefotografin Barbara Klemm, die uns alle prägende Bilder der Zeit auf so unnachahmlich atmosphärische Weise festgehalten hat, aber auch die Maler der jüngeren Generation wie Martin Assig oder Cornelius Völker, die großen Klassiker-Fotografen wie August Sander, Heinrich Zille oder Henri Cartier Bresson, dann Autoren wie der pilzsuchende Peter Handke, Verleger wie der einstige fabelhafte Hanser-Verleger und Autor Michael Krüger.

Beim Lesen fiebert man mit, was aus dem jeweiligen Deal mit Künstlern, Fotografen, Filmstars wie Hanna Schygulla, Filmemachern wie Wim Wenders, Modemachern wie Yves Saint-Laurent oder Galeristen wird und spürt förmlich, dass Entdecken, Sammeln, Verlegen in dieser engagierten Form immer einem Tanz auf einem feingespannten Seil gleicht. Und eigentlich sei die Begierde des Sammlers immer zu groß und das Portemonnaie immer zu klein. Dabei ist Schirmer ein so geschickter wie gewiefter Verhandler.

Der Verleger Lothar Schirmer an seinem Stand auf der Frankfurter Buchmesse, Foto: Petra Kammann

Der Satz, den Joseph Beuys einst zu Allerheiligen auf eine schwarze Tafel mit Kreide schrieb und der von Klaus Staeck als schwarze Postkarte mit weißer Handschrift  – gewissermaßen als „Kunst für alle“ – verlegt wurde, bringt uns unweigerlich ins Grübeln: “Der Fehler fängt schon an, wenn einer sich anschickt Keilrahmen und Leinwand zu kaufen. Joseph Beuys, 1.1.1985.“. Will Beuys damit das Ende der Kunst, die Utopie einer Revolution der Kreativität andeuten?

Wie auch immer – Schirmer hat 2013 mit seiner Schenkung der Beuys-Werke inklusive der Environments – an das Münchener Lenbachhaus, wo die eindrucksvolle Installation „Zeige Deine Wunde“ zunächst viel Bürgerprotest ausgelöst hatte, dort einen weiteren Raum für die zeitgenössische Moderne eröffnet und geschaffen. In einem der großen Räume im Neubau regiert jetzt Schirmers „Bienenkönigin“ von Beuys, aus der sich Honig saugen lässt.

„Mein Beruf ist es zu sehen und etwas Gesehenes zu zeigen“ , sagt der Verleger-Sammler Schirmer. Wer wollte seinem missionarischen Eifer da widersprechen?

Das Buch zum Geburtstag

„Einwandfrei“ waren die zur gleichlautenden Ausstellung Bilder und Papier-Werke von Joseph Beuys, die Lothar Schirmer 2017 im Lenbachhaus in einer besonderen Ausstellung zeigte. Darunter ein kleines, geradezu anrührend-poetisches Aquarell eines „berufslosen Abiturienten mit Kriegserfahrung“, das des Heimkehrers Joseph Beuys, aus dem Jahre 1945. Das kostbare Unikat zeigt eine nächtliche typisch italienische Zypressenlandschaft und somit auch die andere, die melancholisch-lyrische Seite des zu Beginn der Karriere als hochstaplerisch auftretenden Sammlers und Noch-Abiturienten Schirmer.

Ein Zufall, dass dieses besondere Aquarell auch aus seinem Geburts- und dem Schicksalsjahr 1945 stammt?

 

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