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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Sir András Schiff interpretiert Klassik-Klassiker mit der Cappella Andrea Barca in Kronberg

Wohlklang pur – Enge Verbindung zwischen Solist und Kammermusikensemble

Von Uwe Kammann

Matinee, das hat einen besonderen Klang. Ganz anders als der schlichte deutsche Vormittag. Tatsächlich aber bezeichnet die französische Vokabel dieselbe Tageszeit, hier aber in der Regel aufgeladen mit zusätzlicher Bedeutung. Es geht bei der Matinee meist um ein Kulturereignis, aber eben nicht zur gewöhnlichen Stunde. Sozusagen eine feierliche Umwidmung, etwas Herausgehobenes. So war es auch an einem Samstagmorgen (besser: Sonnabendmorgen?), der zudem Mitte Januar noch Weiteres parat hatte: einen strahlend blauen Himmel. Wenn solches Licht das silbern schimmernde Helmdach des Casals Form noch leichter schweben lässt, wird sich niemand dem Zauber des Ortes entziehen können.

Das Casals Forum der Kronberg Academy in strahlendstem Winterlicht, Foto: Petra Kammann

Oder, anders gesehen: Dieser Ort zieht an. Und dies doppelt und dreifach, wenn ein Konzert mit zwei Namen plakatiert ist: Mozart und Hadyn. Sie sind, mehr als buchstäblich, die Klassiker der Klassiker, diesmal vertreten mit Werken gegen Ende des 18. Jahrhunderts: den Klavierkonzerten Nr. 24 und 25 von Wolfgang Amadeus Mozart sowie dier Sinfonie Nr. 103 von Josef Haydn, bekannt als jene „Mit dem Paukenwirbel“ (nicht zu verwechseln mit der 94., etikettiert „Mit dem Paukenschlag“)

Frenetischer Applaus für Sir András Schiff und die Solisten der Capella Andrea Barca, Foto: Petra Kammann

Namen und Werke alleine sind schon attraktiv für ein Publikum, das mit Ankündigungen wie ‚Untersuchungen mehrschichtigen Klangmaterials’ wenig anfangen kann und mag. Wenig überraschend deshalb, dass alle Plätze im Casals Forum zur morgendlichen Stune besetzt waren. Man spürte sofort das, was man freudige Erwartung nennt, in einer heiteren Gespanntheit, weit weg von sonstigen samstäglichen Geschäftigkeiten. Und wenn sich die Vorhänge um die gläsernen Umrandungen des oberen Rang-Ovals schließen, offenbar sich ohnehin eine eigene Welt: Wo eben noch das Tageslicht den Saal mit der Kronberger Außenwelt verbindet, herrscht nun die gedämpft illuminierte Wohligkeit eines Innern, das – ganz wie es Architekt und Akustiker ersonnen und propagiert haben – an das Innenleben eines Streichinstrument erinnert.

Die Cappella Andrea Barca im Teatro Olimpico in Vicenza, Foto: Angelo Nicoletti

Dieses Mal kam noch eine weitere visuelle Attraktion hinzu. Noch bevor die Musiker der Cappella Andrea Barca die Bühne betraten, betörte in deren Mitte der mit edelflammendem Holz furnierte, hochglanzpolierte Korpus des Flügels mit seinem aufgeschlagenen Deckel. Ein Beiblatt im Programmheft klärte auf: András Schiff spielte einen (tatsächlich: seinen) Bösendorfer Konzertflügel, mit der genauen Bezeichnung Modell 280VC Vienna Concert. Als dann – nach der einstimmenden Exposition von Mozarts 1786 entstandenem Klavierkonzert – die ersten Töne zu hören waren, gab es sicher niemanden, der nicht versichert hätte: welch’ eine vollständige Übereinstimmung zwischen dem Augeneindruck und der Qualität für die Ohren. Der Eigenart des Klangs bei jedem Anschlag: vollkommen rein, von größtmöglicher Klarheit, aber ohne jene leicht metallisierende Strenge, wie sie eher die in Konzerten so beliebten Steinway-Flügel auszeichnet. Hier also, in jeder Nuance und in allen Stärken – vom feinsten Pianissimo bis zum kraftvollsten Forte – ein wunderbarer Klang, makellos in jeder Hinsicht.

Ein ebensolcher Wohlklang dann bei der Cappella Andrea Barca, das – wenn man so will – weitere Instrument Schiffs. Ein gut 40-köpfiges Ensemble, das als Kammerorchester fungiert, aber tatsächlich kein Orchester im klassischen Sinne ist. Denn alle Musiker sind auch eigenständige Solisten, von Schiff jeweils eingeladen werden, und dies seit der Jahrhundertwende. Auf vielen Festivals weltweit sind sie zu Hause, eine Bühne mit ganz eigenem Zauber bespielen sie im traditionellen Teatro Olimpico in Vicenza.

In der Partnerschaft mit dem Weltstar-Pianisten hat sich eine Homogenität herausgebildet, die fast vergessen lässt, dass natürlich bei jedem Konzert wieder neu die Einheit des Musizierens gewonnen werden muss. Hier, im Casals-Forum, ist das unter dem Reihentitel „Sir András Schiff – Künstler und Mensch“ gleichsam programmatisch zu verstehen: in der Rolleneinheit von Solist, Kammermusiker, Dirigent und Mentor.

Sir Andràs Schiff kurz vor der Abreise, Foto: Petra Kammann

Bei der Kronberger Matinee war zu erleben, bis zu welcher Perfektion dieser Zusammenklang getrieben werden kann. Die Übergänge vom Dirigat der reinen Orchesterpartien zu den Solo-Passagen am Flügel waren von gleitender Harmonie, der musikalische Fluss wurde nie auch nur für einen winzigen Moment unterbrochen, die Stimmigkeit des Ganzen war für alle im Publikum hör- und spürbar. Wer die Gesichter der Musiker studierte, der konnte in allen Momenten verfolgen, wie sie sich im bewegten Einklang befanden mit dem Spiel Schiffs und ebenso mit seinem Hand-Dirigat, das er eher sparsam einsetzte, mit erkennbar natürlichen Gesten.

Nun sind die beiden Klavierkonzerte Mozarts ebenso wie die Haydn-Sinfonie ohnehin Musterbeispiele für eine so melodiöse wie eingängige Grundlinie. Wobei Haydns 103.  Sinfonie – die vorletzte unter dem Siegel seiner Londoner Phase – einen so ungewöhnlichen wie originellen Beginn aufweist, dem sich der Beiname verdankt. Denn die langsame Einleitung wird mit einem lauten solistischen Paukenwirbel eröffnet, beim Kronberger Konzert sehr markant gespielt von Stefan Grawlick (auch hier wieder bewährte sich die neutral-atmende Akustik des Saals).

Eng mit den Solisten der Capella Andrea Barca verbunden: Andràs Schiff, Foto: Petra Kammann

Mozarts 25. Klavierkonzert – hier bildete es den Schluss, nach dem Auftakt mit dem 24. Klavierkonzert und der anschließenden Haydn-Sinfornie – ist das letzte Werk in seiner langen und äußerst erfolgreichen Reihe dieser Konzerte. Es gilt als feierlich-festliches Prunkstück, das auch die C-Dur-Tonart seiner strahlenden Jupiter-Sinfonie aufnimmt. Kompliziert und technisch anspruchsvoll, so beschreiben Musiker die Machart. Nun, dem innewohnenden Anspruch wurde die Cappella Andrea Barca in jeder Hinsicht gerecht, es gab keinerlei Unsicherheit, sondern trotz der imposanten Anlage, des erkennbaren Temperaments und der inneren Dynamik des Werks erklang es wie aus einem Guss. Das gilt auch für die überraschenden Übergänge, so vom zweiten Satz, einem Andante mit ausgesprochen friedvoller Ausstrahlung, zu einem übermütig-heiteren Finalsatz – stets ein reizvoller Klangraum um das funkelnd-virtuose Spiel András Schiffs.

Auch beim Auftakt-Klavierkonzert, der Nummer 24, war diese kongeniale Interpretation zu bewundern. Wobei hier – Tonart ist c-Moll – ein ganz anderer Charakter herrscht. Klagend, melancholisch, fast gedankenverloren, so setzt es ein, Klavier und Orchester scheinen miteinander ein fragend-zweifelndes Zwiegespräch zu führen. Der zweite Satz wiederum scheint diese Stimmung aufzulösen, beginnt auch in Es-Dur, um dann doch wieder in Moll zu wechseln, changierend in allen Farben und Stimmungen. Das Konzert berührt tief, das war im Kronberger Saal zu spüren, es war auch den Musikern anzusehen. Bei denen besonders der Flötist, Wolfgang Breinschmid, mit einer fast schmerzlich anmutenden lyrisch-sensiblen Intonation das Publikum in den Bann schlug.

Es sind sicher diese Qualitäten, die András Schiff – die englische Königin adelte ihn ja zum Sir – in seiner Wahl der Musiker am besten erkennen und zusammenführen kann, anders also, als wenn es um die jeweilige punktuelle Zusammenarbeit mit einem festen Orchester ginge. Dass er den überwältigenden Applaus erkennbar mit allen ‚Solisten’ und Gruppierungen des Ensembles teilte und feierte, unterstreicht diese enge Beziehung mit einer weiteren Note. Die Zugabe – der erste Satz des Brandenburgischen Konzerts von Joh. Sebastian Bach –  im innigen Zusammenspiel von Erster Geige und Flöte ließ das Publikum noch einmal jubeln und riss zu rhythmischem Klatschen hin.

Die organische Form des Konzertsaals und die tanzendenden Lichter sorgten für eine beschwingte Atmosphäre, Foto: Petra Kammann

Als die umlaufenden Vorhänge sich wieder öffneten, war das Casals Forum mit natürlichem Licht erfüllt. Die Besucher nahmen einen großen inneren Glanz mit auf den Heimweg.

 

Künftige Konzerte mit Sir Andràs Schiff:

Donnerstag, 27. Februar 2025, 19.45 Uhr:
Trio Schiff | Tamestit | Widmann
Sir András Schiff (PIANO), Antoine Tamestit (VIOLA), Jörg Widmann (KLARINETTE)
– LETZTE KARTEN ERHÄLTLICH!

Samstag, 28. Juni 2025, 19.15 Uhr:
Klavierabend mit Sir András Schiff
Sir András Schiff (PIANO)

Sonntag, 29. Juni 2025, 18.15 Uhr:
Klavierabend 4-händig
Sir András Schiff, Jean-Sélim Abdelmoula, Julia Hamos, Nathalia Milstein, Schaghajegh Nosrati (PIANO)

Termine „Building Bridges“ im Carl Bechstein Saal:

Freitag, 27. Juni 2025, 19.15 Uhr:
Sir András Schiff präsentiert junge Pianisten
Julia Hamos, Schaghajegh Nosrati (PIANO)

 

Sonntag, 29. Juni 2025, 11.00 Uhr:
Sir András Schiff präsentiert junge Pianisten
Jean-Sélim Abdelmoula, Nathalia Milstein (PIANO)

Tickets und weitere Informationen:

Das vollständige Programm aller Konzerte der Saison 2024/25 „Spielfreu(n)de“ findet sich auf www.kronbergacademy.de. Alle Karten sowie Tickets für die Konzertreihe „Sir András Schiff – Künstler und Mensch“ sind über die Website der Kronberg Academy, per Telefon unter 06173 – 783377 oder Mail unter karten@kronbergacademy.de sowie im Kartenbüro, Beethovenplatz 1, 61476 Kronberg im Taunus zu erwerben.

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