Faust-Preisträgerin Anna Drexer am Schauspiel Bochum
Anna Drexer in „Trauer ist das Ding mit Federn“
von Simone Hamm
Anna Drexler ist mit dem Faust, den Deutschen Theaterpreis 2024 ausgezeichnet worden. Für ihre Rolle in „Trauer ist das Ding mit Federn“, nach dem Roman des englischen Autors Max Porter, den Christopher Rüping fürs Theater adaptiert und auf karger, schwarzer Bühne inszeniert hat. Eine Leinwand, ein Stuhl, eine Videokamera. Wer sich davon überzeugen will, dass Anna Drexler diesen Preis mehr als verdient hat, der kann sich im Schauspiel Bochum davon überzeugen.
Anna Drexler, Risto Kübar (v. li.), Foto: © Jörg Brüggemann / Ostkreuz
Sie spielt eine Krähe, krächzend, laut, in wechselnden schwarzen Federkostümen, die durch dichten Nebel zu einer kleinen Familie fliegt. Eine junge Frau ist gestorben und hinterlässt einen Mann und zwei kleine Kinder. In dieser Wohnung ist „Jeder Zentimeter tote Mama“.
Der Mann arbeitet an einem Essay über Ted Hughes und dessen Gedichtzyklus „Crow – Krähe“. Krähe scheint daraus gekommen zu sein. Auf dem Manuskript des Vaters heißt jedes einzelne Kapitel: „Mir fehlt meine Frau.“
Krähe wird ihnen helfen, die Trauer auszuleben. Sie ist streng, fordernd, mitleidlos. Alles andere als einfühlsam. Sie kennt feinstes Psychologensprech und kann das auch rappen: „Das ist akute traumainduzierte Induktionsstörung.“
Anna Drexler Foto: © Jörg Brüggemann / Ostkreuz
Krähe drängt die Kinder, typische Gesten der Mutter nachzuspielen und filmt das. Und siehe da: Aus Zaudern wird ein lustiger Tanz. Erleichterung. Aus scheinbar schierem Aktionismus werden berührende Bewegungen.
An diesem Abend erleben die Zuschauer alle Formen der Trauer: die unendliche, die der Vater erlebt, wenn er sich an seine Frau erinnert. Die, die ruhige, die wilde, die aggressive, und auch die wütende.
Als nämlich Antne Rietmejer als Dämon im Phantasiekostüm der Familie suggerieren will, sie sei die wiederauferstandene Mutter, wird in einer krassen Actionszene der Dämon regelrecht zerhackt. In einem wilden blutigen Kampf, zerstört Krähe den Dämon.
Blut spritzt. Erbrochenes fließt über die Bühne. Zwei Männer tragen ein Klavier über die Bühne. Aber niemand wird Klavier spielen an diesem Abend. Es dient einzig dazu, dass der Mutterdämon sich unbemerkt hinterm Klavier aus dem Kostüm schälen kann.
Solche absurden Momente gibt es immer wieder an diesem Abend.
Anna Drexler, Jing Xiang, Alexander Wertmann (v. li.), Foto: © Jörg Brüggemann / Ostkreuz
Die Kinder Jing Xiang und Alexander Wertmann, der Vater Risto Kübar, die Mutter spielen allesamt großartig. Und dann gibt es noch Anna Drexler als Krähe.
Krähe wendet sich ans Publikum. Sie spielt nicht eine, sie spielt viele Rollen. Ist laut und streng, dann wieder witzig, ironisch. Krähe ist manchmal ein mythischer Vogel und dann wieder eine energische Trauerbewältigungshelferin.
Im Publikum waren Lachen und Schluchzen zu hören. Jeder hat einen solchen Verlust erlitten oder wird ihn erleiden. „Trauer ist das Ding mit Federn“ erzählt auch von der Liebe, die letztlich unbesiegbar ist – auch im Tod. Und das alles ganz unsentimental und Mut machend.
Die Schlussszene ist überwältigend. Ein Sturm aus Krähenfedern. Krähe muss gehen.
„Trauer ist das Ding mit Federn“ ist am Schauspiel Bochum noch zu sehen am 20., 24. März, am 6.,10. und 14. April