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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Bachs Weihnachtsoratorium in der Alten Oper mit dem Cäcilienchor

Die Zeichen stehen auf Neuanfang

Von Petra Kammann

Eine frische und stimmige Aufführung des Weihnachtsoratoriums (Kantaten I-IIl) des traditionellen Frankfurter Cäcilienchors und der Neuen Hofcappelle Frankfurt war zur großen Freude des Publikums unter der Leitung des jungen Dirigenten Johannes Antoni mit begnadeten Sängern wie dem Tenor Julian Prégardien als Evangelist und dem Bariton David Pichlmaier als Bass, Lara Rieken als Sopran und Nora Steuerwald als Alt in der Alten Oper Frankfurt zu hören…

Der Cäcilienchor und die neue Hofcapelle Frankfurt unter dem Dirigat von Johannes Antoni, Foto: Petra Kammann 

Die Solisten David Pichlmaier, Nora Steuerwald, Lara Rieken, Julian Prégardien und Dirigent Johannes Antoni, (v.li), Foto: Petra Kammann 

Zweifellos ist das Weihnachtsoratorium von Bach, jedenfalls in Deutschland, das meist aufgeführte klassische Barock-Werk der Vorweihnachtszeit. Doch als es vor fast 300 Jahren, am 25. Dezember 1734  als „Oratorium zur Heiligen Weihnacht“ seine Uraufführung mit dem Thomanerchor in der Leipziger Nikolaikirche und der St. Thomas-Kirche erlebte, hatte Bach sechs Kantaten für die sechs christlichen Festtage zwischen dem Ersten Weihnachtstag am 25. Dezember, und dem Dreikönigstag am 6. Januar geschrieben.

Zu Bachs Zeiten wäre ein so weltlicher Veranstaltungsort wie die Alte Oper (die es auch noch nicht gab) nicht in Frage gekommen, Foto: Petra Kammann

Schon der Name Alte Oper wäre als Veranstaltungsort vermutlich damals ein Sakrileg gewesen, hatte man den kreativen Leipziger Thomanerkantor doch immer mit dem Vorwurf konfrontiert, er würde statt frommer Gesänge eigentlich nur Opernarien schaffen, was den Ratsherren und Theologen extrem missfiel…  Aber das ist ein anderes Kapitel. Für die Aufführung in der Alten Oper in Frankfurt waren am vergangenen Sonntag die Kantaten I-III ausgewählt worden, wo unter den rund 1800 Besuchern wohltuend viele junge Gesichter zu sehen waren. Das Oratorium des Meisters kirchlicher Musik hat inzwischen längst die profanen Konzertsäle erobert und zieht inzwischen wieder junge Leute an.

Aber auch sie wurden jenseits der religiösen Tradition gleich von Beginn an mit Pauken und Trompeten emotional daran erinnert, dass Weihnachten nicht mehr auf sich warten lässt. Der Ausruf des Chores „Jauch-zet, Froh-lo-cket!“ unisono wurde zum Startsignal für die festliche Stimmung der anstehenden Tage, die uns durch die berührende Musik für eine Weile das Krisenhafte dieser Tage vergessen lässt. So heißt es im Eingangschor auch gleich weiter: „Auf preiset die Tage,/Rühmet, was heute der Höchste getan!/ Lasset das Zagen, verbannet die Klage, /Stimmet voll Jauchzen und Fröhlichkeit an!“

Die große Transparenz der Orchestermusiker und -musikerinnen beeindruckte, Foto: Petra Kammann

Der tänzerische Schwung des Orchesters, der festlichen Glanz verströmt, nimmt die Zuhörer im Saal gleich mit und greift diese Vorfreude auf das anstehende Fest von Christi Geburt in der Krippe auf. An den Köpfen der anwesenden Zuhörerinnen und Zuhörer lässt sich ablesen, dass etliche Besucher die Melodien der von Bach eingebauten Choräle verinnerlicht haben und sich übers Erkennen und „Wiederhören“ freuen.

Wenn dann der gefeierte Tenor Julian Prégardien, einer der weltweit begehrtesten Interpreten von Johann Sebastian Bachs Evangelisten-Partien, völlig frei und ohne einen Blick auf die Partitur anhebt und mit sowohl kraftvoll-eindringlicher Stimme als auch mit weicher Empathie durch die pauken- und trompetensatte Weihnachtsmusik führt, ist auch noch das letzte Eis gebrochen.

Stark und ebenso souverän auch der Einsatz der Bass-Arie durch David Pichlmaier „Großer Herr, o starker König, liebster Heiland, o wie wenig/Achtest Du der Erden Pracht!/Der die ganze Welt erhält, Ihre Pracht und Zier erschaffen,/ Muss in harten Krippen schlafen“. Mit seiner kraftvollen Stimme stellt er die einzigartige Herrlichkeit des neugeborenen Gottessohnes trotz der armen Herkunft heraus. Gelungen auch sein bewegendes Duett „Herr, dein Mitleid, dein Erbarmen/ Tröstet uns und macht uns frei“ mit der jungen Sopranistin Lara Rieken.

Man merkt Pichelmaier an, dass er schon mit so renommierten Dirigenten wie Helmut Rilling, Markus Stenz, Constantin Trinks oder auch Thomas Hengelbrock zusammengearbeitet hat und als Solist auf den großen Konzertsälen wie dem Wiener Musikverein, der Kölner und Berliner Philharminie oder der Tonhalle Zürich hervorgetreten ist.

Von Beginn an war das Publikum begeistert, Foto: Petra Kammann

Überraschend hingegen war, dass nach jeder gelungenen Arie immer auch gleich fröhlich geklatscht wurde. Das wirkt zunächst für geschulte Hörer etwas befremdlich, ist vielleicht aber ein Anzeichen dafür, dass sich in der Rezeption von Musik gerade auch die Rituale ändern.

In jubilierenden Momenten des Weihnachtsoratoriums erlebt man das als weniger störend als in den nachdenklicheren melancholischeren Szenen wie etwa  im Zweiten Teil, wenn die Querflöte anmutig die Arien umspielt und in der Alt Arie „Schlafe, mein Liebster, genieße der Ruh!“, die Mezzosopranistin Nora Steuerwald (Alt) zum durchdringenden Timbre ihrer Stimme findet und man das Verharren auf einem Ton noch eine Weile in der Schwebe genießen und die Stille auskosten möchte ebenso wie das stille Nachdenken über das weihnachtliche Geheimnis, das Bach durch seinen „überzeitlichen Ton“ so unnachahmlich gestaltet hat. Man denke nur an die innige Arie „Schließe, mein Herz, dies selige Wunder“ im Dritten Teil, in dem die Mezzosopranistin zu ihrer vollen Entfaltung kam.

Hervorragend war auch die musikalisch diffrenzierte Begleitung, welche die erste Violinistin Carolina Ehret einstudiert hatte – auch sie bekam neben den Solisten und dem Dirigenten den berechtigten Beifall wie der Cellist Johannes Berger. Und dem renommierten Frankfurter Cäcilienchor, der nach etlichen Jahren mit Christian Kabitz nun schon eine Weile ohne festen künstlerischen Leiter arbeitet, ist ihnen da etwas Besonderes gelungen.

Auf das Antrittskonzert vom neuen Künstlerischen Leiter Christian Rohrbach am 5. April 2025 darf man also gespannt sein. Der Cäcileinchor ist wandlungsfähig und die Zeichen stehen auf Neuanfang beim zweiältesten Oratorienchor Deutschlands, der in den frühesten Tagen von Mendelssohn Bartholdy und zuletzt vom jungen hochbegabten Dirigenten und Frankfurter Shootingstar Thomas Guggeis geleitet wurde.

Die Freude über das gelungene Zusammenspiel war riesig, Foto: Petra Kammann 

www.cäcilienchor.de

 

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