Eric Gauthier Dance mit „Elements“ am Schauspiel Köln / tanz.köln
Feuer. Wasser. Erde. Luft
von Simone Hamm
Ein ausgesprochen disparates Programm auf der Bühne des Köner Depots
Elements Mauro Bigonzetti / Sharon Eyal / Andonis Foniadakis / Louise Lecavalier Gauthier Dance & Dance Company Theaterhaus Stuttgart Choreografie: Mauro Bigonzetti, Sharon Eyal, Andonis Foniadakis & Louise Lecavalier, Foto: Jeanette Bak
Feuer:
Sharon Eyal ist mit ihren Choreografien, bei denen Tänzer und Tänzerinnen auf halber Spitze unaufhörlich kleine Schritte machen, bekannt geworden. Ihr „Feuer“ brennt leise. Eng stehen die 16 Tanzenden zusammen. Sie tanzen zu den harten Beats von Eliza.
Es tanzt die gesamte Kompanie, aber Sharon Eyal hat ihr Stück „Alone“ genannt. Und eine, einer oder zwei recken sich manchmal, strecken die Arme aus, treten ein kleines Stückchen vor. Sie wirken tatsächlich isoliert. Hände flattern. Als züngelten Flammen in einem Kaminfeuer.
Luft:
Louise Lecavieler, die einst bei Lalala Human Steps tanzte und heute bisweilen immer noch auf der Bühne steht, hat das Solo „Ether“ choreografiert. Zum ersten Mal hat sie ein Stück für eine andere Kompanie geschrieben, ein Solo. Ein großer Ventilator steht da, wird aber nicht angeschaltet. Louise Lecavalier spielt mit dem Thema Luft. Sie, die berühmt ist für ihre Akrobatik hoch oben in der Luft, die horizontale Pirouetten drehen konnte wie keine andere, und weit, weit springen, die mit David Bowie auf Tournee ging und im Hintergrund flog, lässt die wunderbare Anneleen Dedroog am Boden. Da gibt es keine hohen Sprünge. Keine weit ausholenden Bewegungen. Kein Fliegen.
Anneleen Dedroog wird zum Aerosol. Sie bewegt sich am Boden, macht sehr zarte und feine Bewegungen. Mit Händen, Fingern, Füßen, Zehen, Schultern, mit dem Rücken, dem Kopf, den Armen und Beinen. Und das alles sehr schnell. Sehr elegant. Und doch ist immer die ungeheure Kraft zu spüren, mit der sie zur Musik von Arkin Allen a.k.a. Mercan Dede tanzt. Eine großartige Choreografie für eine großartige Tänzerin.
Eric Gauthier will mit seiner Kompanie auch die erreichen, die zeitgenössischen Tanz noch nicht kennen. Gauthier Dance geht an Schulen, in Krankenhäuser, Jugendhäuser, Seniorenheime. Eine uneingeschränkte großartige Idee. Vielleicht, weil er alle ansprechen will, hat Gauthier auch zwei zwar tänzerisch anspruchsvolle, aber inhaltlich sehr schlichte Stücke auf die Bühne des Depots in Köln gebracht.
Wasser:
„Almyra“ heißt das Stück von Andonis Foniadakis. „Almyra“, das ist der Moment, wenn das Salzwasser auf der Haut trocknet und das Salz leise knackt. In Köln war keine Spur von „leise“ zu sehen. Hier liegt niemand ruhig am Strand, hier plätschern keine Wellen. Das Meer hat ungeheure Kraft.
Bombastische Musik (Julian Tarride) erklingt, in einer Lichtprojektion (Lichtdesign: Sakis Birbilis) entsteht ein riesiger Strudel. Nebelschwaden wabern über die Bühne. Eine Tänzerin im türkisblauen samtenen Body wird von einer anderen getragen wie ein ertrunkenes Kind. Das Meer von Andonis Foniadakis, der in Kreta geboren und aufgewachsen ist und dessen Vater Fischer war, ist bedrohlich. Es ist tückisch, gefährlich, totbringend.
Man könnte glauben, die Kompanie hätten sich im Aufführungsort vertan, sie befände sich auf der falschen Rheinseite, statt im rechtsrheinischen Depot, wo in der Regel zeitgenössischer Tanz in all seinen Facetten zu sehen ist, da wären sie doch besser im linksrheinischen Musical Dome aufgetreten. In den besten Momenten erinnerte „Almyra“ an den Cirque du Soleil. Hebefiguren und Spagate erzeugen das Gefühl von rollenden Wellen. Meist war aber war es nur laut und kitschig.
Erde:
Gudrun Schretzmeier scheint die Kostüme vom Plakat zu Bernardo Bertoluccis „1900“ genau studiert zu haben. In rostrot, braun, beige, verwaschenem Grün gehalten, erinnern sie an Erde, Wiese, Getreidefelder. „Spighe (Ähren)“ heißt Mauro Bigonzettis Werk.
14 Tänzer zeigen harte Feldarbeit, Flucht und Vertreibung. Zu italienischen Chansons, Scarlatti, Morricone tanzen sie sehr traditionell. Sehr ästhetisch. Diese Bauern machen sich die Hände nicht wirklich schmutzig. Allenfalls lassen sie imaginäre Erde durch ihre Hände rieseln. Manchmal erinnert das an Volkstanz. Ein Mann und eine Frau zerren an zwei Griffen eines Koffers. Sie wollen gehen, sie wollen bleiben. Das ist alles sehr seicht, sehr leicht konsumierbar und eben auch an der Grenze zum Kitsch. Die Kostüme sind das Schönste an dieser Choreografie.
Ein sehr gemischtes Programm also. Umwerfende Luft, gekonntes Feuer, zirkusmäßiges Wasser und seichtes Landleben.
Da dachte man ein bisschen wehmütig an „Die sieben Todsünden“ von Gauthier Dance zurück, wo sieben exzellente Choreografien Hochmut, Habgier, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Faulheit vertanzen. Und jedes Stück war gelungen.