Händels Oper „Orlando“ an der Oper Köln
Liebende im Spiegel der Zeit
Von Simone Hamm
Orlando ist geradezu besessen von seiner Liebe zu Angelica. Darüber vergisst er seine Pflichten als Feldherr. Angelica hat sich heftig in Medoro verliebt. Auch Dorinda liebt Medoro und weiß doch, dass es vergeblich ist. Sie wird auf ihn verzichten. Der Zauberer Zoroastro kann in die Zukunft schauen und sieht, dass Orlando wieder ein ruhmreicher Soldat werden wird. Das sind die fünf Personen in Händels Oper „Orlando“ aus dem Jahre 1733…
Alina König Rannenberg, Giulia Montanari, Adriana Bastidas-Gamboa, Foto: Matthias Jung
Der spanische Regisseur Villalobos hatte „Orlando“ für das katalanische Festival Perelada inszeniert. Da war es aber – wegen der Pandemie – nur ein einziges Mal zu sehen.
Villalobos hat sich von Virginia Woolfs gleichnamigen Roman inspirieren lassen. Hier gleitet Orlando durch die Zeiten von der Renaissance bis in die zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Er wechselt auch sein Geschlecht.
Ein Schreibtisch voller Bücher ist das einzige Möbelstück auf der Bühne. Später wird noch ein ausklappbares Bett hinzukommen. Die berühmte grüne Berliner Messinglampe steht auf dem Tisch. Und eine Schreibmaschine.
Dorinda hat die Haare streng zurückgebunden. Sie sieht aus wie Virginia Woolf auf dem berühmten Portraitfoto von Gisèle Freund. Immer wieder wird sie zu ihrem Tisch zurückkehren, um zu tippen oder zu schreiben, was sie gerade erlebt hat.
Xavier Sabata, Foto: Matthias Jung
Countertenor Xavier Sabata in gelben Hosen und einem halben langen Faltenrock darüber, singt den Orlando. Er wird wahnsinnig werden über seine unerfüllte Liebe zu Angelica. Xavier Sabata singt dann auch sehr intensiv und kraftvoll, vor allem natürlich die Wahnsinnsszene im 2. Akt.
Gianluca Buratto ist der Zauberer mit kräftiger Bassstimme.
Ein großer Spiegel hängt über der dreieckigen Bühne. Manchmal spiegeln sich die Figuren darin wieder, verdoppeln sich, zerfallen in zwei Personen. Sinnbild für den Wahnsinn auf der Bühne? Für das Zerfallen der Geschlechter?
Alina König Rannenberg ist die unglückliche Dorinda, das alter ego von Virginia Woolf. Sie singt ergreifend schön. Die Mezzosopranistin Adriana Bastidas-Gamboa ist der sanfte Medoro. Sie spielt erst einen jungen Mann, dann löst sie die Haare und wird wird zur Frau.
Sie singt sehr sinnlich und macht verständlich, warum alle nach ihr verlangen. Sie soll wohl Vita Sackwille-West, die Geliebte und spätere gute Freundin Virginia Woolfs sein. Giulia Montanari ist die schöne, untreue Prinzessin Angelica. Leuchtend hell singt sie ihre Koloraturen. Sie soll Violet Trefusis sein, Schriftstellerin und langjährige Geliebte Vita Sackville-Wests.
Rafael R. Villabos hat „Orlando“ etwas überfrachtet. Er hat aus Händels Liebesränken ein ganzes Universum schaffen wollen. Allerdings mit seltsam statisch agierenden Personen. Dabei passiert doch eine ganze Menge bei Händel: Leidenschaft und Eifersucht, Wahnsinn.
Die großartigen Sänger aber und das Gürzenich Orchester unter der Leitung von Rubén Durovsky bringen den Schwung, den die Inszenierung vermissen lässt. Die Musiker unterstreichen die Emotionen der Sänger sensibel – vom stillen Leiden hinzu unsäglicher Wut.
„Orlando „wird in Köln noch zu sehen sein am:
6.12.2024 und am 8.12.24