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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Fördert Kunst, Kultur und Wissenschaft: Die Rudolf-August-Oetker-Stiftung

Vorständin Dr. Birgit Sander stellt Ziele, Konzeption, Geschichte und Arbeitsweise vor – Niederlassung in Frankfurt

Von Uwe Kammann

100 Millionen Euro Stiftungskapital: wahrlich kein Pappenstiel, um auf dieser Grundlage „lebendige Kunst und Kultur in Deutschland“ zu fördern. So lautet nämlich – in einer klaren Eingangsformel zusammengefasst – das Ziel der Rudolf-August-Oetker-Stiftung.

Museumsleiterin des Museum Giersch bis 2022 Dr. Birgit Sander –  fachkompetent und engagiert; Foto: MGGU

Wieviel das im Jahr bedeutet, auf welche Gesamtsumme die geförderten Projekte kommen können, das verriet Vorständin Dr. Birgit Sander nicht, als sie kürzlich die Ziele, die Konzeption, die Geschichte und die Arbeitsweise der Stiftung im Kuratorium Kulturelles Frankfurt vorstellte. Nun, bei üblichen Erträgen dürften es überschlägig wohl um die fünf Millionen Euro im Jahr sein. Auf jeden Fall aber, so erfuhr es der Teilnehmerkreis an diesem Abend in der Villa Metzler, lässt sich mit den Erträgen des Stiftungskapials einiges anfangen, und dies auf vielfältige Weise.

Inzwischen, so Birgit Sander, hat die 1998 gegründete Stiftung schon mehr als 500 Projekte gefördert, darunter auch eine ganze Reihe im Rhein-Main-Raum. Das Städel, das Freie Deutsche Hochstift, das Romantik-Museum, das Historische Museum, das Senckenberg-Museum, sie alle haben von der Unterstützung im Namen Oetkers profitiert. Eine der letzten, besonders markanten Kooperationen galt einem Musik-Film-Projekt, dem Festival „Amazonia“ in der Alten Oper, in dessen Mittelpunkt das Werk des brasilianischen Fotografen Sebastiåo Salgado stand.

Begeistert aufgenommene Ausstellungen wie jene, die den Malerinnen Ottilie Roederstein oder Lotte Laserstein gewidmet waren, wären ohne die Unterstützung der Oetker-Stiftung nicht so leicht zu realisieren gewesen. Das Spektrum der Förderaktivitäten ist weit, es reicht von denkmalpflegerischen Projekten über Unterstützungen bei Ankäufen, Ausstellungen, Restaurierungen und wissenschaftliche Bestandserfassungen in Museen und Kultureinrichtugnen bis zu Veranstaltungen in den Bereichen Musik und Literatur.

Dr. Birgit Sander 2017 im Museum Giersch anlässlich der Vernissage von „Ersehnte Freiheit. Abstraktion in den 1950er Jahren“ , Foto: Petra Kammann

Was wohl viele Kunst- und Kulturfreunde in Frankfurt nicht wissen: Die Stiftung unterhält in der Stadt am Main, inzwischen eine Niederlassung, von hier aus leitet und organisiert auch die Vorständin und Geschäftsführerin seit nunmehr zwei Jahren, also seit November 2022, die Aktivitäten und Geschicke. Dass Birgit Sander das nicht unlieb ist, ist nur zu verständlich. Denn zuvor leitete die Kunsthistorikerin – mit großem Erfolg – das Museum Giersch, eine ganz besondere Perle in der Kette der renommierten Häuser am Museumsufer. Auch hier stand eine gründende Stiftung am  Anfang, bevor das Museum der Goethe-Universität übertragen wurde.

Zur Kunstbindung gehört auch eine ganz private Verbindung, denn Birgit Sander ist mit Prof. Dr. Jochen Sander, dem Leiter der Abteilung Alte Meister im Städel-Museum, verheiratet (der dort gerade wieder mit einer fulminanten Rembrandt-Ausstellung ein Glanzlicht setzt). In jedem Satz von Birgit Sander – im Rahmen eines von Cornelia von Wrangel kenntnisreich moderierten Gesprächs – spürte das Publikum die Begeisterungsfähigkeit und das Engagement der Vorständin der Oetker-Stiftung, die auch in Bildern einige der Förderprojekte vorstellte, nicht zuletzt jene, welche der Stiftung besonders am Herzen lagen: die Restaurierung und Sanierung von heruntergekommenen Dorfkirchen in den ostdeutschen Ländern, ein Rettungswerk nach der Wende.

Denn auch Bereiche wie Denkmalpflege, Kunsthandwerk und Textilkunst gehören zum Förderportfolio. Flexibilität und Kooperationsbereitschaft sind selbstverständlich; so war an der Rettung der Dorfkirchen auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz beteiligt.

Dr. Birgit Sander (li), Vorständin der Rudolf-August-Oetker-Stiftung im Gespräch mit Cornelia von Wrangel, Vorstandsvorsitzende des Kuratoriums Kulturelles Frankfurt, Foto: Uwe Kammann

Natürlich durfte bei den Gesprächsthemen in der Villa Metzler ein Stichwort nicht fehlen: Backpulver. Schließlich ist mit diesem Produkt der Name Oetker untrennbar verbunden, zumal es auch am Anfang des dann phänomenalen Aufstiegs des Unternehmens stand. Der Start zum nach und nach weltweiten Erfolg des jetzigen Mischunternehmens fußte auf der „genialen Idee“ (Sander) eines Bielefelder Apothekers, das Hilfsmittel portionsgerecht für einen Kuchen in Tüten anzubieten. Dass später der Name Oetker auch für Nähe zum Nationalsozialismus stand, ist der Unternehmensgeschichte ebenso eingeschrieben – und inzwischen – so beurteilen es die Fachleute der damit verbundenen Fragen – historisch-publizistisch vorbildlich aufgearbeitet worden.

Die Linien der auf diese Art auch belasteten Familiengeschichte zeichnete Birgit Sander aufschlussreich in allen Verzweigungen nach. Zu der jetzigen Konstellation – bestehend aus acht Geschwistern – gehört, dass die Familie die unternehmerischen Aktivitäten aufgeteilt hat, was auch zur Gründung von zwei Stiftungen führte. Einmal eben die sich um die Förderung von Kunst, Kultur und Wissenschaft kümmernde Rudolf-August-Oetker Stiftung, gegründet (und nach ihm benannt) von dem Bielefelder Unternehmer Rudolf-August Oetker (1916-2007). Und zum anderen die Ida-und-Richard-Kaselowsky Stiftung, benannt nach den Großeltern August Oetkers, deren Arbeitsschwerpunkte im Bereich der Jugendförderung liegen. Damit soll auf sehr vielfältige Art einem zentralen Antrieb des Oetker-Familienkreises entsprochen werden: sich gesellschaftlich zu engagieren.

Die Beschlüsse, welche Projekte – für die gut begründete Förderanträge eingereicht werden müssen – durch den von Birgit Sander geführten Kunst-und-Kultur-Zweig tatsächlich unterstützt werden, fasst ein Kuratorium, in dem auch der Oetker-CEO und drei Oetker-Kinder vertreten sind. Diese strukturell wichtige Zusammenarbeit, so die Vorständin, laufe in der Regel reibungslos. Natürlich gebe es in einzelnen Fällen unterschiedliche Auffassungen, schon alleine deswegen, weil ein im Geschäftsbetrieb agierender Manager mitunter nach anderen Kriterien und aus unterschiedlichen Perspektiven urteile. Doch das sei auch produktiv, es komme immer zu einer Lösung, die gemeinsam getragen werde.

Gegenüber staatlichen Subventionen und Förderungen von Kunst, Kultur und Wissenschaft, so betonte Birgit Sander auf Nachfrage aus dem Publikum, habe eine Instituion wie die Rudolf-August-Oetker-Stiftung einen entscheidenden Vorteil: „Wir können viel schneller reagieren, und wir können die Bürokratie übergehen.“ Was sie hingegen schmerze und bedaure, gerade angesichts der auch wegen der Corona-Lasten stark gestiegenen „Flut von Anträgen“: „Wir können nicht alles machen.“ Und eines schloss sie aus: Die auch bestehende bedeutende Oetker-Kunstsammlung werde nicht öffentlich zugänglich gemacht. Sie ist weiterhin eine private Angelegenheit der Geschwister, bildet eine Schatzkammer in der Oetker-Heimatstadt Bielefeld, die auch Sitz der zusammenfassenden Holding ist.

Nun gut, werden da Frankfurter sagen und an eine mit einer Krimikomödie verbundene Verschwörungstheorie erinnern, die schlicht und einfach besagt: Bielefeld gibt es nicht. Das hat von Frankfurt noch niemand behauptet. Und sie brauchen nur zu einer Villa an der Freiherr-vom-Stein-Straße 63-65 zu pilgern, um sich zu vergewissern: Die Rudolf-August-Oetker-Stiftung, die gibt es inzwischen als Niederlassung hier wirklich. Wenn sie Glück haben, schaut Birgit Sander aus dem Fenster – und fixiert ein neues Projekt.

 

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