„Paths Unseen: The Sounds of Glenkeen“- Klangliche und musikalische Erkundungen eines irischen Landschaftsparks mit dem Ensemble Modern
Das Wasser, den Wind und das Ende der Zeit hören
von Petra Kammann
„The Language of Water“ for Ensemble and electorincs (2021/24). Eine magische Uraufführung der mexikanischen Komponistin Tania Rubio als Ergebnis eines Artist-in-Residence-Aufenthalts in dem von der Fotografin, Psychologin und Stifterin Ulrike Crespo (1950-2019) gestalteten Landschaftspark Glenkeen Garden an der Südwestküste Irlands war im Frankfurter Crespo Haus live zu erleben mit Streichern, Bläsern, Perkussionisten, einem Pianisten samt Elektronik des Ensemble Modern unter der Leitung der litauischen Dirigentin Raimonda Skabeikaitè und der Klangregie von Moritz Fischer.
Die mexikanische Komponistin Tania Rubio mit Mitgliedern des Ensemble Modern, Foto: Petra Kammann
Ein ganz besonderer Abend. Schon das Ankommen. Auf dem Weihnachtsmarkt schieben sich trotz der aktuellen Sicherheitsbestimmungen und Kontrollen Massen von Menschen. Biegt man dann in die Weißfrauenstraße ein, wird es dunkler und auch ruhiger. Da ragt neben dem Karmeliterkloster tagsüber die Spitze neben dem dem kürzlich eröffneten Crespo Haus im 5oer Jahre Gebäude wie ein gläserner Keil heraus und führt eine Etage tiefer in den Boden, in den Open Space, wie der Raum neudeutsch heißt.
Vorständin der Crespo Fopundation Christiane Riedel (li) beglückwünscht Tania Rubio für die Komposition, Foto: Petra Kammann
An zeitgenössischen Themen und deren künstlerischer Umsetzung interessierte Menschen haben sich hier eingefunden. Einige schauen sich die derzeitig dort ausgestellten Kunstwerke an, die im Rahmen eines Artist-in-Residence-Programms zwischen 2021 und 2023 in Glenkeen Garden (auf Irisch“schönes Tal“), dem Landschaftspark an der Süd-West-Küste Irlands, entstanden sind. Die Namensgeberin des Hauses, Ulrike Crespo, hat ihn vor 20 Jahren gegründet, gestaltet und zur Hälfte auch so belassen.
Klangregisseur Moritz Fischer mischt und verstärkt die Live-Töne und entwirft eigene musikalische Elemente, Foto: Petra Kammann
Doch an diesem Freitag gehe es vor allem um Klang-Landschaften, die dort entstanden, sagt Vorständin Christiane Riedel leise. Der untere Raum, der modellierbare Open Space, ist jetzt abgedunkelt. Immer wieder sieht man, wie neugierige Passanten am oberen freigebliebenen Fensterschlitz aufmerksam stehenbleiben und versuchen zu erkunden, was da unten wohl vor sich gehen mag. Nach einer ersten kleinen Panne sind alle Lautverstärker im Raum vernetzt. Das hat der erfahrene Klangregisseur Moritz Fischer schnell arrangiert. Er lässt sich nicht so leicht aus der Fassung bringen, behält den Überblick. Und schon setzt unmittelbar darauf die litauische Dirigentin Raimonda Skabeikaitè präzise ein und gibt den professionellen Musikern und Musikerinnen des Ensemble Modern die passenden Signale.
↑ Dirigentin Raimonda Skabeikaitè und
↓ Mitglieder des Ensemble Modern, Foto: Petra Kammann
Ja, wie klingt denn die Natur? Leise werden wir zunächst klanglich in die Natur eingeführt, in das sanfte Rauschen der Äste, mit zarten, teils gehauchten Tönen, teils auf den Streichinstrumenten geklopften und gezupften, man erlebt das Vogelgezwitscher, das Summen der Insekten, das Katzengejammer über das Spiel des Xylophons, scheppernde Eimer, das Quaken der Frösche. Man hört den fast monotonen Nieselregen, auch das allmähliche Anschwellen der Lautstärke, als der Platschregen einsetzt, da gehen Menschen mit Regenschirmen durch den Raum, die Perkussionen werden stärker, die Bläser stoßen von zwei Seiten dazu auf die Bühne, als das Unwetter droht, apokalyptische Ausmaße anzunehmen, bis es Plop plop macht und die Geräusche ganz allmählich wieder in der Ferne verschwinden, man nur noch ein zartes Vogelgezwitscher vernimmt und ein Herzklopfen, bis die totale Stille eintritt. Das Leben und Vergehen in der Natur wird auf eindrucksvolle Weise hörbar.
↑ Beim einsetzenden Platschregen gehen Menschen mit Regenschirmen durch den Raum
↓ Bedrohlicher klingt es schon , wenn die Hörner hinzustoßen, Foto: Petra Kammann
Die Komposition „The Language of Water for ensemble and electronics“ (2021/2024) war 2021 aus den Erfahrungen der mexikanischen Klangkünstlerin Tania Rubio in dem natürlichen Umfeld von Glenkeen Garden entstanden und kam hier in Frankfurt erstmals vor Publikum im gut besetzten Saal zur Uraufführung. Die Komponistin, die aus Mexiko-City, einer der lautesten Städte der Welt, stammt, hatte sich von der dortigen Stille, von der Vielfalt der Moor-Landschaft mit ihren Mauern und Hecken, vom satten Grün der Natur, vom Wasser und dem nahen Meer und der Bedeutung des Wassers La Lebenselixier inspirieren und leiten lassen, um die Beziehung zwischen Mensch und Natur besser zu verstehen. Sie lauschte den verschiedenen Strömungen und dem Lauf des Wassers, auf das so viele Lebewesen angewiesen sind, und das gleichwohl auch im Falle von Fluren eine zerstörerische Wirkung hat.
↑↓ Partitur, Mischpult und Laptop, Arbeitsgrundlage für den Klangregisseur Moritz Fischer, Foto: Petra Kammann
Großer Applaus für die Musiker und die Dirigentin, Foto: Petra Kammann
So wurde „The Language of Water“ eine „Hommage an die Natur und die Kraft des Wassers, das die Macht hat, zu reinigen, Leben zu schaffen und zu zerstören“, so Tania Rubio, denn Vögel, Insekten, Pilze, Pflanzen, Menschen und unzählige andere Lebensformen seien auf Wasser angewiesen. Daher erforsche ihre Komposition Möglichkeiten, dem Wasser, dieser lebenserhaltenden Substanz, das die Grundlage des funktionierenden Ökosystems bildet, zu lauschen. In ihrer Arbeit hat Rubio die Sprache des Wassers, übrigens auch mit wissenschaftlicher Unterstützung der Senckenberg Stiftung, erforscht, Geräusche aufgenommen und sich ihr aus ästhetischer, ökologischer, politischer und biokultureller Perspektive in dem irischen Naturreservat angenähert.
„Meine Methodik bedient sich gemischter Forschungsstrategien: Erstens: Hören, aufnehmen und analysieren natürlicher Klanglandschaften. Zweitens: Sammeln und analysieren von Kompositionen von 1970 bis heute, die sich auf dieses Thema beziehen. Drittens: Untersuchung dieser Analysen unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Wissenschaft auf dem Gebiet der Bioakustik und Ökoakustik. Auf diesen Erfahrungen und Erkenntnissen aufbauend erschaffe ich neue Kompositionen, die die Hörerfahrung erweitern sollen“, sagt sie über ihre Vorgehensweise.
Experiment gelungen: beglückt umarmen sich die Komponistin Rubio und die Dirigentin Skabeikaitè, Foto: Petra Kammann
Entstanden war so ein fein aufeinander abgestimmter musikalischer Kosmos aus real spielenden brillanten Musikern und Musikerinnen des Ensemble Modern, die aus verschiedenen Ländern ihre Erfahrungen mit einbringen, und der zugeschalteten elektronischen Verstärkungen anhand der vorliegenden Partitur. Es folgten jeweils nach einer kurzen Pause noch zwei weitere musikalische Darbietungen wie die 4.2-Kanal-Sound-Performance „Wü Li Yen Wù“ von Strwüü mit Jo Wanneng & Lukas Fütterer und das rein elektronische Konzert „IImeall on Costa“ von Marcus Maeder.
Viel Aufmerksamkeit erregte der Soundkoffer neben dem Synthesizer, Foto: Petra Kammann
Aber eigentlich hätte es an diesem Abend keiner weiteren Komposition bedurft, auch wenn die anderen beiden musikalischen Erkundungen interessante andere neue elektronische Wege gingen, um klanglich die Ökologie der Küstenlandschaft zu erkunden. Die Fotokünstlerin und Gartengestalterin Ulrike Crespo, die mal in Irland mal in Frankfurt lebte und der diese musikalischen Einlassungen zu verdanken sind, hätte vermutlich ihre Freude an der Komposition der aufmerksamen Musiker und Musikerinnen und ihrer Umsetzung ihrer Idee von der Beziehung Mensch und Natur gehabt. Rubio Komposition geriet in der Realisierung mit einem Ensemble von Live-Musikern ein gelungenes aufeinander abgestimmtes Kondensat eines künstlerischen Beziehungsgeflechts von ART und NATURE.