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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Ein Fest für Ohren und Augen. Georg Friedrich Händels Oper „Alcina“ an der Bonner Oper

Die Macht und der Untergang der Verführerin

Von Simone Hamm

Alcina (Marie Heeschen) ist die uneingeschränkte Herrscherin. Sie nimmt sich, was und wen sie will. Sie ist stark und unglaublich verführerisch. Und wenn ihr ein Liebhaber nicht mehr passt, dann verwandelt sie ihn schon einmal in eine Welle, einen Felsen oder ein wildes Tier. Ihr derzeitiger Liebhaber ist Ruggiero. Seine Verlobte Bradamante (Anna Alás i Jove) kommt mit einem Vertrauten auf die Insel, über die Alcina herrscht. Sie hat sich als Mann verkleidet, gibt vor, ihr eigener Bruder zu sein. Sie möchte ihren Geliebten Ruggerio zurückgewinnen. Da sind dann noch Oberto (herausragend: Nicole Wacker), der seinen Vater sucht. Er weiß nicht, dass Alcina schon lange seines Vaters überdrüssig geworden ist, ihn in einen Löwen verwandelt hat. Die Schwester Alcinas ist Morgana (Gloria Rehm), die ihren Geliebten Oronte (Stefan Sbonnik) eifersüchtig machen will, indem sie so tut, als habe sie sich in die als Mann verkleidete Bramante verliebt.

Charlotte Quadt, Marie Heeschen  in „Alcina“, Foto: © Bettina Stöß

Und als sei das alles nicht schon kompliziert genug, tritt am Premierenabend Intendant Bernhard Helmich vors wartende Publikum und erklärt, die Darstellerin des Ruggerio, die Mezzosopranistin Charlotte Quadt habe sich krank gemeldet, der Countertenor Ray Chenez spränge ein, sänge von der Seite. (Ursprünglich, zu Händels Zeiten wurde Ruggerio von einem Kastraten gesungen.) Regisseur Jens-Daniel Herzog wolle Ruggerio auf der Bühne spielen. Chenez habe aber in Wien nicht ins Flugzeug steigen dürfen, da sein Ticket erst 50 Minuten vor Abflug gekauft worden sei, nicht, wie vorgeschrieben 60 Minuten zuvor, habe sich deshalb verspätet und säße noch im Zug von Frankfurt nach Bonn. Deshalb sänge Charlotte Quadt jetzt doch, Chenez löse sie später ab. Das wollte er offensichtlich auch, wurde von Scheinwerfern angeleuchtet, aber auf der Bühne sang Charlotte Quadt bravourös bis zum Ende. Und zwar schön und sicher.

Georg Friedrich Händels Oper aus dem Jahre 1735 besteht aus Soli, Arien, kurzen Rezitativen, wenigen Chorstellen. Ein damals sehr berühmtes Ballettensemble trat bei der Uraufführung in London auf. „Alcina“ gilt als Ballettoper.

In Bonn tänzeln sechs Männer in Frack herein, auch sie sind Alcina verfallen. Ihre Tänze sind jedoch zu läppisch und täppisch (Choregrafie: Ramses Stigl), als dass sie die Unterwürfigkeit unter eine veritable Zauberin darstellen könnten und deshalb überaus verzichtbar.

Regisseur Jens-Daniel Herzog und sein Bühnenbildner Mathis Neidhardt lassen die Geschichte von Macht, Liebe und Eifersucht  in einem riesigen Raum spielen, in dem goldfarbene Töne vorherrschen, in dem dick gepolsterte gelbe Sofas stehen. Das ist die Luxuswelt der Alcina.

Anna Alàs i Jové, Charlotte Quadt, Foto: © Bettina Stöß

Die Frauen tragen glitzernde Abendkleider, im zwanziger Jahre Stil, die Männer Frack. (Kostüme Sibylle Gädeke). Sie trinken Champagner, haben gute Laune. Vor den Türen der schönen Villa regnet es. An grauen Backsteinmauern kauern die, die nicht zu Alcinas Gesellschaft gehören. Sie rücken zusammen unter einem einzigen Schirm. Die goldenen Zwanziger Jahre waren nicht für alle golden.

Alcina zieht Ruggiero an sich heran, sie ist herrisch, nicht zärtlich. Ruggerio macht lustlos mit, längst hat er sich an seine Pflicht erinnert. Ein braver Soldat wird er werden, glücklich am heimischen Ofen mit Bradamante.

Alcina scheint zu spüren, dass ihre Macht endlich ist. Diejenigen, die sie gerade noch euphorisch gefeiert haben, wenden sich von ihr ab. Marie Heeschen ist eine phantastische Alina. Sie ist ungemein wandlungsfähig. Sie ist die Frau auf der Höhe der Macht und die Zerbrochene, Verlassene zugleich. Anna Alas i Jové ist eine junge, strahlend schön singende Bradamante, Gloria Rehms Sopran (Morgana, Alcinas Schwester) glänzt geradezu. Herauszuheben ist Nicola Wacker in der kleinen Rolle des Knaben Oberto. Sie singt so ergreifend, dass man sie gerne in größeren Rollen hören möchte.

Dorothee Oberlinger dirigiert das Beethoven Orchester zu Beginn der Oper ganz fein und fast sanft, deutet damit das Zerbrechliche von Alcinas Reich schon an. Immer stehen die Sänger und Sängerinnen im Fokus. Auch dann, als die Musik farbiger, voluminöser, rhythmischer wird. Musikalisch und stimmlich ein großartiger Abend. „Alcina“ ist eine Koprodution mit dem Staatstheater Nürnberg, dessen Intendant Jens-Daniel Herzog „Alcina“ inszeniert hat. Eine kluge Zusammenarbeit.

Weitere Aufführungen von „Alcina“ wird an der Oper Bonn:

Sa, 30. Nov 2024 19:30 Uhr

So, 08. Dez 2024 18:00 Uh

Fr, 20. Dez 2024 19:30 Uhr

Mi, 25. Dez 2024 18:00 Uhr

 So, 12. Jan 2025 16:00 Uhr

 Sa, 18. Jan 2025 19:30 Uhr

Am 27.4.2025  Premiere in Nürnberg

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