11. Internationaler Hochhaus-Preis in Frankfurt
Vorbildliches für die Zukunft?
Siegerturm in Singapur – Skandinavische und holländische Architekten-Dominanz
Anmerkungen von Uwe Kammann
BIG Superstar: Dieses Prädikat wäre dem dänischen Architekturbüro am angemessensten. In diesem Jahr nun schon zum zweiten Mal Sieger beim in Frankfurt vergebenen Internationalen Hochhaus-Preis, nachdem die Bjarke-Ingels–Group (eben BIG) schon 2016 diese international renommierte und begehrte Auszeichnung erhalten hatte. Damit nicht genug: Diesmal war das Büro gleich zweimal unter den fünf Finalisten vertreten: nicht nur mit dem (Sieger-)Turm CapitaSpring in Singapur, sondern auch mit einem ersten Projekt in Südamerika, dem IQON in Ecuadors Hauptstadt Quito. Und on top: Das diesjährige Jury-Loblied wurde während einer Pressekonferenz in höchstens hundertfacher Armlänge entfernt von einem dunkel-edlen BIG-Werk gesungen: dem Frankfurter Omniturm, der durch seine mehrfach verschobenen Hüft-Etagen im Hochhauskonzert der Stadt auffällt.
Der Siegerturm: CapitaSpring in Singapur, @BIG, Farron Fallon
Direkter BIG-Nachbar im gleichen Quartier ist nun der T1, einer der vier Türme des Four, also des neuen Hochhaus-Quartiers auf dem alten Grundstück der Deutschen Bank am Rossmarkt. Das Ganze – ein von UNStudio (Ben van Berkel) entworfenes, extrem verdichtetes Ensemble mit einem umlaufenden Sockel – geht der Vollendung entgegen. Eingezogen ist schon die DekaBank, einer der drei Partner des Hochhaus-Preises, neben dem Deutschen Architekturmuseum (DAM) und der Stadt Frankfurt. Folgerichtig wurde die nun elfte Ergebnisrunde des alle zwei Jahre vergebenen Internationalen Hochhaus-Preises (Best High-Rises) im nagelneuen Konferenztrakt der Bank vorgestellt, mithin in der 233-Meter-Himmelsebene des T1, im 55. Stock – was einen grandiosen Ausblick garantiert.
Direkte Nachbarn: der Omniturm von BIG und zwei der vier Türme des FOUR, Foto: Uwe Kammann
Im Siegerturm – dem CapitaSpring genannten Hochhaus des Investors CapitaLand in Singapur – offeriert das Dach in 280 Meter Höhe noch eine ganz andere Qualität. Denn es trägt einen Garten, der hinter einer doppelstockhohen, filigran gestalteten Schutzwand nicht nur Touristen erfreut, sondern auch Kräuter für die Restaurants im Turm liefert, der in seinem Namen Frühling und Kapital (symbolisch?) vereint. Der Erklärfilm (gedreht von Stefan Jäger, einem Mitarbeiter des Kulturdezernates) beginnt deshalb als poetische Referenz mit einer Handgeste: der Ernte eines Rosmarinzweiges.
Das ist eine visuelle Minimalannäherung an ein Projekt, das die Jury schlicht als „das derzeit überzeugendste Hochhaus weltweit“ preist. Entstanden sei „ein privater Büro- und Wohnturm, der im wahrsten Sinne des Wortes öffentlich ist und gleichzeitig die am Standort vorhandenen urbanen Ressourcen erweitert“. Gelobt werden im selben Atemzug das von der Kommune vorgegebene städtebauliche Konzept und die „Vision“ des Bauherren CapitaLand, ein privatwirtschaftliches Bürogebäude in einen vertikalen öffentlichen Raum zu verwandeln. Für all das habe das Büro BIG (Kopenhagen/New York) eine innovative Lösung gefunden; die Architektur spiegele diese Zielsetzungen. Die starke Schlussfeststellung der Jury: CapitaSpring „hätte zum jetzigen Zeitpunkt an keinem anderen Ort gebaut werden können. Andere Städte können zweifellos davon lernen.“
Vorstellung der Ergebnisse durch (von links) Jurymitglied Mari Randsborg, DekaBank-Vize-Vorstand Matthias Danne, DAM-Direktor Peter Cachola Schmal, Kulturdezernentin und Jurymitglied Ina Hartwig, Foto: Uwe Kammann
Im Laufe der Pressekonferenz, dann auch während der Preisverleihung in der Paulskirche, wurde dieses überaus positive Gesamturteil mehrfach variiert, verstärkt und wiederholt. Dazu dreidutzendfach ergänzt durch den inzwischen zum Allwort gewordenen Begriff der Nachhaltigkeit. Darüber hinaus wurde auch mehrfach hervorgehoben: Unter dem Prädikat preiswürdig firmierten heute Hochhäuser mit gemischten Nutzungen (mixed use), die zugleich „gute Nachbarn“ (DAM-Direktor Peter Cachola Schmal) sein sollen. Was bedeutet, sich in den stadträumlichen Kontext einzufügen und eine positive Beziehung zur Umgebung einzunehmen.
Zu den weiteren Hauptkriterien gehören heute unbedingt – auch dies wurde hervorgehoben – vielfältige Formen der Transformation, verstanden vor allem als Umwandlung oder zumindest teilweise materielle Anverwandlung eines bestehenden Gebäudes. Dies hatte vor zwei Jahren einem Hochhaus in Sidney die Krone eingetragen. In diesem Jahr hat eine modifizierte – vertikale – Weiterführung einer bestehenden – flachen – brutalistischen Grundfigur in ein streng gegliedertes, die frühere Architekten-Verliebtheit in das Material Beton aufnehmendes Wohnhochhaus zur Finalisten-Ehre gereicht. Ein sprechender Name macht dem in Eindhoven realisierten Grundgedanken alle Ehre: Bunker Tower (Architekten: Powerhouse Company aus Rotterdam).
Eines der fünf Finalisten-Projekte in der begleitenden Ausstellung: das Women & Children Center im chinesischen Shenzen, Foto: Uwe Kammann
Wesentlich ausgeprägter war/ist der Verwandlungsgedanke beim Women & Children Centerin der chinesischen Wachstumshauptstadt Shenzen, wo bereits die farbigen Akzente der den Altbaukern umspielenden elliptischen Fassade einen fröhlichen Aufbruch signalisieren (MVRDV, Rotterdam). Auf skulpturale Prägnanz und stolzen Behauptungswillen setzt hingegen der ebenfalls von diesem Rotterdamer Büro entworfene Finalist Valley, ein Misch-Projekt in Amsterdam, das sich eigenständig in einer durch breite Straßen durchzogenen Industrieödnis behaupten will (das große Stichwort natürlich: Transformation) und dabei Arbeit, Wohnen, Kultur und Einkaufen unter einer eigenwillige Dachlandschaft vereint.
Stefano Boeri erhielt 2014 in Frankfurt den International Highrise Award des DAM für den ,Bosco Verticale‘, Foto: Petra Kammann
Ein weiteres (Fast-)Muss bei heutigen Jury-Überlegungen, spätestens seit der 2014er Auszeichnung für den Bosco Verticale von Stefano Boeri: außen und innen eingebautes Grün. In Frankfurt machte schon 1997 Norman Fosters Commerzbank-Turm mit neun Etagengärten Furore. (Boeri, Piazza-Architekt bei der diesjährigen Buchmesse, räumte übrigens gegenüber FeuilletonFrankfurt ein, dass der Bosco-Verticale– Unterhalt sehr aufwändig sei.)
Der aktuelle Singapur-Turm rühmt sich, das 1,4-fache seiner Grundfläche als Pflanzenparadies auszuweisen, dazu in halber Höhe attraktiv präsentiert hinter raffiniert sich öffnenden Vertikalstreben der in jedem Detail hocheleganten Fassade. Auch eine weitere Zahl ist imposant: Zum Turm gehört eine zentrale, öffentlich zugängliche Halle von 18 Metern Höhe, und dies in Kombination mit einem Essensmarkt nach traditioneller Art – eine Mischnutzung wie aus dem Bilderbuch, preiswerte Imbisse gehören auch dazu.
Allerdings, das Ganze hat seinen Preis: 1,2 Milliarden Euro investierte der Bauherr CapitaLand in den 280 Meter hohen Turm mit seinen 51 Geschossen. Entsprechend hoch ist der Mietpreis pro Quadratmeter: gut 110 Euro. Was wiederum im Einzelnen zu Preisen von 1000 Euro pro Nacht im integrierten Hotel führen kann. Das Kriterium Inklusion – auch in der mehrfach beschworenen Verbindung von privat und öffentlich – muss also auf besondere Weise interpretiert werden.
DAM-Direktor Peter Cachola Schmal dankt seinem Ausstellungs-Gastgeber Matthias Wagner K vom Museum Angewandte Kunst, Foto: Uwe Kammann
Aber eine Basiszahl wie die Baukosten scheint bei den 31 Nominierungen für den Preis (eine Methodik, welche die anfängliche, als unbefriedigend empfundene Einreichungspraxis abgelöst hat) keine besondere Rolle gespielt zu haben. Denn nirgends im sonst ausgesprochen informativen Katalog (jovis/DAM) sind diese Investitionskosten aufgeführt. Mithin: Es geht um das Genre Hochhaus schlechthin, außerhalb der ökonomischen Bezüge. So ist etwa auch der New Yorker Central Park Tower nominiert worden, der in seinen 131 Geschossen (auf 472 Meter Höhe) vom Luxuskaufhaus im Sockel über ein Kino und ein privates Luxusrestaurant bis hin zu den 179 Appartements alles umfasst, was sich mit viel Geld bezahlen lässt (Durchschnittspreis pro Wohnung: 22 Millionen Dollar). Auch eine Kinderbetreuung gehört zum Innern der Himmelsnadel: Inklusion der gehobenen Art.
Als ein BIG-Architekt das ecuadorianische Finalistenprojekt Iqon-Residences im Museum für Angewandte Kunst präsentierte – das Museum Angewandte Kunst ist Gastgeber für eine preisbegleitende informative Ausstellung des DAM –, waren im einführenden Werbefilm auch Kinder im mittleren Alter zu sehen. Manchen Betrachtern kamen sie vor wie bewegliche Begleitmöbel in den top-cleanen Wohnräumen. Fraglich auch, ob die Balkone der verschränkt gestapelten Wohnungen des vom Rotterdamer Büro MVRDV entworfenen Komplexes Valley als Spieleparadies ausreichen? Die plastische Wirkung des expressiven Berg-Tal-Gebäudes in Amsterdam ist allerdings phänomenal.
Berg-und-Tal-Stapelei: der Komplex Valley in Amsterdam, Foto: Uwe Kammann
Überhaupt, diese Frage stellt sich immer wieder beim vielfach gehörten Lob der „vertikalen Urbanität“: Wie urban, wie stadtverbindend, wie nachbarschaftsverträglich sind diese Hochhäuser neuester Ausrichtung mit ihrer vielfach gepriesenen Mischnutzung wirklich? Für Jury-Mitglied Mari Randsborg ist sie leicht zu beantworten, wie sie auch in ihrer Paulskirchen-Laudatio auf das siegreiche BIG-Büro feststellte: Während früher Hochhäuser als arrogant und abweisend empfunden worden seien, ändere sich das nun wegen der neuen Formen einer Zugänglichkeit.
Nun, eines ist allerdings nicht zu übersehen oder auszublenden: Alle High-Rises sind Mega-Maschinen, hochkomplex und hochtechnisiert, in denen das dort inkludierte Leben (von der Arbeit über das Wohnen bis zum Konsumieren, Kommunizieren und Freizeitvergnügen) sich der Praxis einer geschlossenen Gesellschaft angleicht. Die Bewegungswege werden erschlossen durch die Aufzugsschächte (natürlich hochelegant wie im neuen Deka-Turm); freies Flanieren außerhalb der (wohlgemerkt: attraktiven) Innenräume gehört nicht zum Konzept. Wie funktional (preis-angepasst) Menschen dort vorkommen, belegt eine kleine Zwischenbeoachtung von Peter Cachola Schmal: Das Ein- und Aussteigen an den Taxi-Haltestellen beim Siegerturm CapitaSpring darf zwei Minuten nicht überschreiten, sonst folgen für den Fahrer Strafen.
Jurymitglied Mari Randsborg bei ihrer Laudatio auf den BIG-Turm in der Paulskirche, Foto: Uwe Kammann
Fraglich ist insofern, wie der tatsächliche Modellcharakter der nominierten Hochhäuser (hier einmal pauschal gesehen) veranschlagt werden muss/darf. Für sich genommen, also als geschlossener Bautypus, sind die Hochhäuser der neuen Generation sicher fortschrittlich bis vorbildlich, wenn sie Kriterien wie multifunktional, innovativ, zukunftsfähig, nachbarschaftsbezogen, transformativ und nachhaltig erfüllen. In der nun zwanzigjährigen Preisgeschichte, so Schmal, habe es bis zu diesen aktuellen Kriterien mehrfach „Paragdimenwechsel“ gegeben, angefangen mit dem Übergang von anfänglich reinen Bürotürmen zu Wohnhochhäusern.
Bemerkenswert an dieser Geschichte ist auch: dass einerseits inzwischen die außereuropäischen Mega-Städte, vor allem in China, das Baugeschehen bei Hochhäusern dominieren, mit einem fast atemlosen Tempo; dass aber andererseits europäische Architekturbüros – und hier wiederum nicht zuletzt jene mit nordischer Provenienz – einen wesentlichen Teil der weltweiten Aufträge gewinnen können. Wie weitgespannt und weltumfassend gearbeitet wird, zeigt das erfolgreiche BIG-Büro wiederum mustergültig: auch, indem es regionale Kenntnisse über das Spezifikum ihrer Mitarbeiter einbeziehen kann wie beim Siegerturm mit Brian Yang, dessen Vater aus Singapur stammt.
Viel Applaus für BIG-Partner Brian Yang mit der Siegesskulptur, Foto: Uwe Kammann
Von den deutschen Büros war in diesem Jahr lediglich Schneider+Schumacher vertreten, mit dem Quianhai Telecommunication Center in Shenzhen. Ob es einmal ein Hochhaus aus Frankfurt zumindest in die Finalrunde schafft? Oberbürgermeister Mike Josef äußerte bei der Preisverleihung eine zarte Hoffnung, nachdem er – mehr als pflichtgemäß – die Hochhaussilhouette als wesentlich für die Identität der Stadt gewürdigt hatte. Allein, die Zahlen sprechen kaum dafür. Ein Hochhaus pro Jahr, so Kulturdezernentin Ina Hartwig (die auch der Jury angehörte), sei das Frankfurter Maß. In China zeige die Tausender-Marke die dortige Dynamik an (was natürlich europäische Büros anzieht, deren Kompetenz weltweit geschätzt wird).
Gegenüber Asien sehen die hiesigen Maßstäbe ohnehin bescheidener aus. Wer sich Fotos beispielsweise aus Dubai anschaut, kann nur ins Staunen geraten angesichts des mehrhundertfach realisierten Ehrgeizes, mit markanten Hochhäusern (Typ: sprechende Architektur) die Stadt als vollständigen Cluster of High-Rises zu errichten und damit auch touristisch enorme Anziehungskraft zu entfalten. Atemberaubend auch die Himmelsstürmer in Kuala Lumpur, die demnächst noch durch ein 1000-Meter-Hochhaus übertroffen werden sollen.
Als Laie kann man die ingeniöse Kunst, die konstruktive Kühnheit und die bautechnischen Fähigkeiten nur vorbehaltlos bewundern, welche diese Türme möglich machen. Schon beim Betrachten mancher Fotos im Katalog kann sich ein leiser Schwindel einstellen. Wobei immer wieder klar wird: Dieser hohe konstruktive und materielle Aufwand hat seinen Preis. Jeder Architekt weiß: Höhe kostet, und zwar überproportional (beim Frankfurter Four mit den vier Türmen und dem Sockel werden inzwischen wohl 2 Millliarden Euro veranschlagt). Deshalb stellt sich unter der hiesigen Perspektive nachdrücklich die Frage – das wäre ein gründliches preisbegleitendes Symposion wert –, ob der weltweit vorangetriebene Turmbau wirklich überall so stadtverträglich, besser noch: so stadtzuträglich ist, wie es in der Bewertung „modellhaft“ aufscheint. Ein großes Fragezeichen ist auch hinter den enormen Energiehunger zu setzen, von möglichen Katastrophen wie Stromausfall ganz zu schweigen.
Auch das ist Frankfurt: eine horizontale Stadt in Richtung Osten, gesehen aus der Dachetage des DekaBank-Turms im Komplex Four, Foto: Uwe Kammann
Die europäische Stadt – so, wie sie beispielsweise in den Publikationen des hiesigen Instituts für Stadtbaukunst vielfach beschrieben und positiv bewertet wird – ist in den Grundzügen eine horizontale Stadt, deren Struktur und Gestalt durch Platz- und Straßenräume bestimmt wird. Insofern ist sie auch prinzipiell eine offene Stadt, welche für ihre unterschiedlichen Bewohner vielfältige Perspektiven bietet, zugleich Vernetzungen und Verknüpfungen erlaubt. Als Idealtypus dieser europäischen Stadt, in der die Hausfassaden auch das Innere der Freiräume umfassen, ist sicherlich immer noch der historische Kern von Paris zu sehen, der sich eben der horizontal ausgerichteten Planung des Barons Haussmann verdankt. Auch die Gründerzeit-Planungen für London und Berlin waren an diesem Grundgedanken ausgerichtet.
Weltgegenden, deren Bevölkerungszahlen rasant wachsen, werden sicher aufgrund des demographischen Zwangs auf platzsparende Hochhäuser setzen (wobei die Standard-Beispiele, auch in China, eher abschreckend wirken). Jene Hochhäuser, welche beim hiesigen internationalen Preis im Mittelpunkt stehen, verkörpern natürlich einen anderen Typus. Wobei ein Beweggrund für ihre Errichtung und ihre immer öfter extravaganten Formen nie zu übersehen ist: Es geht stets auch um eine Demonstration von gesellschaftlicher Macht und ökonomischer Stärke (und sei die Begleitprosa noch so sozial eingefärbt). Was viele Touristen exemplarisch im toskanischen San Gimignano bestaunen, nämlich die Geschlechtertürme, ist das mittelalterliche Musterbeispiel für den hochgemuten Selbstdarstellungswillen der damals herrschenden Familien. Der kleine Stadtgrundriss verhinderte allerdings, dass diese geschlossenen (und Gefahren abwehrende) Systeme zu reinen Blockaden des öffentlichen Raums wurden.
Manche sagen Mainhattan …, Foto: Uwe Kammann
Denn ein Eindruck drängt sich beim Studium der jetzigen Nominierungsbeispiele immer wieder auf: vertical urbanism kann leicht auch als schickere Variante der gated communitys verstanden werden, wobei die Sicherungssysteme dann nicht aus Mauern und Schranken bestehen, sondern aus Geld, doormen und Bewachungspersonal. Wird jemand die 18 Meter hohe Ereignis-Halle des CapitaSpring betreten und als Ort eines ungezwungenen Aufenthaltes genießen, der nicht zur zahlungskräftigen society gehört und ihren Codierungen entspricht? Sind die Milieugrenzen leicht zu übersehen oder zu überwinden, wenn man sich im hochglanzpolierten und gartengarnierten Kapital-Inneren bewegt, in der Welt der umlaufenden Ebenen, Terrassen, Nutzungen, die alle auf kleinster Fläche durch das Auf und Ab der Fahrstuhlkabinen erschlossen werden?
Ob da idealisierende Semantik hilft? DekaBank-Vizechef Matthias Danne prägte beim Paulskirchen-Festakt jedenfalls die Bezeichnung „vertikales Dorf“ für die nun ausgezeichnete Hochhaus-Prominenz. Die wiederum Oberbürgermeister Mike Josef als „nachahmenswert und vorbildhaft“ einordnete, „nicht nur für die Architekten, sondern auch für Projektentwickler und Stadtplanungsämter auf der ganzen Welt“.
Ob dies als generelle Formel gelten kann, da sind sicher einige Fragezeichen erlaubt. Zumindest in einer Stadt, die nicht einmal ein vergleichsweise kleines, ökologisch sogar vorbildhaftes Wohnquartier (die Günthersburger Höfe) realisieren kann und die gleichzeitig mit Four auf einem ebenso vergleichsweise kleinen Grundstück sich für eine Höchstverdichtung entscheidet. Eine solche Stadt hat womöglich überhaupt keinen Maßstab, um sich im Sinne einer pluralen Gesellschaft weiterzuentwickeln und eine überzeugende Gestaltung auf den Weg zu bringen.
Sebastian Wielandt spielt auf der Marimba eine Steve-Reich-Komposition, Foto: Uwe Kammann
Doch das ist natürlich eine andere Geschichte. Die Qualität des Internationalen Hochhaus-Preises hingegen ist unbestritten – aus seinen Beispielen, aus den durch seine Nominierungen und seine Entscheidungen abzulesenden Tendenzen ist viel zu lernen. Dazu kommt, als eigener Mehrwert, der wie immer krönende Abschluss in der Paulskirche, diesem ewigen(?) Frankfurter Architekturwunder, diesmal dankenswerter Weise durch Sebastian Wielandt musikalisch kongenial bespielt per Schlagwerk und Marimba. Iannis Xenakis und Steve Reich: Das ist weltumspannende Ton-Architektur pur.
INFO
Die begleitende Ausstellung zum 11. Internationalen Hochhaus-Preis ist seit dem 14. November 2024 bis zum 12. Januar 2025 im Museum Angewandte Kunst zu sehen.
Filme von der Preisverleihung in der Paulskirche und vom Sieger-Turm CapitaSpring sowie Beispiele aus der Ausstellung sowie die Information zum begleitenden Buch Best High-Rises sind unter dem Netz-Link
https://dam-online.de/veranstaltung/ihp-2024-25/ zu finden.