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PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Ich wollte nicht immer die schöne Dame sein“ – Filmschauspielerin Senta Berger im Deutschen Filminstitut / Filmmuseum DFF

Von Renate Feyerbacher

Senta Berger, deren Mann, Filmregisseur Michael Verhoeven, im April starb, kam ihm zu Ehren gern nach Frankfurt ins DFF, wie sie sagte, und hatte für die Carte Blanche die von ihm gedrehten Filme ausgesucht. Sicher keine leichte Entscheidung für sie, die 57 Jahre mit ihm verheiratet war. Im Eröffnungsfilm Willkommen bei den Hartmanns spielt Senta Berger die pensionierte Lehrerin. Gedreht wurde die Filmkomödie vom Sohn Simon Verhoeven, der auch das Drehbuch schrieb, produziert von der Sentana Filmproduktion. 2016 kam der Film ins Kino und wurde von Millionen gesehen. Behandelt wird das Thema Flüchtling.

Senta Berger am 6.11. 2024 im DFF, Foto Renate Feyerbacher

Zur Erinnerung: 2015 strömten 890.000 Menschen nach Deutschland – 441.899 stellten einen Asylantrag (Migrationsbericht Bundesamt für Migration und Flüchtlinge). „Wir schaffen das“, hatte Kanzlerin Angela Merkel damals ermutigt. Im Gespräch mit Urs Spörri vom DFF erzählte Senta Berger von den heißen Diskussionen, die die Familie Berger-Verhoeven führte und die schließlich die „Hartmanns“ hervorbrachte.

Eine anspruchsvolle Komödie, die zum Nachdenken bringt.

Der zweite Beitrag des 1. Carte Blanche-Abends war die sechste Folge aus der Fernsehserie Die schnelle Gerdi – Miss Miramare – ein persönlicher Wunsch von ihr. „Ich wollte nicht immer die schöne Dame sein.“ Michael habe ihr bayerisch beigebracht. Der Streifen begeistert schauspielerisch; inhaltlich: na ja.

Die Tochter des österreichischen Musikers und Komponisten Josef Berger (1902 -1983) sang schon als Kleinkind auf der Bühne mit ihm. Der Vater komponierte zum Beispiel Wiener Lieder und Filmmusiken. Bereits mit neun Jahren stand sie in einer Minirolle – Das Doppelte Lottchen (1950) – vor der Kamera. Auch Filmproduzent Artur Brauner beschäftigte sie mehrfach. Ihn erwähnt sie im Gespräch. Er habe finanziell geholfen, als Fördergelder ausblieben.

Mit 16 Jahren begann Senta Berger ein Schauspielstudium am renommierten Max Reinhardt Seminar in Wien, das sie aber verlassen musste, weil sie heimlich – ohne Erlaubnis – eine Filmrolle angenommen hatte. Mit 17 war sie Mitglied beim Theater in der Josefstadt. Allein über ihre Theaterarbeit wäre viel zu erzählen. Über Jahre hinweg war sie die Buhlschaft im Salzburger Jedermann von Hugo von Hofmannsthal (1874-1929).

Mit 21 Jahren ging sie nach Hollywood und drehte mit großen Stars. Kritisch schätzt sie diese Zeit ein.

Michael Verhoeven, der auch schon als Kind auf Bühnen und vor der Kamera stand, und Senta Berger verliebten sich bei einem Filmdreh und heirateten 1966. Bis zu seinem Tod, Verhoeven wurde 85 Jahre alt, waren sie ein Paar. Sie mag es ordentlich, er liebt das Chaos. Sie ist der populäre Star, er leidet. Sie ist eifersüchtig, er sieht keinen Grund“, so fasste der SPIEGEL 2007 ein Interview mit den beiden zusammen. Übrigens hatte Verhoeven nach dem Abitur mit dem Medizin-Studium begonnen und promoviert. Er arbeitete als Arzt in München und den USA, wohin er seiner Frau gefolgt war. 1969 verließ Senta Berger Hollywood. Beide gründeten in München die Sentana Filmproduktion GmbH

173 Filme hat Senta Berger gedreht und viele Auszeichnungen erhalten. Die Liste von Auszeichnungen für Michael Verhoeven ist unendlich lang.

Er war ein kritischer, unbequemer Filmemacher.

Sein Film O.K. sprengte die BERLINALE – der größte und einzige Skandal in der Geschichte der Filmfestspiele. Der Antikriegs-Film O.K. basiert auf einer realen Geschichte: „Am 18. November 1966 verschleppten vier GIs einer Patrouille die junge Südvietnamesin Phan Thi Mao, vergewaltigten sie stundenlang und ermordeten sie am nächsten Morgen. Der fünfte Soldat versuchte über Wochen vergebens, das Verbrechen zu melden. Der Fall wurde erst aufgerollt, als er sich einem Militärkaplan anvertraute“ (Filmportal).

Verhoeven verlegte die Geschichte nach Bayern. Die heftigen Kontroversen führten zum Abbruch der BERLINALE. Senta Berger erwähnte die Solidarität der Filmemacher, vor allem von Rainer Werner Fassbinder, mit dem Verhoeven sich sonst nicht verstand.

Für Das schreckliche Mädchen (1990) wurde der Filmregisseur mit dem Silbernen Bären der BERLINALE, dem Filmpreis für die Beste darstellerische Leistung und für den Oscar nominiert. Erzählt wird die wahre Geschichte der Klosterschülerin Sonja, die den Widerstand gegen die Nazis in ihrer Heimatstadt dokumentieren möchte.

Lena Stolze, die auch in dem Film Die Weisse Rose (1982) die Widerstandskämpferin gegen die Nazis Sophie Scholl spielte, stellte Sonja dar und erhielt den Bundesfilmpreis in Gold als Beste Hauptdarstellerin. Auch sie kann auf eine beachtliche Theaterkarriere blicken.

Die Begegnung mit Senta Berger war beeindruckend: bescheiden, keinerlei Starallüren, offen für jede Frage aus dem Publikum. Eine Frau, die ihre Trauer nicht zeigte, die ihr aber anzumerken war.

Foto Renate Feyerbacher

Diese und andere Filme ihres verstorbenen Mannes Michael Verhoeven hat Senta Berger für die Carte Blanche ausgesucht:

Samstag, den 16.11. um 17.30 Uhr Das schreckliche Mädchen,
danach im DFF Begegnung mit Alice Brauner, der Tochter von Artur Brauner und Film
Sonntag, 17.11. um 12 Uhr Die Weisse Rose
Dienstag, den 19.11. 18 Uhr Schlaraffenland (1990)
Donnerstag, 21.11. 18 Uhr Menschliches Versagen (2008) – Dokumentarfilm

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