Roberto Saviano auf der Frankfurter Buchmesse
„Ich bin ein Weltmeister darin, verklagt zu werden.“
von Renate Feyerbacher
Dicht gedrängt steht das Publikum, als der italienische Autor und Journalist Roberto Saviano im Forum der Frankfurter Buchmesse mit Literaturkenner Denis Scheck über sein neues Buch „Falcone“ (Hanser Verlag München 2024) spricht. (Auftritt bei ARD, ZDF und 3sat). Saviano, der seit Jahren unter Polizeischutz lebt, zeigt darin anhand von Falcones Geschichte, wie demokratische Strukturen ausgehöhlt werden…
Roberto Saviano, ein Publikumsmagnet, Foto: Renate Feyerbacher
Der Richter Giovanni Falcone, Mafiajäger, seine Frau und Leibwächter wurden 1992 von der Mafia ermordet. Falcone liebte das Leben. Sein Mut, gegen die Mafia zu kämpfen, war nicht Gott gegeben. Er kam erst, als er das System durchblickt hatte. Falcone war arglos und rechnete nicht mit dem Schlimmsten, mit seiner Ermordung.
2006 hatte der in Neapel geborene Roberto Saviano das Buch „Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra“ geschrieben, in dem er über die mafiösen Verwicklungen in seiner Heimatstadt und das sehr detailreich. Seitdem steht er auf der Todesliste der Mafia.
Nach dem Gespräch, Foto: Renate Feyerbacher
Der nächste Termin für Saviano auf der Buchmesse: die Diskussion im Pavilion auf der Agora mit dem in Flörsheim geborenen deutsch-türkischen Autor Deniz Yücel. Davor eine lange Schlange, die vergeblich noch auf Einlass hofft, drinnen stehen die Menschen bereits an den Wänden.
Saviano und Yücel sind aufgrund ihres Mutes, ihres Engagements für Pressefreiheit und Menschenrechte politischen Verfolgungen ausgesetzt. Yücel, heute Sprecher des PEN Berlin, zusammen mit der Schriftstellerin Eva Menasse, saß ein Jahr in der Türkei im Gefängnis. Saviano lebt seit Jahren unter Polizeischutz. Immer wieder wird er diffamiert, sogar verklagt – nicht zuletzt von Giorgia Meloni, der Ministerpräsidentin von Italien, und von Ministern. Jedoch nicht erst seit Meloni erfährt Saviano den Druck seitens der Politik.
Saviano stand nicht auf der Liste der von der italienischen Regierung eingeladenen Autoren /innen. Um die hundert waren es. Auf der Pressekonferenz im Literaturhaus im Mai 2024, bei der Armando Varricchio, Botschafter Italiens in der Bundesrepublik Deutschland, Mauro Mazza, Sonderbeauftragter der italienischen Regierung für den Ehrengastauftritt und Innocenzo Cipolletta, Präsident des italienischen Verlegerverbandes sowie Stefano Boeri, Architekt und Stadtplaner des Ehrengastpavillons, zugegen waren, wurde nach Saviano gefragt. Nein, er war nicht eingeladen. Der Präsident des Verlegerverbandes hat sich später dafür entschuldigt.
40 italienische Autoren und Autorinnen, unter anderem der Mitorganisator, der Schriftsteller Paolo Giordano, hatten im Juni in einem offenen Brief das Programm der Buchmesse und den Ausschluss von Saviano und anderen kritisiert. Roberto Saviano aber kam, eingeladen von seinem Verlag (Hanser) und von Buchmessen-Direktor Juergen Boos. Und er kam gerne, weil er die Offenheit des deutschen Publikums schätzt. Viele, auch Italiener, strömten auch zu den Veranstaltungen des Hanser-Verlags und den Gesprächs-Angeboten der Zeitungen mit Saviano.
Saviano nach dem Pavilion-Auftritt, Foto: Renate Feyerbacher
Karen Krüger, Italien-Korrespondentin der FAZ, die das Gespräch im Pavilion moderierte, bemerkte, dass Roberto Saviano von einer Zeitung als „Nestbeschmutzer“ beschimpft worden war. Dieses Wort kannte Saviano, der auch deutsch spricht, zwar nicht, fand den Ausdruck aber toll. Yücel dazu: „Du bist kein Nestbeschmutzer, sondern Patriot im besten Sinne!“
Deniz Yücel nach dem Auftritt im Frankfurt Pavilion, Foto: Renate Feyerbacher
Saviano selbst spricht von Zensur, von der Angst der Künstler, nicht mehr eingeladen zu werden zu Festivals, zu Lesungen, keinen Kredit mehr zu erhalten. Dadurch wachsen die Geldsorgen – auch bei ihm.
Moderatorin Karen Krüger spricht vom Druck auf die Justiz, auf Richter, der größer wird. Noch sind Prozesse gegen Saviano anhängig. Saviano bestätigt, dass er vor Gericht unter Druck stehe. Er bestätigt, dass Richter Morddrohungen erhalten und unter Schutz stehen. Wie viele sich allerdings ducken, könne man nicht einschätzen. „Die Justiz steht unter Erpressung.“
Er beklagt, dass Zeitungsverleger, – etliche von ihnen sitzen im Parlament – diskriminierende Fotos in den Blättern haben wollen. Auch ein Streit innerhalb der Familie wird den widerständen Künstlern zum Nachteil ausgelegt. Nachbarn werden befragt, um kleine Details zu erfahren. Auch in der Türkei, so bestätigt Deniz Yücel, sei solche Bespitzelung üblich.
Stehend, Minuten lang applaudierten die Menschen, die es in den Pavilion geschafft hatten, den mutigen Autoren.
Auf der Buchmesse stellte auch der Politologe und Journalist (taz) Michael Braun, der über die italienischen Gewerkschaften promovierte und seit 1996 in Rom lebt, seine soeben erschienene Langzeitstudie vor, die den Weg für Italiens Rechtsruck aufzeigt:„Von Berlusconi zu Meloni – Italiens Weg in den Postfaschismus.“( J.H.W.Dietz Nachf, Bonn 2024)