„Apropos Sex“ im Museum für Kommunikation Frankfurt
Omnipräsent in der Öffentlichkeit – schwierig in der intimen Kommunikation
Von Hans-Bernd Heier
Die Sexualmoral unserer Kultur prägt, wie wir über intime Themen sprechen. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Sexualmoral stark verändert. Beigetragen dazu haben neue Verhütungsmethoden, umfassende sexuelle Bildung und Fortschritte bei der Gleichberechtigung der Geschlechter. Allem voran steht der Wunsch vieler Menschen, die eigene Sexualität selbstbestimmt und offen auszuleben. In der spannenden Ausstellung „Apropos Sex“ greift das Museum für Kommunikation Frankfurt diese essenziellen Themen auf – unterstützt von Hör- und Video-Stationen sowie interaktiven Exponaten.
Ausstellungsansicht; Foto: Museumsstiftung
„Sexualität ist ein intimes und emotionales Thema. Kommunikation und Verständigung, verbal wie nonverbal, sind dabei essenziell. So omnipräsent Sex in den Medien oder der Öffentlichkeit ist, so schwierig erweist sich zugleich die intime Kommunikation. Die Ausstellung will zur Verständigung und Aufklärung beitragen, den eigenen Horizont zu erweitern und die vielen Facetten des Themas zu entdecken“, erläutert Museumsdirektor Dr. Helmut Gold.
Wer ist für sexuelle Bildung verantwortlich? Welchen Einfluss haben Medien und wie beeinflussen diese unsere Vorstellungen von Erotik? Wie haben sich Gespräche und Wahrnehmung über Sexualität die letzten 100 Jahre verändert? Diesen und weiteren grundsätzlichen Fragen geht das Kommunikationsmuseum Frankfurt – mit Unterstützung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung – in der eindrucksvollen Themenschau nach. Mit der klar strukturierten Ausstellung bietet das Museum am Schaumainkai erstmals eine Präsentation auch in leichter Sprache an.
In sieben Bereichen sind Besucherinnen und Besucher eingeladen, über Sprache und Sexualität, Aufklärung und Lust, Selbstbestimmung und Abgrenzung zu reflektieren und zu diskutieren. Dabei erfahren sie mehr über gesetzliche Rahmenbedingungen und wie Medien das sexuelle Leben beeinflussen können bzw. umgekehrt wie Sex in den Medien präsent wird. Zu jedem der Bereiche: „Lasst uns reden“, „Aufklärung“, „Grenzziehung“, „Sexualität und Ich“, „Mediale Lust“ gehören mehrere Stationen, die räumlich durch Paravents abgetrennt sind. Diese Paravents assoziieren als Gestaltungselement intime Räume und sind gleichzeitig Präsentationsmöbel für informative Texte sowie Medien- und Interaktionsstationen.
Aufklärungszeichnungen; Foto: Museumsstiftung
Das offene Reden über Sexualität fällt den meisten Menschen schwer. So empfängt die Ausstellung die Besucher in dem Bereich „Lasst uns Reden“ mit Anreizen, Worte der Definition zu finden, sei es für Gefühle oder gar Geschlechtsteile. Diese können unter anderem als maßstabsgetreue vergrößerte Plüschfiguren auseinandergenommen und benannt werden. Kissen auf einem großen Bett sind mit Worten verschiedener Empfindungen bedruckt, die mit dem Thema Sexualität in Verbindung stehen. Ein Rad mit Fragen ermutigt zur Auseinandersetzung mit Begriffen und an einer Station kann ausprobiert werden, welche Gerüche besonders anregend oder abstoßend wirken.
Im Bereich „Aufklärung“ erfahren Interessierte in einem inszenierten Klassenraum mehr über die Meilensteine der schulischen Aufklärung in BRD und DDR seit 1945. Dazu liegen Tablets mit informativen Texten bereit, die zum Stöbern und Lesen einladen. Dabei fällt auf: Unser Sexvokabular kennt vor allem eine Perspektive: Sie ist männlich, heterosexuell und penetrationszentriert.
Die kindliche Aufklärung dokumentiert unter anderem eine zeitgenössische „Kindergartenbox“, welche Puppen und andere kindgerechte Materialien enthält. Im Vorfeld der Ausstellung wurden bereits Menschen gefragt, wie sie aufgeklärt wurden. Ihre persönlichen „Aufklärungsgeschichten“ werden mittels Audioaufnahmen und Objekten vermittelt.
Der Bereich der „Grenzziehung“ widmet sich dem Thema sexualisierte Gewalt, Schutz und Gesetzgebung und stellt dar, was tatsächlich verboten oder gar strafbar ist. Wer muss besonders geschützt werden und wie kann man sich selbst am besten vor Grenzverletzungen schützen?
In der Multimedia-Installation „Stimmen der Vielfalt“ berichten Menschen, die von Berufswegen Bezug und Expertise zum Thema Sex haben, aber auch Privatpersonen, die von ihrer Sexualität erzählen, wie sie diese ausleben. Selbstbestimmte Sexualität, Konsens und „Pride“ (Umgang mit der eigenen Sexualität) sind in im Bereich „Sexualität und ich“ ebenso Themen wie Fragen nach einer vermeintlich „normalen“ Sexualität. Hier dokumentieren beispielsweise verschiedene Sexspielzeuge Möglichkeiten der individuellen sexuellen Befriedigung.
Die Weltkarte zeigt, wo und wie das Menschenrecht auf freie Sexualität eingeschränkt ist; Foto: Hans-Bernd Heier
Im Bereich „Mediale Lust“ stehen die Sinne „Fühlen“, „Sehen“ und „Hören“ im Mittelpunkt. Besucher können herausfinden, wie und warum Audioinhalte erotische Wirkung erzeugen. Thematisiert wird hier auch die Geschichte der Medien im Zusammenhang mit Sex und Pornografie, die vom Buch über VHS/DVD bis zum heutigen Streaming reicht. Des Weiteren widmet sich diese Station aktuellen Mediendiskursen, wie beispielsweise dem Oben-ohne-Baden in öffentlichen Freibädern.
Reichhaltig ist das Angebot an Aufklärungsliteratur; Foto: Hans-Bernd Heier
Ergänzt wird die vielseitige Schau durch digitales Begleitmaterial im sogenannten „Expotizer“: www.apropos-sex.museumsstiftung.de/ Es bietet Interviews, Hintergrundinformationen und Termine sowie ein Glossar. Dieses steht auch am Anfang des Ausstellungsrundgangs als eine Art Begleitheft in analoger Form zur Mitnahme zur Verfügung.
Ebenfalls am Beginn der Ausstellung formuliert das Museumsteam sein Selbstverständnis zum Thema: „Wir verstehen Sexualität als einen Teil der menschlichen Identität, unabhängig von sexueller Orientierung, Geschlecht, Alter und Kultur. Sexuelle und romantische Orientierungen sowie Geschlechtsidentitäten sind vielfältig und gleichwertig. Alle Menschen haben ein Recht auf sexuelle Bildung, eine selbstbestimmte Sexualität und sexuelle Gleichberechtigung. Wir verurteilen alle Formen sexualisierter Gewalt, ob verbal oder körperlich, Zwang, Ausbeutung und Missbrauch.“
„Apropos Sex“ ist bis zum 7. September 2025 im Museum für Kommunikation Frankfurt zu sehen und für Besucherinnen und Besucher ab 14 Jahren konzipiert. Erziehungsberechtigten von jüngeren Kindern ist jedoch freigestellt, ob und wie sie die Ausstellung gemeinsam besuchen. Die Ausstellung wird flankiert von einem abwechslungsreichen Programm bestehend aus Führungen, Diskussionen, Events und Workshops.