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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Ioannis Mandafounis‘ Neukreation „JOIN“ im Bockenheimer Depot

Gemeinschaftserlebnisse lustvoll und nachhaltig erproben

Von Walter H. Krämer

Gemeinsam mit 25 Studierenden der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HfMDK) in Frankfurt setzt das Ensemble der Dresden Frankfurt Dance Company (DFDC) den Versuch auf der Bühne um, Tänzer*innen an völlig unterschiedlichen Punkten ihrer Entwicklung zusammenzubringen. Nach einer intensiven separaten Auseinandersetzung mit der Neukreation JOIN von Ioannis Mandafounis‘ probten die Tänzer*innen und die Studierenden in der Woche vor der Premiere erstmals gemeinsam. Am 10. Oktober war Premiere im Bockenheimer Depot.

Tänzerinnen: Louella May Hogan, Audrey Dionis, Solène Schnüriger Foto: Sitara Thalia Ambrosio / DFDC

Licht aus. Licht an. Meist in weiß, mal aber auch in blaues oder rotes Licht getaucht, wird es ab und an auch im Zuschauerraum hell. Dabei ist der Tanz in einzelne Szenen aufgeteilt, die durch mehrfache „Blacks“ –instant blackouts – gegliedert und voneinander getrennt werden. Mal steht ein Paar auf der Bühne, dann wieder tanzt einer / eine alleine und nach und nach gesellen sich immer mehr Tänzer*innen dazu. Stark wirken die Szenen, in denen alle Beteiligten auf der Bühne ausgelassen tanzen.

Denn in JOIN geht es um Zusammenarbeit, bedeutet doch das englische Wort JOIN so viel wie „verbinden“ oder „teilnehmen“. Und genau das wollen die Beteiligten: gemeinsam herausfinden, wie es gelingen kann, zusammenzuarbeiten und Gemeinsamkeiten zu entwickeln. JOIN also als Versuchsanordnung, Teil einer Sache zu sein und gemeinsam etwas zu wagen.

Es wird viel gelaufen an diesem Abend, viel geschrien und auch gebellt. Gleich zu Beginn sind es zwei Gruppen im Kampf- und Beißmodus, die sich wütend und lautstark anbellen.

Wie schon in früheren Arbeiten liegt bei Ioannis Mandafounis der besondere Fokus auf Improvisation und Partizipation. Die Anwendung der von ihm entwickelten Methode bringt ein tänzerisches und choreografisch improvisiertes Ergebnis auf die Bühne, das aber wie geplant erscheint.

Tänzer*innen: Louella May Hogan, Marina Kladi, Solène Schnüriger, Daniel Myers, Emanuele Piras, Yan Leiva Foto: De-Da Productions

Auf diese Weise werden die Künstler*innen gestärkt, und es entsteht ein prozesshaftes Gemeinschaftserlebnis zwischen den Tänzer*innen und dem Publikum. Und die Live-Choreografie wird zur Identität der Company – dabei greift sie die Wurzeln im zeitgenössischen Tanz, im Experiment und in ihrer Geschichte auf.

Diesmal allerdings gibt es auch vorgefertigte choreografische Bilder und die Zusammen- und Mitarbeit von Studierenden. Und das auch bei Gastspielen in anderen Städten. Dort dann allerdings mit Studierenden vor Ort, die vorab von zwei Ensemblemitgliedern instruiert, trainiert und mit der Methode vertraut gemacht werden.

Auch da steht der Kontakt zum Publikum im Fokus. Der Choreograf fordert seine Tänzer*innen auf, die „vierte Wand“ zu vergessen, den Raum zu nutzen und Augenkontakt zu halten „Wenn ihr auftretet, dann nicht, um aufzutreten, sondern um alle zu grüßen“.

Dabei sitzen die Tänzer und Tänzerinnen der Company allesamt in der ersten Reihe und betreten von dort aus die Tanzfläche, bevor sie in Aktion treten. Einmal stellen sie sich alle miteinander auf ihre Stühle und blicken ins Publikum. Haben unterschiedliche Gesichtszüge und Haltungen und suchen bewegten, nicht sprachlichen Kontakt zu den im Raum Anwesenden.

Tänzer*innen: Louella May Hogan, Marina Kladi, Solène Schnüriger, Daniel Myers, Emanuele Piras, Yan Leiva, Foto: De-Da Productions

Thomas Bradley, Mitglied der Tanztruppe, hat die Kostüme aus wiederverwerteten Materialien entworfen. Als Grundlage dienten ihm diesmal einfache Herrenhemden. eine Form von gelungenem Upcycling

Der Soundtrack zu JOIN – genreübergreifend mit Ambiente-Einschlag – stammt von Emanuele Piras, der selbst auch Tänzer der Dresden Frankfurt Dance Company und somit ein weiteres Mitglied der Company ist, das sich eben hier mehr engagiert, als „nur“ zu tanzen.

JOIN wird im Programm „Fonds Zero“ der Kulturstiftung des Bundes gefördert und unterstützt, damit die Company klimafreundlichere Produktionsweisen und neue Ästhetiken mit geringstmöglicher Klimawirkung zu erproben, um die Arbeitsweise der DFDC in Zukunft noch nachhaltiger zu gestalten.

„À la carte“ war die erste Produktion der Dresden Frankfurt Dance Company unter der künstlerischen Leitung von Ioannis Mandafounis. Sie zeichnete sich durch eine Vielfalt an Tanzstilen, Atmosphären und Themen aus und wurde nun von einer Jury für den diesjährigen deutschen Theaterpreis DER FAUST in der Kategorie „Inszenierung Tanz“ nominiert!

Die Jury begründet ihre Entscheidung für die Wahl wie folgt: Ioannis Mandafounis und die neu besetzte Dresden Frankfurt Dance Company zeigen sich in ihrer ersten Arbeit quirlig, lebendig, kreativ und kollektiv. Das Publikum ist direkter Anspielpartner und wird auf eine so humorvoll-performative Art und Weise aus der Reserve gelockt, dass man umso aufnahmefähiger für die tänzerische und choreografische Qualität dieses Abends wird. Hier präsentiert sich eine frische Handschrift bei der jede Tänzerin und jeder Tänzer eigene Qualitäten zeigt, ohne das Ganze zu verlassen.“

Im Grunde trifft dies auch für die neuste Arbeit der Compagnie JOIN zu – allerdings werden die Improvisationen durch choreographische Bilder und eine große Anzahl von Studierenden ergänzt. Auf die Frage, was die Zuschauer denn erwarten können, antwortete Ioannis Mandafounis: „Freude am Tanzen. Austausch. Gemeinschaft. Einigkeit. Uneinigkeit und eine Menge Leute.“

Bevor der Abend nach 50 Minuten zu Ende geht, rennen alle – bis auf zwei – Beteiligten die Seitengänge des Zuschauerraums hoch und feuern von dort aus das Paar auf der Bühne mit Klatschen, lautem Rufen und Gejohle an – solange bis es durch die Hintertür in den Abendhimmel verschwindet.

Licht aus. Saallicht an. Großer Beifall des Publikums und strahlende Gesichter – besonders bei den Studierenden.

In diesem Sinne: Von JOIN kann jede*r sich selbst noch bis zum 20.10. im Bockenheimer Depot ein Bild machen und staunen.

https://dresdenfrankfurtdancecompany.eventim-inhouse.de/webshop/webticket/eventlist

https://www.dfdc.de/

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