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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Der Prinz von Homburg“ – Eine Oper von Hans Werner Henze in Frankfurt

Vom Militärischen zum Humanen – Liebe und Empfindung statt Pflicht und Gehorsam

von Renate Feyerbacher
Fotos: Barbara Aumüller / Oper Frankfurt

Die Oper, die 1960 an der Hamburgischen Staatsoper uraufgeführt wurde, hatte nun in der revidierten Fassung von 1991 in der Frankfurter Oper Premiere. Sie wurde vom Publikum begeistert gefeiert.

Yves Saelens (Kurfürst von Brandenburg; sitzend) und Ensemble

„Der Prinz von Homburg“ ist das letzte Schauspiel (verfasst 1809/1810) des Dramatikers, Erzählers und Lyrikers Heinrich von Kleist (1777-1811). Er stammte aus pommerschem Uradel, brach sein Studium ab, entschied sich für die Militärlaufbahn in der Preußischen Armee wie sein Vater. Dann aber ging er seinen eigenen Weg, immer auf der Suche nach Glück, wären da nicht die Menschen: „Sie gefallen mir nicht. Die machen mir jede Gesellschaft lästig und froh kann ich nur in meiner eigenen Gesellschaft sein, weil ich da ganz wahr sein darf.“ (Zitat aus dem Brief an seine Halbschwester Ulrike vom 5.2.1801 – Programmheft S.55). Er nahm sich das Leben.

Prinz Friedrich II. von Hessen-Homburg (1633-1708), der Protagonist des Dramas, war ein militärischer Haudegen. Er kam im Homburger Schloss zur Welt und starb ebenda.

Kleist widmete das Werk Prinzessin Marianne von Preußen, geborene Hessen-Homburg, die allerdings ein Aufführungsverbot erwirkte, da sie die Familienehre beschmutzt sah. Erst zehn Jahre nach Kleists Tod wurde es in Wien unter dem Titel „Die Schlacht von Fehrbellin“ uraufgeführt.

Luchino Visconti (1906-1976), der bedeutende italienische Opern- und Filmregisseur, hat seinem Freund, dem deutschen Komponisten Hans Werner Henze (1926-2012) das Kleist’sche Werk ans Herz gelegt, weil es das „glänzendste und bravouröseste deutsche Theaterstück ist und sehr viel opernhafte Elemente hat, die das Schauspiel gar nicht einmal realisieren kann.“ (Zitat aus dem Text der Dramaturgin Mareike Wink im Magazin der Oper Frankfurt.)

Hans Werner Henze reagierte zunächst zurückhaltend und da er länger nicht anbiss, drohte Visconti sogar mit der Aufkündigung der Freundschaft, wenn er das Projekt nicht realisiere. Dann lernte Henze bei der Gruppe 47,  der einflussreichen literarischen Vereinigung in Westdeutschland, die österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann (1926-1973) kennen. Sie schrieb ihm ein großartiges Libretto, das den Text des Schauspiels entmilitarisiert und den Prinzen als Träumer zeigt.

Domen Krizaj (Prinz von Homburg; stehend) und Ensemble, Foto: Barbara Aumüller

Die Handlung: Prinz Friedrich von Homburg dient dem Brandenburgischen Kurfürsten. Vor der Schlacht in Fehrbellin 1675 gegen die Schweden gibt der Kurfürst die Anweisung, erst auf sein ausdrückliches Kommando einzugreifen. Der Prinz, der zuvor träumend im Garten lag, handelt dem zuwider und gibt eigenmächtig den Befehl, anzugreifen. Die Schlacht wird durch sein Eingreifen gewonnen, aber er wird verhaftet und sogar zum Tode verurteilt wegen Befehlsverweigerung. Der Kurfürst ist nicht gewillt, den Prinzen zu begnadigen.

Allerdings werde er ihn freilassen, wenn der Prinz den Richterspruch für ungerecht hält. Aber Homburg erkennt das Urteil an. Prinzessin Natalie von Oranien, die Nichte des Kurfürsten, die den Prinzen liebt, setzt sich vehement beim Kurfürsten für seine Freilassung ein. Sie droht ihr Regiment zusammenzurufen, um mit Gewalt Prinz Friedrich zu befreien. Auch die Mitstreiter in der Schlacht drängen den Kurfürsten, den Prinzen freizulassen, dieser aber bekräftigt seine Anerkennung des Todesurteils. Der Prinz erwartet seine Hinrichtung. Dann wird ihm die Augenbinde abgenommen und Natalie setzt ihm den Siegeskranz auf. Homburgs Traum, den er vor der Schlacht hatte, wiederholt sich.

Regisseur Jens-Daniel Herzog. Foto: Renate Feyerbacher 

Diese Traum-Realität-Welten hat Jens-Daniel Herzog, Staatsintendant und Operndirektor am Staatstheater Nürnberg, überzeugend-eindrucksvoll eingefangen. Die innere Welt des Traums und die realistische Tageswelt des Kurfürsten kommen durch die verdichtete Inszenierung sehr klar hervor. Die Gesellschaft spielt mit Homburg, wie weit kann sie gehen? Der seelische Vorgang bei Homburg ist wie ein spannender Krimi vor allem gegen Ende der Oper. Das komprimierte Libretto von Ingeborg Bachmann kommt diesem Geschehen sehr zu gute.

Bachmann zögerte, Henzes Auftrag für einen Operntext anzunehmen. Sie hatte zunächst nicht den Mut, Kleists Stück „des Geistes der Knechtschaft und des Geistes der Freiheit“ zu kürzen, beziehungsweise zu bearbeiten. Sie tat es und das Resultat: Entmilitarisierung und Hervorhebung des Traums sind vorzüglich gelungen. Die Missachtung des Gesetzes ermöglichte den Kriegsgewinn. Die Musik von Hans Werner Henze verzichtet auf allzu komplizierten Gesang, aber differenziert ist er in der Gestaltung der Rollen: Mischklänge, Dreiklänge hat er für Träumer Homburg bestimmt, die Zwölftontechnik für den Kurfürsten- Ausdruck für Ratio und Vernunft.

Die Bühne ist karg gehalten beziehungsweise leer. Bühnenbildner Johannes Schütz hat, da das Handlungsteam ständig präsent ist, hinten eine Reihe mit Herrendienern aufstellen lassen, über diesen hängen die Kostüme, die Schütz unter Mitwirkung von Wickie Naujoks auch entwarf – eine Mischung aus modern und militärisch. Es drehen sich offene Boxen, auf denen sich oft alle versammeln. Der ausgezeichnete Licht-Designer Joachim Klein, seit 1994 an der Oper Frankfurt, pointiert das Geschehen mit dem Licht.

Und was für ein sängerisches Team ist da unglaublich engagiert – es ist wieder eine großartige Arbeit des Ensembles. Bis auf die Rolle des Kurfürsten sind alle anderen Hauptrollen mit dessen Mitgliedern besetzt.

Der slowenische Bariton Domen Krizaj singt und spielt den Prinzen von Homburg. Fantastisch wie er diese alles von ihm fordernde Partie interpretiert. Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg wird vom belgischen Tenor Yves Saelans, oft in Frankfurt aktiv, gefeiert zum Beispiel in Tamerlano nterpretiert. Ein wahrer Machtmensch.

Magdalena Hinterdobler und Yves Saelens, Foto: Renate Feyerbacher 

Extrabeifall für das sängerische Duell mit Magdalena Hinterdobler, die vor zwei Jahren ihr Debüt an der Oper Frankfurt als Eva gab. Die in Straubing Geborene singt an allen großen Opernhäusern. Auf Augenhöhe begegnet sie als Natalie dem Kurfürsten, ihrem Onkel – geradezu wuchtig kontert ihr klarer Sopran seinem machthaberischen Vorhaben.

Sonderbeifall für Magnus Dietrich als Graf von Hohenzollern. Er gibt demnächst sein Debüt an der Metropolitan Opera in New York. Mezzosopranistin Annette Schönmüller ist eine angepasste Kurfürstin. Stark alle Kriegshelden: Iain MacNeil, Sebastian Geyer, Andrew Kim, Božidar Smiljanić, Alfred Reiter und Jarrett Porter.

Der Dirigent Takeshi Moriuchi Foto:Renate Feyerbacher 

Last but not least stürmischer Beifall für Dirigent Takeshi Moriuchi und das Frankfurter Opern- und Museumsorchester. Der in Tokio geborene Moriuchi, auch ein vorzüglicher Pianist, ist seit 2018/19 Studienleiter der Oper Frankfurt. Sein Debüt als Dirigent – Ausbildung an der Universität Mozarteum Salzburg – gab er in Frankfurt 2019/20.

Wieder ein besonderer Abend an der Oper Frankfurt, den sich Opernbegeisterte nicht entgehen lassen sollten.

Weitere Aufführungen am:

12., 19., 25. Oktober und 2. November.

Es wurde ein Begleitprogramm im Schloss Bad Homburg in Zusammenarbeit mit der Oper Frankfurt organisiert.

www.oper-frankfurt.de  www.schloesser-hessen.de

Und noch etwas zur Oper Frankfurt:

Zum dritten Mal hinter einander und zum siebten Mal in der Amtszeit von Intendant Bernd Loebe gab es die Auszeichnung „Opernhaus des Jahres.“ Lydia Steier wurde für ihre mutige „Aida“– Regie ausgezeichnet. Wagners „Tannhäuser“ fand zusammen mit anderen Lob. Und Auszeichnung auch für Orchester, das wieder von der Fachzeitschrift Opernwelt zum „Orchester des Jahres“ unter GMD Thomas Guggeis für Ligetis „Le grand macabre“ gewählt wurde. Gleiche Stimmzahl gab es für das bayerische Staatsorchester. Der Chor war wieder „Chor des Jahres“ und „Sänger des Jahres“ wurde John Osborn als Éléazar  in „La Juive“.

 

 

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