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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

Preisverleihung des 9. ZAC Zonta Art Contemporary Förderpreises an Yun Heo im Museum Moderne Kunst (MMK)

Yun Heo und ihre beweglichen und „aufgeladenen“ Random-Installationen

Von Petra Kammann

Alle zwei Jahre verleiht der Zonta Club II Frankfurt Rhein Main den 2008 von Jutta Heun ins Leben gerufenen und mit 5000 Euro dotierten ZAC-Förderpreis an eine Künstlerin aus der Region, die meist am Beginn ihrer künstlerischen Karriere steht. Damit wollen die Zontians einerseits Künstlerinnen in ihrer kreativen Arbeit fördern und andererseits das Wissen über aktuelle Positionen in der Kunst vermitteln und vertiefen. In diesem Jahr ging der von einer unabhängigen Jury gewählte Preis an die koreanische Künstlerin Yun Heo. Anlässlich der Preisverleihung im MMK hielt Tamara Grcic, Bildhauerin und Professorin an der Kunsthochschule Mainz, die Laudatio auf die 34-jährige, in Seoul geborene Künstlerin.

Uta Friedlein, Präsidentin des Zonta Clubs Frankfurt II Rhein-Main, überreichte den ZAC-Preis an Yun Heo, Foto: Petra Kammann

Die neue junge MMK-Kuratorin und Sammlungsleiterin Julia Eichler begrüßte die Gäste in Vertretung der MMK-Direktorin Prof. Susanne Pfeffer.

Julia Eichler, die neue MMK-Kuratorin, die die Sammlung des MMK mit neuen Augen sieht, Foto: Petra Kammann

Uta Friedlein, Präsidentin des Zonta Clubs Frankfurt II Rhein-Main, sprach in ihrer Begrüßungsrede über die Bedeutung von Künstlerinnen und deren soziale Wertschätzung. Und stellte gleich die provokative Frage: „Haben Sie schon einmal von einer Kunstauktion gehört, bei der das Kunstwerk einer Künstlerin einen Höchstpreis erzielt hat? Nein?“ Und sie gibt gleich selbst die Antwort:„Kein Wunder – Denn unter den weltweit 100 teuersten Kunstwerken, die jemals bei Auktionen verkauft wurden, stammt nur eines von einer Frau, nämlich von Georgia O’Keeffe. Das Gemälde „Jimson Weed/White Flower No.1“ wechselte 2014 den Besitzer für 44,4 Mio USD. Dies zeigt, wie sehr Frauen am oberen Ende des Kunstmarkts unterrepräsentiert sind.

Auch Sotheby’s und Christie’s sind aufgefordert, umzudenken. Aber in den Museen und Galerien sieht es nicht viel besser aus, wenn sich hier doch auch in den letzten Jahren einiges getan hat.

Zusammenfassend schlussfolgerte Friedlein:„Künstlerinnen haben historisch gesehen weniger Zugang zu Ausstellungen, Fördermitteln und Netzwerken. Diese strukturellen Benachteiligungen führen oft dazu, dass ihre Werke seltener gezeigt und zu niedrigeren Preisen verkauft werden als die ihrer männlichen Kollegen. Daher muss eine gezielte Förderung dazu beitragen, dieses Ungleichgewicht zu verringern und gleiche Chancen am Kunstmarkt zu schaffen.“

Nele, Frankfurts älteste Künstlerin, kam eigens, um der jungen Yun Heo zu gratulieren, Foto: Petra Kammann

Dabei würden Künstlerinnen doch den Kunstmarkt und die kulturelle Landschaft durch ihre oft einzigartigen Perspektiven, Positionen und ihre Zeichensprachen bereichern. Genau das sei auch der Grund, weswegen die Zontians sich seit der Gründung durch Jutta Heun vor nunmehr 18 Jahren mit Leidenschaft für das ZAC-Projekt einsetzen.

Unabhängig vom Preis vermittelt ZAC (Zonta Art Contemporary) darüberhinaus auch Wissen an die Mitglieder im Rahmen von Symposien, Künstlergesprächen, Atelierbesuchen, Museumsführungen usw. und finanziert nicht zuletzt darüber auch den Förderpreis. Und diese Arbeit steht natürlich in einem größeren Zusammenhang, denn der Zonta Club reiht sich als einer von 138 Clubs allein in Deutschland in das internationale Netzwerk von Zonta International ein.

Das vor 105 Jahren gegründete Frauennetzwerk ist heute mit über 25.000 Mitgliedern in 63 Ländern vertreten, will heißen: durch rund 25 000 berufstätige Frauen in verantwortungsvollen Berufen, die sich für die Verbesserung der Stellung von Frauen auf ganz unterschiedlichen Gebieten einsetzen: wirtschaftlich, rechtlich, beruflich und gesundheitlich. Deshalb vergibt Zonta neben dem ZAC-Preis jährlich noch weitere prestigeträchtige Preise und Stipendien, zum Beispiel an engagierte Schülerinnen, hervorragende Studentinnen und an ausgewiesene Wissenschaftlerinnen in den Bereichen Wirtschaft, Aerospace und STEM, d.h. Science, Technology, Engineering und Mathematik. Hier wird nicht nur Exzellenz gefördert, Mädchen und Frauen werden ermutigt, ihren Weg zielstrebig zu verfolgen.

↑↓ Während der Laudatio von Tamara Grcic wurde Yun Heos Installation „Me time“ aus 2023 projiziert, Foto: Petra Kammann; 

Installationsansicht von „Me Time“, 2023 von Yun Heo

Doch nun zur ausgezeichneten Künstlerin selbst. Yun Heo konnte sich gegen ihre nominierten Künstlerkolleginnen Emilia Neumann, Alex Thake, Amna Elhassan durchsetzen. Die renommierte Bildhauerin Tamara Grcic, Professorin an der Mainzer Kunsthochschule, hat die künstlerische Entwicklung der Künstlerin von den Anfängen her verfolgt. Sie hielt die Laudatio auf die Preisträgerin.

In ihren Installationen schaffe die einstige Städelschulen-Schülerin Yun Heo es, durch äußere und innere Wahrnehmung von unbeachteten Randgegenständen und Phänomenen „Zeit, die um uns herum ist“, sicht- und spürbar zu machen. Sowohl ihre frühen, als auch ihre neuesten Arbeiten hätten mit Selbstvergewisserung und Bewegung im Raum zu tun. Ihre jüngstes Werk trägt den bezeichnenden Titel „Where do you want to go today?“, der sich auf die filmisch-nervöse Microsoft-Werbekampagne aus dem Jahre 1994 bezieht.

Preisträgerin Yun Heo im Gespräch mit der Laudatorin Tamara Grcic, Foto: Petra Kammann

Wie geht Yun Heo, deren Markenzeichen es ist, mehrteilige abstrakte Skulpturen in szenischen und räumlichen Arrangements zu entwickeln, in ihrer Arbeit vor? Sie bedient sich vorgefundener Alltagsgegenstände wie auch plastischer Materialien, die sie nach ihren Vorstellungen gestaltet, wobei in ihre Arrangements jüngste Erlebnisse, Erinnerungen an Kindheitsmomente und Literatur genauso einfließen wie etwa die Stimmen tierischer Mitbewohner.

Dabei habe sie ein ausgesprochenes Gespür für „aufgeladene“ Objekte, für habhafte Dinge, wie man sie in transitorischen Räumen wie etwa Bahnhöfen oder Flughäfen vorfindet. Nach alter koreanischer Tradition schnürt sie die dort vorgefundenen so alltäglichen Objekte wie Tempotücher, Sicherheitsgurte in eine Art Bündel (‚Boddari‘) zusammen, damit sie diese auch fort- und weitertragen kann. Aus den in Bündeln arrangierten objets trouvés ließen sich jeweils mögliche Erzählungen von Welt erzählen. Schließlich habe jeder „sein Päckchen zu tragen“. Mit dem „Gewicht der Welt“ auf ihren Schultern also geht oder läuft Heo dann durch die Welt.

Ungezwungener Austausch beim anschließenden Empfang im Foyer des MMK, Foto: Petra Kammann

Darüberhinaus beschäftigt sich die Künstlerin mit Fragestellungen an das heutige Leben. Sie registriert sehr genau unseren bisweilen wahnhaften Alltag in seiner ganzen Banalisierung und Sinnentleerung durch Werbeversprechen und ad absurdum führende Sinnsprüche oder auch durch die missratenen Versprechen einer Popkultur. Solchen Momenten begegnet sie jedoch nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern mit Humor und Ironie. Wenn sie also die aktuelle krisengeschüttelte Lage auch beklagt, so klagt sie sie dennoch nicht an.

Schön, dass das Publikum sehr gemischt war. So waren neben so profilierten und professionnellen Zonta-Mitgliedern wie die unterstützende Beraterin Anja Hofmann, die Galeristin Heike Strelow, die Zonta-Sprecherin Kerstin Walter oder auch die Kunstberaterin Martina Detterer und Silke Schuster-Müller, Kuratorin der Corporate Collection bei DekaBank Deutsche Girozentrale, und viele junge Künstlerkollegen und -kolleginnen gekommen, nicht zuletzt die älteste aktive Frankfurter Künstlerin E. R. Nele, eine echte Institution, die es sich mit ihren 92 Jahren nicht nehmen ließ, der freundlichen jungen Koreanerin freudig zu gratulieren.

Die glückliche Preisträgerin Yun Heo, Foto: Petra Kammann

YUN HEO – BIO

Die in Seoul gebürtige Künstlerin Yun Heo (*1990) arbeitet als Bildhauerin. 2016 bis 2019 absolvierte sie die Klasse von Tamara Grcic und die von John Skoog an der Kunsthochschule Mainz . Von 2019 bis 2022 studierte sie an der Städelschule in Frankfurt am Main und wurde Meisterschülerin in der Klasse von Judith Hopf und in der von Hassan Khan. 2023 durchlief Yun Heo erfolgreich eine Residency an der Skowhegan School of Painting & Sculpturen in Madison/USA. Seit 2023 ist sie Stipendiatin des Hessischen Atelierprogramms, Basis e.V. in Frankfurt am Main. Ihre Werke wurden bereits in mehreren Gruppen- und Solo-Ausstellungen gezeigt, so beispielsweise 2022 in der Gruppenausstellung “Mostly Sunny” im Fragile in Berlin, 2021 in der Gruppenausstellung “Les Urbaines” im Museum Espace Arlaud in Lausanne/CH. In der Soloausstelung ”Me time” zeigte sie 2023 ihre Werke im Ashley Berlin. Die Künstlerin lebt und arbeitet heute in Frankfurt am Main. 

DIE JURY

Die vorschlagende Fachjury:

Sebastian Baden (Direktor der Schirn Kunsthalle)
Corinna Bomboese (Direktorin des AtelierFrankfurt e.V.)
Professorin Tamara Grcic (Professorin für Bildhauerei an der Kunsthochschule Mainz)
Professorin Franziska Nori (Direktorin des Frankfurter Kunstvereins)
Professorin Susanne Pfeffer (Direktorin des Museum MMK für Moderne Kunst, Frankfurt)

 

Die auswählende Jury:

Dr. Beate Kemfert (Vorstand und Kuratorin der Stiftung Opelvillen, Rüsselsheim)
Silke Schuster-Müller (Leiterin gesellschaftliches Engagement der Deka Bank Frankfurt und Mitglied im ZAC-Team)
Claudia Eva Scholz (Geschäftsführerin Hessische Kulturstiftung)
Ina Neddermeyer (Leitung Museum Giersch der Goethe Universität)
Katharina Cichosch (vom Magazin art kaleidoscope, Autorin und Journalistin u.a. für die TAZ, DIE ZEIT; Monopol)

 

Bisherige ZAC-Preisträgerinnen in FeuilletonFrankfurt:

Anke Röhrscheid

Ellen Poppy

Eva Weingärtner

Benedikte Bjerre

Anne Imhof

Vera Palme

Viviana Abelson

Brenda Lien

Weitere Informationen unter:

www.zonta-frankfurt-2.de 

 

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