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FeuilletonFrankfurt

Das Magazin für Kunst, Kultur & LebensArt

PETRA KAMMANN, HERAUSGEBERIN · www.feuilletonfrankfurt.de · GEGRÜNDET 2007 VON ERHARD METZ

„Masala“ – Fotografie-Ausstellung von Alexander Paul Englert in Offenbach

Englerts emphatische Alltagsszenen aus Rajasthan

Von Brigitta Amalia Gonser

Unter dem Titel „Masala“ – in Hindi die Bezeichnung für verschiedene Gewürzzubereitungen der indischen Küche, in übertragenem Sinne eine Mixtur verschiedener Elemente – präsentiert der Frankfurter Künstler Alexander Paul Englert eine reiche und pikante Original-Mischung authentischer Menschenbildnisse und spontan eingefangener Alltagsszenen indischen Lebens aus dem Bundesstaat Rajasthan im Goldenen Dreieck zwischen Delhi, Jaipur und Agra.

Der Frankfurter Fotokünstler und Filmemacher Alexander P. Englert, Foto: Manfred Kötter 

Englert erweist sich in seinen Fotografien als offener und sensibler ethnographischer Forscher, auf der Suche nach der Würde des Anderen und Fremden. Auf Augenhöhe begegnet er in seinen soziokulturellen fotografischen Studien der Pluralität und Vitalität so verschiedener Individuen auf den Straßen in ihrem alltäglichen Treiben. Ihm geht es nicht um das Aufspüren indischer Prekarität und materieller Armut, sondern primär um das Aufzeichnen des menschlichen Reichtums Indiens.

People und Street Photography sind die Bereiche, in denen der Frankfurter Künstler Alexander Paul Englert tätig ist.

Englert zeigt die Gesichter Indiens in ihrer ganzen Vielfalt und Würde, Foto: Alexander P. Englert

Street Photography ist eine facettenreiche und faszinierende Kunstform, die die Welt um uns herum auf einzigartige Weise einfängt. Sie ist nicht inszeniert und zeichnet sich durch ihre Authentizität und Unmittelbarkeit aus. Besonders in den letzten Jahrzehnten hat sie enorm an Bedeutung gewonnen. Sie ist geprägt von einer Vielzahl unterschiedlicher Stilrichtungen und Ansätze, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben. Als kulturelles und soziales Dokument spiegelt sie den Zeitgeist und die Atmosphäre einer bestimmten Ära wider.

Alexander Paul Englert bei der Vernissage von ,Masala‘ in der Galerie Artycon in Offenbach, Foto: Petra Kammann

Unter dem Titel „Masala“ präsentiert der Frankfurter Künstler Alexander Paul Englert nun in der Offenbacher Galerie Artycon diese eine reiche und pikante Mischung authentischer Menschenbildnisse und spontan eingefangener Alltagsszenen indischen Lebens aus dem Bundesstaat Rajasthan: nicht nur im Goldenen Dreieck zwischen Delhi, Jaipur und Agra, sondern auch weiter westlich in Jodhpur und in Jaisalmer, durch die große indische Wüste Thar bis südlich nach Udaipur. Entstanden ist dieser Zyklus während seines dortigen einmonatigen Reiseaufenthaltes im Januar 2024.

1960 in Freiburg geboren, arbeitet Alexander Paul Englert seit 2002 als freier Fotograf. Er absolvierte nach einem Philosophie-Studium an der Goethe-Universität Frankfurt am Main ein prägendes Fotografie- und Design-Studium an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main. Danach erhielt er ein zweijähriges Atelier-Stipendium am Frankfurter Künstlerhaus Mousonturm. Englert hat seine meist projektbezogenen fotografischen Arbeiten in fünf Publikationen veröffentlicht und in über dreißig Einzelausstellungen im In- und Ausland gezeigt: so in Frankfurt am Main  in der Denkbar, im Schauspiel Frankfurt, im Künstlerhaus Mousonturm, im Museum Goethe-Haus und im Deutschen Romantik-Museum, im Historischen Museum, in den Goethe-Instituten von Frankfurt am Main, Rabat und Casablanca, außerdem in Galerien in Leipzig, München, Potsdam, Pforzheim, Budapest, Kanton, Toronto und in den Literaturhäusern von Berlin, Wiesbaden und Wien.

Dabei ist Englert keineswegs sentimentaler Reisefotograf, denn er erweist sich in seinen Fotografien als offener und sensibler ethnographischer Forscher, auf der Suche nach der Würde des Anderen und Fremden.

Auf Augenhöhe begegnet er in seinen soziokulturellen fotografischen Studien der Pluralität und Vitalität verschiedener Individuen auf den Straßen in ihrem alltäglichen Treiben, jenseits der wichtigsten und schönsten Sehenswürdigkeiten des Landes. Ihm geht es auch nicht um das Aufspüren indischer Prekarität und materieller Armut, sondern primär um das Aufzeichnen des menschlichen Reichtums Indiens.

Die Kinder auf den Straßen – voller Lebensfreude, Foto: Alexander P. Englert

So zieht es ihn in New Delhi zum Chandni Chowk, einem der ältesten Märkte der indischen Hauptstadt, wo er den spezifischen Beschäftigungen der Menschen nachgeht und sie in charakteristischen Situationen erfasst.

Bei Agra ist es nicht das herrliche Marmormausoleum Taj Mahal, eines der sieben Weltwunder, sondern Kachhpura und seine Bewohner, die er fotografiert, wo der ganze Ort für eine westliche Schuhmarke arbeitet und in Hausarbeit in verschiedenen Arbeitsschritten ein ganzes Sortiment an Schuhen produziert. Und da sind es offenbar auch die unter einfachsten Bedingungen glücklich spielenden Kinder, denen er folgt.

 Jaipur ist heute Hauptstadt des Staates Rajasthan, des Staates der Fürsten und Zentrum des für viele Besucher schönsten und reichsten Staates Indiens. Jaipur zählt zu den farbenprächtigsten Städten Indiens. Die rötliche Bemalung der Stadtmauer und Fassaden gab ihr den Namen „Rosarote Stadt“. In der pulsierenden Stadt Jaipur, die für ihr reiches kulturelles Erbe und ihre lebhaften Feste bekannt ist, sind es die festlich gekleideten Menschen beim Uttarayan Kite Festival, einem Drachenfest, auch bekannt als Makar Sankranti, einem freudigen Anlass, der in ganz Indien gefeiert wird, um den Übergang der Sonne in das Sternzeichen des Steinbocks zu markieren.

Traditionell ist das Festival mit der Erntezeit verbunden, die Wohlstand und Fülle symbolisiert. Im Laufe der Jahre hat es sich zu einem großen Fest der Gemeinschaft und des Miteinanders entwickelt, das den warmen und einladenden Geist von Jaipur widerspiegelt. Die Drachen, mit ihren unzähligen Farben, die den Himmel schmücken, gelten als Danksagung und Hoffnung für eine wohlhabende Zukunft.

Abends besucht Englert das berühmte Raj Mandir Kino in Jaipur und das allabendliche Schattenspiel mit den Kamelen, auf denen Touristen sitzen und sich fotografieren lassen. Tagsüber verfolgt er wachen Auges Menschen im Straßentreiben. Und er sucht Fort Amber bei Jaipur auf, dieses historisch-kulturelle und architektonische Juwel hinduistischer Baukunst Rajasthans, um sich eine ganz besondere, neumodische, bollywood-ähnlich inszenierte Tradition fotografisch nicht entgehen zu lassen: die Pre-Wedding-Shows junger heiratswilliger indischer Paare in diesem historischen Ambiente, dessen Bekanntheit es bis in die Vogue geschafft hat.

Würdenträger am Hof des Maharadschas von Jaipur, Foto: Alexander P. Englert

Englert porträtiert Thakur Durga Singh ji, den Urenkel Thakur Jait Singhs ji, der Würdenträger am Hof des Maharadschas von Jaipur war und das „Dera Mandawa“ als vorübergehende Unterkunft bauen ließ, die heute ein Hotel mit 12 Zimmern ist, das vom Urenkel und seiner Familie betrieben wird. Ein weiteres Foto zeigt ihn mit seiner Frau und deren gemeinsamen deutschen Schäferhund im Salon.

 In Jodhpur, „der blauen Stadt“, findet das pulsierende Leben und geschäftige Treiben sowie der rege Mopedverkehr am Ghanta Char Platz in der Nähe des Marktes statt. Interessant sind die farbenfrohen Bilder starker Frauen.

 In Jaisalmer, „der goldenen Stadt“, folgt er den staunend und andächtig erhobenen Blicken einer Familie im Jain-Tempel oder einem Zeitungslesenden auf dem Weg zur Festung und beobachtet die Straßenkinder, deren beste Freunde die Straßenhunde sind. Doch sucht er auch Blickkontakt zu Menschen in ihren Werkstätten und Wohnungen, da alle Türen immer offen stehen, weil immer jemand zu Hause ist, außer wenn Hochzeit gefeiert wird. So entdeckt seine Kamera auch solch ein wegen Hochzeit geschlossenes Haus. Auf der Hauswand steht das Datum der Hochzeit, welches gleichzeitig das Datum von Englerts Fotografie ist: 22.01.2024.

Ganz „bei sich“ – der Wüstenschäfer ist ganz bei sich, Foto: Alexander P. Englert

Und wir verabschieden uns von den wundervollen Menschen dieser Ausstellung mit Englerts archaischem Porträtbild eines Schäfers aus der großen indischen Wüste Thar, namens Hanif Khan Han, der ihm bis heute auf Instagram folgt.

Die Ausstellung

„Massala“ – Fotografien aus Indien
5. Oktober bis 16. November 2024
Galerie Artycon
Offenbach, Wilhelsplatz 2

Vernissage: 5. Oktober 2024, 11.00 – 16.00 Uhr
Finissage: 16. November 224, 11.00 – 16.00 Uhr

 

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